“Girl” (2018)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der junge, belgische Regisseur Lukas Dhont, welcher mit seinem Kurzfilm “L’infini” (2014) bereits international auf sich aufmerksam gemacht hat, gibt mit dem Spielfilm “Girl” (OT: “Girl”, Belgien & Niederlande, 2018) sein Langfilm-Debüt, welches auf den Cannes-Festspielen 2018 sehr viel Aufmerksamkeit bekam. Der Film passt gut zur einer neuen Bewegung der Sichtbarmachung von Transgender-Themen, wozu der Film “Eine fantastische Frau” von Sebastián Lelio viel beigetragen hat und sogar mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

Die 15-jährige Lara (Victor Polster) arbeitet hart dafür eine Ballerina zu werden. Für die Aufnahme in einer erstklassigen Ballettschule zieht sie mit ihrem Vater Mathias (Arieh Worthalter) und ihrem kleinen Bruder Milo (Oliver Bodart) sogar in eine andere Stadt. An der Schule kommt sie mit einer harten Tanzausbildung ihren Träumen immer näher. Nur die Tatsache, dass sie immer noch nicht ganz ein Mädchen ist, darunter leidet sie sehr und kann es nicht erwarten bis endlich die Hormonbehandlung beginnt. Bis dahin muss sie damit zurechtkommen in einem Körper erwachsen zu werden, der nicht für sie bestimmt ist.

Transgender stehen immer noch zu selten im Vordergrund einer Geschichte. Zwar gibt es schon starke Nebencharaktere wie der der Sophia Burset, gespielt von Laverne Cox, in der Serie “Orange is the New Black” (2013), aber erst der chilenische Film “Eine fantastische Frau” (2017) setzt eine Transgender-Frau in den Mittelpunkt eines Dramas. In diesem Film geht es dabei nicht um sie und ihre Wandlung, sondern um eine normale Frau, die trauert. Nichts Voyeuristisches besitzt der Film und steht so im Gegensatz zu den Menschen, die ihr begegnen.

Der belgische Filmemacher Lukas Dhont wählte einen anderen Weg in seinem Debüt-Langfilm “Girl”. Entstanden ist der Film nach einer wahren Begebenheit, von der Dhont gelesen hatte. Mit expliziten Bildern erklärt er in seiner Geschichte die Gefühle, welche seine Protagonistin durchmacht. Dabei geht es ihm nicht um Zurschaustellung, sondern er macht deutlich, wie schwierig die Pubertät sein kann, vor allem wenn man in den falschen Körper geboren wurde. Lara will eigentlich nichts weiter außer Tanzen, um sich ihren Traum zu erfüllen. Doch die Interaktion mit anderen Menschen, welche immer wieder auf unterschiedlichste Weise betonen, dass sie anders ist, wirft sie immer wieder aus der Bahn. So erklären sich auch ihre Handlungen von einfachen Veränderungen, dem Flirt mit dem Nachbarsjungen bis hin zu der radikalen Tat am Ende des Films. Lukas Dhont und sein Co-Drehbuchschreiber Angelo Tijssens haben hier ein eindringliches Portrait und eine besondere Coming-of-Age-Geschichte geschaffen, die es schafft ohne Pathos und Stereotypen starke Gefühle zu erzeugen.

Der Spielfilm besitzt einen enorm Authentitätsgehalt. Das liegt nicht nur an der durch und durch realistischen Locationwahl, sondern vor allem an den Alltagsszenen der Tanzschule. Die Tänzer, welche alle circa 15 Jahre alt waren, übten drei Monate lang für die Tanzszenen. Diese bestechen und zeigen eine enorme Leistung, vor allem die des 15-jährigen Hauptdarsteller Victor Polster. Dieser wurde nach einem langen Casting-Prozess hervorragend ausgewählt, es stand offen welches Geschlecht der oder die SchauspielerIn besitzt, welche die Rolle verkörperte. Aber der Cisgender-Mann Polster brachte alle nötigen Talente mit. Nicht nur die überzeugende Wandlung in ein Mädchen und ein schauspielerisches Talent, sondern auch die nötige Tanzerfahrung. Er ist Tänzer und nicht Schauspieler an der Königlichen Ballettschule Antwerpen. Die Wahl ist perfekt, auch wenn sich der eine oder andere bestimmt gewünscht hätte, einen Transgender in der Rolle zu sehen. Bei der Kameraführung des Kameramanns Frank van den Eeden merkt man auch die Fokussierung auf den Hauptcharakter. Oft wird nur die die obere Hälfte gefilmt, um die Mimik festzuhalten. In manchen Szenen hätte man sich eine losgelöstere Kamera gewünscht, die auch die Tanzszenen weiter einfängt. Auch die Nebendarsteller vor allem der Vater, verkörpert von Arieh Worthalter, wurden gut gewählt und schaffen einen authentischen Rahmen für diese besondere Coming-of-Age-Geschichte. Die Musik rundet das ganze passend ab. Im Gesamten ist der Film “Girl” ein starkes Debüt des belgischen Regisseur Lukas Dhont und ein eindringliches Drama.

Fazit: “Girl” ist das Debüt des belgischen Regisseurs Lukas Dhont. Auf einer wahren Geschichte basierend, erzählt er eine Coming-of-Age-Geschichte, welche durch die Wandlung vom Jungen zum Mädchen und durch die Liebe zum Ballett geprägt ist. Mit starken Bildern und dem perfekt ausgewählten Hauptdarsteller Viktor Polster gelingt Dhont ein starkes Drama und einfühlsames Portrait, das es schafft, zu sensibilisieren und das Augenmerk auf ein wichtiges Thema zu lenken.

Bewertung: 7,5/10

Kinostart: 18. Oktober 2018, DVD-Start: unbekannt

Der Trailer:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

  • Interview mit dem Regisseur Lukas Dhont über seinen Film “Girl” 
  • Rezension des Films “Girl” in der “Variety” 
  • Interview mit dem Regisseur Lukas Dhont über seinen Film “Girl” 
  • Rezension des Films “Girl” auf dem Portal “cineuropa” 

 

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