„Autobahn“ (2019)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik:
Der deutsche Dokumentarfilm „Autobahn“ von Daniel Abma, der auf dem 62. DOK Leipzig seine Weltpremiere feierte, hält den Bau einer Umgehungsstraße in Bad Oeynhausen fest, welcher acht Jahre bis zur schlussendlichen Vollendung benötigte. Abma war von Anfang an dabei, berichtet von den Entwicklungen und den Stimmungen in der Stadt und bringt so auch die Menschen, die damit zutun haben, den Zuschauern näher.

Seit langer Zeit muss der gesamte Verkehr der von der Autobahn A30 kommt durch die 50.000 Einwohner-Gemeinde Bad Oeynhausen. Einst eine Kurstadt, war sie vor allem für den Stau berühmt, der die Menschen hier festsetzte. 2011 drohte der Stadt ein Verkehrskollaps und so beschloss man eine Nordumfahrung zu bauen, so dass zukünftig der Durchgangsverkehr nicht mehr durch die Stadt rollen muss. Doch wie nehmen die Bürger von Bad Oeynhausen dieses Projekt auf und was muss getan werden, um dieses Bauvorhaben umzusetzen?

Der Regisseur und Drehbuchschreiber Daniel Abma, geboren 1978 in Groningen in den Niederlanden, stand beim Pendeln zwischen seiner Heimat und der Uni häufig in genau jenem Stau, der durch Bad Oeynhausen führt, und beschloss, als er von der geplanten Nordumgehung hörte, ihr einen Dokumentarfilm zu widmen. Dass dieses Projekt solch einen Umfang annehmen würde, konnten Abma und sein Team im Jahr 2011 noch nicht ahnen. Denn die Verwirklichung dauerte ganze acht Jahre, bis nun endlich seit dem 6. Dezember 2018 der Verkehr nicht mehr durch die Stadt rollt. Um die Geschichte der Nordumgehung zu erzählen, entschied er sich nicht für eine reine Faktensammlung, sondern beschloss, die Veränderungen anhand von einzelnen Menschen zu dokumentieren. Dazu trat er ins Gespräch mit einem älteren Ehepaar, dessen Grundstück direkt an die neue Autobahn angrenzt, mit dem Alt-Bürgermeister, einem Bad Oeynhauser Urgestein, mit der Besitzerin eines Handarbeitsgeschäft und mit dem Jesus-Mann, der stets Schilder für die Vorbeifahrenden hochhielt. Diese Menschen bilden eines breites Panoptikum durch die Gesellschaft. Sie sind unverstellt und ehrlich und machen ihre Ängste und Wünsche deutlich. Über die Jahre trifft man sie immer wieder – sie erzählen die vielen großen und kleinen Veränderungen. Über 120 Stunden Material sind so für seinen 86-minütigen Film entstanden. Dadurch erhält man als Zuschauer, abseits des Politikbetriebes und der offensichtlich misslichen Verkehrssituation, ein Gefühl für die Menschen, die dadurch alle involviert sind. Dabei schafft Abma es auch den richtigen Ton zu treffen, so ist Humor ebenso wie sachliche Dokumentation gleichwertig vorhanden und als Zuschauer kann man mit einem gewissen Maß an Spannung die Entwicklungen verfolgen. Für seine Dokumentation wählte er einen klassischen Mix aus Interviews und beobachtenden Aufnahmen und man sieht dem Kameramann David Schittek das Gespür für die pointierte und bisweilen malerische Aufnahmen an. Im Gesamten ist „Autobahn“ ein klassischer Dokumentarfilm, der sich intensiv mit einem Thema beschäftigt hat, aber aus einer sehr menschlichen Position heraus. Wunderbar nah wirkt die Geschichte und kann informieren, berühren und amüsieren. 

Daniel Abma (rechts) beim DOK Leipzig 2019

Fazit: „Autobahn“ ist der achte Dokumentarfilm von Daniel Abma. Er dokumentiert die baulichen Veränderungen einer Nordumgehung in der Stadt Bad Oeynhausen. Die notwendige Maßnahme wurden in über acht Jahren realisiert und so entstand mit seiner Dokumentation nicht nur ein Film über ein Bauprojekt, sondern zugleich auch ein Portrait einer Stadt und ihrer Bewohner anhand ausgewählter Interviewpartner*innen. Der Zuschauer begleitet sie 85 Minuten lang über die Jahre bis hin zur Fertigstellung. Abma findet für seine Dokumentation die richtige Bildsprache und Ton zwischen wunderbarer Unterhaltung und sachlicher Information.   

Bewertung: 8,5/10

Trailer zum Kurzfilm „Autobahn“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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