„Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ (2019)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Die österreichische Filmemacherin Jessica Hausner erzählt in ihrem ersten englischsprachigen Spielfilm „Little Joe“ (OT: „Little Joe“, UK, Österreich, Deutschland, 2019), ihrem mittlerweile sechsten Film und einem Science-Fiction-Horror, von einer Blume, die glücklich machen soll.

Die Pflanzenzüchterin Alice Woodard (Emily Beecham) arbeitet zusammen mit ihren Kollegen, so auch ihrem Verehrer Chris (Ben Whishaw), an einer genmanipulierten Blume, welche die Menschen glücklich machen soll. Hierfür steckt die alleinerziehende Mutter ihre ganze Zeit in dieses Projekt. Ihr Sohn Joe (Kit Connor), nach dem sie die Pflanze benannt hat, überlegt dagegen zu seinem Vater zu ziehen. So steht Alice vor der Entscheidung, welches Kind – welcher Joe ihr wichtiger ist. Doch gleichzeitig passiert etwas Unerwartetes, denn die Pflanze und ihr Wirkstoff scheinen gefährliche Nebenwirkungen zu besitzen. 

Kit Connor und Emily Beecham

„Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ ist ein gelungener Hybridfilm aus Horror, Science-Fiction, Sozialkritik und Drama. Zusammen mit Géraldine Bajard schrieb die Regisseurin Jessica Hausner („Lourdes“ (2009), „Amour Fou“ (2014)) das Drehbuch dazu. Wie auch andere moderne Horrorfilme u.a. „The Babadook“ (2014) und „Ich seh ich seh“ (2014) stammt hier viel des Horrorszenarios aus der Beziehung zwischen Mutter und Sohn. Hausner, selber alleinerziehend und viel mit ihrer Arbeit beschäftigt, lässt so eigene Erfahrungen in das Skript mit einfließen. Hier siedeln sich die Drama-Elemente des Films an und so beschäftigt er sich abseits alles Fantastischen mit wichtigen familiären Themen. Gleichzeitig ist der Film auch ein ‚Mensch versus Natur‘-Film. Der Kontrast zwischen der fluffigen, rot leuchtenden Blume und dem kühlen, stark geometrisch bestimmten Forschungslabor sowie der gut aufgeräumten Wohnung der Protagonistin ist klar erkennbar. Diese Gegensatz ist bestimmend für die Geschichte des Films und spiegelt sich auch auf emotionaler Ebene wider. Der Film ist dabei in einer nahen Zukunft angesiedelt. Nicht nur der Look, sondern auch der Forschungsstand und kleine Details verordnen den Film ins Science-Fiction-Fach. Die Horror-Passagen dagegen brechen unmittelbar immer wieder herein und werden verstärkt durch die eigene Fantasie und ein ständiges Misstrauen, so dass man als Zuschauer eine stetige Anspannung spürt.

Emily Beecham und Ben Whishaw

Dass das so ist, liegt auch an der tadellosen Um- und Besetzung, welche die große Stärken des Films sind. Jessica Hausner verpasst ihrer Geschichte einen außergewöhnlichen Look. Alles hat in diesem Film die perfekte Ordnung – die Ausstattung des Forschungslabors im makellosen Weiß genauso wie die Inneneinrichtung der Wohnung der Protagonistin. Auch die Kleidung spiegelt das Sachliche und Geordnete wieder, wie auch die Anordnung der Blumen, so dass man allein durch die Bilder das Gefühl bekommt, dass alles unter Kontrolle ist. Doch mit der Entfaltung der Blumen bricht ein starkes, dominantes Rot herein und so wird die Blume selbst zu einer Gefahr und das obwohl sie dabei nicht wirklich aktiv zu werden scheint. Untermalt wird das Ganze von der großartigen Musik von Teiji Ito, welche bereits in den 70er Jahren komponiert wurde. Das musikalische Konzept besticht mit ungemütlichen Klängen und einem immer wieder Anschwellen dieser und jedes Mal gefriert dem Zuschauer das Blut in den Adern. Die Szenerie wird dabei meistens von einer teils fliegenden und sich drehenden Kamera langsam erkundet und lässt den Horror langsam aber effektiv aufkommen. Man muss sich wahrlich auf diese Seherfahrung einlassen, aber wenn man das tut, bekommt man einen Horrorfilm präsentiert, der keine Jumpscares braucht, um das Publikum zu erschrecken. Das dies so gut funktioniert liegt natürlich auch an dem hervorragenden Cast. Bis in die kleinsten Nebenrollen ist der Film gut besetzt und bietet mit Ben Whishaw („Das Parfum“ (2006), „James Bond 007: Skyfall“ (2012)) und Emily Beecham („Hail Caesar!“ (2016), „Daphne“ (2017)) ein Gespann zweier Darsteller, die ihren Figuren Tiefe geben. Vor allem Emily Beecham überzeugt als Workaholic-Mum, die nach und nach ihre Contenance verliert. Dafür wurde sie in Cannes im Jahr 2019 auch mit der Goldenen Palme als Beste Darstellerin ausgezeichnet. Im Gesamten ist Jessica Hausner ein außergewöhnliches und bestechendes Horror-Sci-Fi-Drama gelungen, das gesellschaftsrelevante Themen anspricht, ein unheimliches Bild der Zukunft liefert und mit einer eigenwilligen Inszenierung die Spannung weit oben hält.

Fazit: Der Spielfilm „Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ ist ein gelungener Hybrid aus Drama, Horror und Science-Fiction. Die Regisseurin und Autorin Jessica Hausner erzählt in ihrem ersten englischsprachigen Film von einer genmanipulierten Pflanze, die ihre eigenen Ziele zu verfolgen scheint. Das erzählt die Regisseurin mit einer dichten Atmosphäre, ruhigen Bildern, die von Kontrasten leben und einem bestechend unheimlichen Sound sowie hervorragenden Darstellern. Alles in allem ist „Little Joe“ ein unheimlicher und ungemütlicher Film, der unter die Haut geht und definitiv zu den ungewöhnlichsten Horrorfilmen des letzten Jahres zählt. 

Bewertung: 8/10

Kinostart: 09.01.2020 / DVD-Start: unbekannt

Trailer zum Film „Little Joe – Glück ist ein Geschäft“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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