Elf Fragen an Niki Lindroth von Bahr

Doreen Kaltenecker
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© Niki Lindroth von Bahr

Interview: Im Gespräch mit der schwedischen Regisseurin und Künstlerin Niki Lindroth von Bahr konnten wir mehr über ihren vierten, neuesten Film „Something to Remember“ (OT: „Något att minnas“) erfahren, der auf der 70. Berlinale lief. Dabei erzählt sie mehr über die Entstehung, welche Rolle Musik einnimmt und ob ihre Stop-Motion-Filme wie „Bath House“ (OT: „Simhal“, 2014) und „The Burden“ (OT: „Min Börda“, 2017) immer düsterer werden.    

The original english language interview is also available.

Kannst Du mir mehr zu der Entstehung Deines vierten Kurzfilms „Något att minnas“ erzählen? Er ist aus einem Schlaflied entstanden, richtig?

Ja, es ist eine neue Version eines alten schwedischen Schlafliedes aus den 40er Jahren, mit neuem Text. Ich habe das Original oft meiner Tochter vorgespielt. Ich beschloss, während des Schreibens dieses Drehbuchs nicht zu viel zu analysieren, sondern einfach meinem Gefühl zu vertrauen, diese Fragmente und Situationen zusammen mit dem Lied zu kombinieren. Zuerst wusste ich nicht, worum es geht, aber als ich fertig war, wurde mir klar, dass es nur um Elternschaft geht: Einem neugeborenen Kind diese fremde Welt zu präsentieren.

Deine Geschichten handeln immer auch von den Abgründen der Menschen. Ich habe sogar das Gefühl diese werden immer düsterer? Tauchst Du immer weiter in Dystopien ein?

„Something to Remember“

Ja, vielleicht doch! Es ist ein Thema, das mich wirklich interessiert, und es wird definitiv mit jedem Film düsterer. Obwohl ich jetzt ein viel glücklicherer Mensch bin, hatte ich viel Spaß dabei „Something to Remember“ zu machen.

Warum entscheidest Du Dich konsequent für tierische Charaktere?

Mir gefällt die Idee, dass meine Filme eine Art zeitgenössische Fabel sind. Und dass sie diesen niedlich-albernen Filter zwischen dem Publikum und der eigentlichen Geschichte haben. 

Warum hast Du Dich in Deinem neuesten Film genau für diese Tiere entschieden?

Das Thema dieses Films sind Tiere, die als Schädlinge betrachtet werden. Killerschnecken, Ratten, Stadttauben usw. In „The Burden“ waren es Tierarten, die häufig für medizinische Experimente verwendet werden. 

„Något att minnas“ ist dein zweiter Film, wo Du Deine Geschichte durch Gesang erzählst. Hast Du das Musical als Genre für Dich entdeckt? 

Musik ist definitiv ein wirkungsvolles Kommunikationsmittel und funktioniert bei einigen Geschichten wirklich gut. Es hat mir auch großen Spaß gemacht, mit dem Komponisten Hans Appelqvist und dem Lyriker Martin Luuk an „The Burden” zu arbeiten, deshalb wollte ich unsere Zusammenarbeit ein wenig weiter ausloten.   

Kannst Du mir zur Entwicklung der Musik – hier und auch bei „The Burden“ erzählen?

Normalerweise habe ich eine Idee, die von Hans musikalisch interpretiert wird, und Martin schreibt den Text auf der Grundlage meiner Beschreibung eines Themas oder einer Atmosphäre. 

Deine Welten in den Filmen sind immer wieder äußerst detailliert. Man sieht die Arbeit, die darin steckt. Wie lange brauchst Du zur Umsetzung Deiner Projekte? Arbeitest Du mit einem Team?

„Something to Remember“

Für jeden meiner früheren Filme, die etwa 11-15 Minuten lang sind, habe ich etwa 2,5 Jahre gebraucht. Hauptsächlich wegen des geringen Budgets. Ich habe Mitarbeiter in Teilen der Filmproduktion, aber es gab auch viele, viele Stunden, in denen nur ich Pelz auf Puppenohren geklebt oder winzige Müslipackungen gefaltet habe…  

Was passiert mit den Puppen nach dem Dreh – kann man diese auch mal live in Ausstellungen o.ä. sehen?

Ja, die Kulissen und Marionetten sind ziemlich viel ausgestellt worden. Letzten Herbst hatte ich eine große Einzelausstellung hier in Stockholm, in der alle meine Filme und eine Menge Modelle gezeigt wurden. Das war eine ziemlich große Anerkennung für mich in Schweden. 

Hast Du selbst Vorbilder für Deinen Look oder Deine Geschichten?

Ich bin sehr inspiriert von Michael Haneke und David Lynch. Und von Künstlern wie Caspar David Friedrich und Louise Burgouise. In der Animation liebe ich die Arbeit von Marc und Emma de Swaef und Reka Bucsi [Anm. d. Red. „Love“ (2015)].

Wie werden Deine Filme in Deinem Heimatland Schweden aufgenommen. „The Burden“ gewann international viele Preise. Können Schweden die Songs mitsummen?

„Something to Remember“

Kurzfilme sind nicht wirklich ein Medium, an dem sich viele Menschen im Allgemeinen beteiligen. Aber ich habe während meiner Einzelausstellung im letzten Herbst viel Aufmerksamkeit erhalten. Es ist eine gute Situation, sowohl in der Kunstwelt als auch in der Filmindustrie sichtbar zu sein. Einige Schweden können durchaus das Fischlied summen, überraschend viele Kinder!

Ich würde mich ja sehr über einen Langfilm aus Deiner Hand freuen. Ist da was geplant oder stehen andere Projekte an?

Ich arbeite tatsächlich an einem großartigen Projekt namens „The House“, zusammen mit Nexus für Netflix. Es ist eine Anthologie von drei Stop-Motion-Filmen von mir, Marc und Emma de Swaef und Paloma Baeza, also bin ich wirklich in großartiger Gesellschaft. Diese Produktion ist im Vergleich zu meinen vorherigen natürlich riesig, aber es macht so viel Spaß! Außerdem entwickle ich zusammen mit der Produktionsfirma Pastel von Barry Jenkins eine animierte Thriller-Serie über einen verheerenden Finanzcrash. Das Thema ist heutzutage ein wenig nah an der Realität und fühlt sich an wie ein Dokumentarfilm.

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Something to Remember


Interview: In a conversation with the Swedish director and artist Niki Lindroth von Bahr we were able to learn more about her fourth, latest film “Something to Remember” (OT: “Något att minnas”), which was shown at the 70th Berlinale. She tells us more about the making of the film, the role of music and whether her stop-motion films like “Bath House” (2014) and “The Burden” (2017) are becoming darker and darker.   

Can you tell me more about the making of your fourth short film “Något att minnas“? It originated from a lullaby, right?

Yes it’s a new version of an old Swedish lullaby from the 40:s, with new lyrics. I played the original a lot for my daughter. I decided to not analyze too much while writing this script, just trust my feeling about combining these fragments and situations together with the song. At first I didn’t know what it was about but when I was finished I realized that it’s all about parenthood. To present this strange world to a newborn child.

Your stories are always about the deepest depths of humanity. I even have the feeling that they have become darker and darker. Are you diving deeper and deeper into dystopia?

Yes maybe I do! It’s a subject that really interests me and it’s definitely getting darker for each film. Although I’m a much happier person now, I had a lot of fun making “Something to Remember“.

Why do you consistently choose animal characters?

I like the idea of my films being some sort of contemporary fables. And having this cute/silly filter between the audience and the actual story. 

Why did you choose exactly these animals in your latest film?

The theme of this film is animals that are considered as pests. Killer slugs, rats, city doves etc. In “The Burden” it was animals species that’s often used in medical experiments. 

“Något att minnas” is your second film where you tell your story through singing. Have you discovered the musical as a genre for yourself? 

Music is definitely a powerful way of communicating and works really well for some stories. I also had great fun working with composer Hans Appelqvist and lyric writer Martin Luuk on “The Burden“, so I wanted to explore our collaboration a little further.   

Can you tell me about the development of the music – here and also in “Min börda”?

Usually I have an idea that’s interpreted musically by Hans, and Martin is writing the lyrics based on my description of a subject or atmosphere. 

Your worlds, in the films, are always very detailed. You can see the work that goes into it. How long do you need to realize your projects? Do you work with a team?

Each of my previous films that are about 11-15 min took about 2,5 years to make. Mainly because of low budget issues. I have co-workers in parts of each film production but there’s also been many, many hours of just me gluing fur on puppet ears or folding tiny cereal boxes…  

What happens to the puppets after the shooting – can you see them live in exhibitions or similar?

Yes the sets and puppets have been exhibited quite a lot. Last fall I had a huge solo exhibition here in Stockholm, screening all of my films and a load of models. That was a quite big acknowledgment for me in Sweden. 

Do you have your own role models and inspirations for your look or your stories?

I’m very inspired by Michael Haneke and David Lynch. And artists like Caspar David Friedrich and Louise Burgouise. In animation I love the work of Marc and Emma de Swaef and Reka Bucsi.

How are your films received in your home country Sweden. “Min börda” won many international awards. Can Swedes hum the songs?

Short films are not really a media that many people take part of in general. But I did get a lot of attention during my solo exhibition last fall. It’s a good situation to be visible in both the art world and the film industry. Some Swedes can definitely hum the fish song, many children surprisingly!

I would be very happy about a feature film from your hand. Is there anything planned or are there other projects planned?        

I’m actually working on a great project called The House, together with Nexus for Netflix. It’s an anthology of three stop motion films by me, Marc and Emma de Swaef and Paloma Baeza, so I’m really in great company. This production is obviously huge compared to my previous ones, but it’s so much fun! I’m also developing an animated thriller series about a devastating financial crash, together with Barry Jenkins production company Pastel. The theme is a little too close to home these days, feels like a documentary..

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm „Something to Remember“ 

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