„Hollywood“ (Staffel 1, 2020)

Doreen Kaltenecker
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Serienkritik: Der Erfinder von Serien wie „Glee“ (2009-2015) und „American Horror Story“ (seit 2011) schuf mit seiner siebenteiligen Miniserie „Hollywood“ (2020) ein Was-wäre-wenn-Szenario, bestückt mit realen Persönlichkeiten und in einem Umfeld, in dem es sich jeder Cineast gern sofort gemütlich macht.

Im Hollywood der 40er Jahre versammeln sich tagtäglich Menschen vor den Toren eines großen Filmstudios, um eine Statistenrolle zu ergattern. Auch der Kriegsheimkehrer Jack Castello (David Corenswet) möchte sich den Traum von einer Leinwandkarriere erfüllen. Anders als Rock Hudson (Jake Picking), der bereits von Henry Wilson (Jim Parsons) unter die Fittiche genommen wurde, sehen seine Chancen eher schlecht aus. Erst als der Studiochef Ace Amberg (Rob Reiner) unpässlich wird und seine Frau Avis (Patti LuPone) die Geschäfte übernimmt, kommt Schwung in das angestaubte System. Nicht nur kann der schwarze Drehbuchschreiber Archie Coleman (Jeremy Pope) sein Skript erfolgreich vorstellen, für das dann der junge Regisseur Raymond Ainsley (Darren Criss) engagiert werden wird, sondern es kommt noch mehr Bewegung in die Entwicklung des Films, als man überlegt die schwarze Darstellerin Camille Washington (Laura Harrier) als Hauptrolle zu besetzen und auch für Jack scheint seine Zeit gekommen zu sein.

Joe Mantello,, Holland Taylor, Harriet Harris und Patti-LuPone

Was wäre wenn – diese Prämisse steht am Anfang der Serie „Hollywood“. Erdacht und geschrieben von Ian Brennan und Ryan Murphy (*1965), der u.a. „Nip/Tuck“ (2003-2010)  „Glee“ (2009-2015), „American Horror Story“ (seit 2011) und „The American Crime Story“ (2016-2018) kreiert hat und mittlerweile fest bei Netflix unter Vertrag steht. Für den Streamingdienst ersinnt er fleißig Geschichten, u.a. die der Miniserie „Hollywood“, welche in sieben Folgen davon berichtet, wie es gewesen wäre, wenn damals nicht nur weiße, hetereosexuelle Männer den Ton in Hollywood angegeben hätten. Während die Geschichte mit ihren vielen Einzelsträngen, welche immer mehr zusammenlaufen, noch ganz realistisch anfängt und die Schwierigkeiten von Hollywood und dem Studiosystem einfängt, wird es von Folge zu Folge immer märchenhafter und der Zuschauer lässt sich gern darauf ein. Vor allem die Mischung funktioniert wunderbar. Denn auf der einen Seite haben wir reale Strukturen (die ACE-Studios sind ein Konglomerat aus bekannten Studios) und echte Persönlichkeiten u.a. der Agent Henry Wilson, der Schauspieler Rock Hudson und Hattie McDaniel (gespielt von Queen Latifah), welche in ihrer Rolle für „Vom Winde verweht“ (1939) einen Oscar erhielt. So wägt man sich anfänglich, trotz geschönter Bilder, in einem authentischen Szenario, welches historisch vielleicht sogar bildend sein kann. Doch nach und nach schleichen sich Gegebenheiten ein, bei denen man denkt, dass es doch so nicht gewesen sein kann und so nimmt die Serie immer mehr an Fahrt auf und mündet in einer letzten Folge, die zeigt, dass alle Träume in Erfüllung gehen können. Diese Steigerung, dieses Weiterspinnen macht den großen Reiz der Serie aus und gibt gleichzeitig die Botschaft weiter, dass es für notwendige Veränderungen auch jetzt noch nicht zu spät ist. Ryan Murphy kreiert ein Hollywood, was es so nie gegeben hat, das es aber auf jeden Fall hätte geben müssen.

Darren Criss, Jeremy Pope, David Corenswet und Jake Picking,

Unterstützt wird die Wirkung der Serie wunderbar von ihrer sauberen Inszenierung und dem hervorragenden Ensemble. Dabei wirkt das Hollywood, was so viel dreckige Details unter seiner Oberfläche verbirgt, wie eine glänzende, polierte Version seiner Selbst, so wie es sich bestimmt gerne selber sehen würde. In dieser Welt ist jedes Außenset sonnig und die Innenräume sind wunderbar passend arrangiert. Sogar der Sündenpfuhl – hier ganz konkrete eine bestimmte Tankstelle – leuchtet in wunderschönen Pastellfarben. Auch die Kostüme und sämtliche Ausstattungsgegenstände betonen die Schönheit der Glitzerwelt, hinter der sich Rassismus, Diskriminierung und ungerechte soziale Systeme verbergen. Doch ganz im Sinne der Schönheit gewinnen hier einmal das Gute und die Guten. Diese werden von einem hervorragenden Ensemble dargestellt, das bis in die Nebenrollen perfekt ist. Großartig in ihren Rollen sind David Corenswet, Laura Harrier, Joe Mantello, Jake Picking, Jeremy Pope und Samara Weaving („The Babysitter“ (2017)). Sie werden unterstützt von Murphys Hofdarstellern: Darren Criss („Glee“ (2010-2015)) und Dylan McDermott („American Horror Story“ (2011-2018)). Hinzu kommen bekannte Gesichter, die ihre Rolle wunderbar leben: Patti LuPone („Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (1989)), Rob Reiner (Regisseur von „Harry und Sally“ (1989)), Queen Latifah („Chicago“ (2002), „Hairspray“ (2007)) und Jim Parsons, der hier endlich mal erfolgreich seiner bekannten Sheldon-Cooper-Rolle („The Big Bang Theory“ (2007-2019), „The Muppets“ (2011)) entgegen spielen kann. Zusammen mit diesem Ensemble, durch das sogar der größte Widerling noch genug Profil bekommt, lässt man sich als Zuschauer gern auf das Märchen „Hollywood“ ein.

Michelle Krusiec und Laura Harrier

Fazit: Die siebenteilige Miniserie „Hollywood“ entführt uns in eine Vergangenheit, die es so nicht gab und ist damit eine wunderbare Fantasterei, welche sich eine offene, tolerante Welt ausmalt. Der Serienmacher Ryan Murphy wirft mit wunderschönen Bildern und hervorragenden DarstellerInnen einen verträumten Blick zurück, der aber trotzdem entlarvend ist und liefert ein klares Signal für die Jetztzeit, so dass rundherum eine großartige Serie entstand.

Bewertung: 5/5

Trailer zur Staffel 1 der Serie „Hollywood“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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