Acht Fragen an Silva Ćapin

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit der kroatischen Regisseurin und Drehbuchautorin Silva Ćapin konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „The Rudeness of a German Lady“, gesehen auf dem ‚Open Air‘ des 32. Filmfest Dresden, erfahren, wie die Idee dazu entstand und was ihr bei der Besetzung und Figurenerschaffung wichtig war.

The original english language interview is also available.

Wie entstand die Idee zu Deinem Kurzfilm „The Rudeness of a German Lady“? Stehen wahre Ereignisse im Hintergrund?

Die Idee für den Film kam mir eines Tages zufällig – was wäre passiert, wenn sich ein Sonnenbadender am Strand einfach lange Zeit nicht bewegt hätte? Während ich am Drehbuch und später am Film arbeitete, erzählten mir einige Leute, die mit dem Projekt in Kontakt standen, dass  sie von einem solchen Fall gehört hatten. Während wir uns auf die Dreharbeiten für den Film vorbereiteten, wurde ich Zeuge einer Situation, in der ein Krankenwagen kam, um einem Touristen zu helfen, der am Strand erkrankte. Ganz zufällig war es ein deutscher Tourist.

Wunderbar fängst Du die erschreckend menschliche Gleichgültigkeit ein. Ist das die Botschaft, welche Dir am Herzen lag?

Mir scheint, dass wir heute über eine Menge Hilfsmittel verfügen, um die Gleichgültigkeit zu verbergen. In diesem Fall geht es darum, nicht in die Privatsphäre eindringen zu wollen, ebenso wie um die Aufteilung der sozialen Verantwortung. Die Charaktere sind im Urlaub, auf der Flucht vor sozialen Medien, personalisierter Werbespots und unerwünschter Ablenkungen. Unter dem Vorwand, eine Dame, die sich nicht bewegt, nicht stören zu wollen, wollen sie sich nicht wirklich in die Lage versetzen, dass ihr möglicher Tod ihren Urlaub stört.

Ich denke, dass Gleichgültigkeit oft aus Passivität und Egoismus heraus entsteht und nicht aus Bosheit, wie allgemein angenommen wird. Wenn wir eine Ausrede für etwas finden, das wir im Moment nicht tun wollen, und zum Beispiel ein langes Telefongespräch mit einer Tante vermeiden können, die wirklich gerne redet, dann leisten wir uns diesen kleinen Egoismus.

Wie hast Du die einzelnen unterschiedlichen Charaktere für Deinen Film entworfen – es wirkt wie ein Querschnitt durch die Bevölkerung.

Während ich das Drehbuch schrieb, habe ich versucht, jeden Stereotyp darzustellen, der mir bei der Auswahl der Figuren in den Sinn kam. Ich wollte einen kleinen Mikrokosmos schaffen, indem ich sie auf einer unbewohnten Insel isoliere, einem Querschnitt der Gesellschaft im Allgemeinen. Da es sich um eine Komödie handelt, werden ihre Fehler und Sorgen etwas verstärkt, so dass die Stereotypen möglicherweise sichtbarer wird.

Warum hat die Frau im Zentrum der Geschichte eine vermeintlich deutsche Identität bekommen – steckt ein Vorurteil dahinter?

Neben den Tschechen sind die Deutschen die stereotypischsten und häufigsten Touristen an der kroatischen Küste. Bei der Wahl des Charakters, um den sich alles dreht, gefiel mir die deutsche Dame am besten, denn eine gewisse Dosis Heuchelei zeigt sich am besten in diesem Verhältnis zwischen einheimischen und ausländischen Touristen. Aus unseren historischen Gründen ist das Deutsche sowohl in der Kultur als auch in der Sprache verwurzelt geblieben, so dass zum Beispiel eine Person, die zeigen will, dass sie gut gebildet ist, Latinismen oder Germanismen in ihre Rede einfügt, wie zwei herablassende Damen im Film. Dies ist ein typisches Verhalten für alte Damen aus Zagreb. Auf der anderen Seite sind dieselben Damen in ihren Kommentaren ziemlich rücksichtslos gegenüber „der deutschen Dame“, weil sie sie wie jeder andere Tourist stört.

Erzähl mir bitte mehr zu den Dreharbeiten: Wo und wie lange habt ihr gedreht? 

Da wir ein knappes Budget zur Verfügung hatten, dauerten die Dreharbeiten nur drei Tage, wobei ein Tag für die schauspielerische und technische Vorbereitung vor Ort vorgesehen war. Da sich viele Menschen vor und hinter der Kamera an dem Projekt beteiligten, kam es manchmal zu Überschneidungen der Zeitpläne. Aus diesem Grund haben wir in der Vorproduktion alles bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, denn es gab viele farbenfrohe Elemente wie Kinder, Tiere, Boote usw. Außerdem gab es unvorhergesehene Faktoren wie einen frühen Sonnenuntergang am Strand, Tonprobleme mit dem Kies, große Wellen, Touristen, die mitten in unseren Dreharbeiten am Strand schwimmen wollten, um nur einige zu nennen. 😊

Wie hast Du Deinen Cast zusammengestellt? 

Ich wählte die Besetzung sehr sorgfältig aus, weil es mir wichtig war, dass sie den Text so natürlich wie möglich und ohne unnötige Theatralik aufführen konnten. Gleichzeitig wollte ich, dass sie körperlich wie normale Menschen am Strand aussehen, ohne straffe Körper und unnatürliche Muskeln. Es waren SchauspielerInnen aus verschiedenen Theatern aus ganz Kroatien beteiligt, da ich gerne mit SchauspielerInnen arbeite, die der kroatischen Öffentlichkeit weniger ausgesetzt sind. Außerdem gab es zwei ungarische Schauspieler, die von unserem ungarischen Koproduzenten gecastet wurden, und ein paar Laienschauspieler, mit denen ich zuvor bei einigen anderen Projekten zusammengearbeitet habe.

Kannst Du mir zum Schluss noch mehr von Dir erzählen?

Kurz gesagt, ich bin Regisseurin und Drehbuchautorin, die 2015 ihren Abschluss in Filmregie an der Akademie für dramatische Kunst in Zagreb gemacht hat. Seitdem arbeite ich in der Regie für die verschiedenen Video-, Fernseh- und Radioformate und -sendungen im nationalen Fernsehen und Radio. Darüber hinaus führe ich Regie bei einigen meiner eigenen Projekte, meist für Fernsehen und Radio. „The Rudeness of a German Lady“ ist mein erster professioneller Kurzfilm.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ich plane derzeit, einen weiteren Kurzfilm zu drehen, und ich habe vor kurzem ein Drehbuch für einen Spielfilm fertiggestellt, eine Komödie über Sekretärinnen und Buchhalterinnen, die in der Nachsaison ein Seminar auf See besuchen. Außerdem entwickle ich mit einem Kollegen eine Dokumentarfilmreihe über die Winde an der Adria, und wir haben kürzlich vom Croatian Audiovisual Centre eine Finanzierung für die Drehbuchentwicklung erhalten. Daneben führe ich in der Dramaturgieabteilung des nationalen Rundfunks meist Regie bei verschiedenen Hörspielen und Dokumentarfilmen.

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „The Rudeness of a German Lady


Interview: In conversation with the Croatian director and screenwriter Silva Ćapin we could learn more about her short film “The Rudeness of a German Lady“, seen at the ‘Open Air’ of the 32nd Filmfest Dresden, how the idea was born and what was important to her in casting and character creation.

How did the idea for your short film “The Rudeness of a German Lady” come about? Are true events behind it?

The idea for the film came to me accidentally one day – what would have happened if a person sunbathing on the beach had simply not moved for a long time? While I was working on the script and later in the film, some people who were in contact with the project would tell me how they knew of such a case. While we were preparing to shoot the movie, I witnessed a situation where an ambulance came to help a tourist who fell ill on the beach. Quite coincidentally, it was a German tourist.

You wonderfully capture the frightening human indifference. Is this the message that was close to your heart?

It seems to me that today we have a lot of tools to cover up indifference. In this case, it is a matter of not wanting to invade privacy as well as the division of social responsibility. The characters are on vacation, on the run from social media, personalized commercials and unwanted distractions. Under the pretext of not wanting to disturb a lady who is not moving, they don’t really want to put themselves in a position to have her potential death interfere with their vacation.

I think insensitivity often comes from passivity and selfishness and not from malice, as it is commonly thought. If we can come up with an excuse for something we don’t want to do right now and avoid for instance a long phone conversation with an aunt who really likes to talk, we’ll afford yourself that little selfishness.

How did you create the different characters for your film? It looks like a cross-section of the population. 

While writing the script, I tried to represent every stereotype that came to my mind while choosing the characters. I wanted to create a small microcosm by isolating them to an uninhabited island, a cross-section of society in general. Since it is a comedy, their flaws and preoccupations are somewhat intensified, so it is possible that this stereotype is more visible.

Why did the woman in the center of the story get a supposedly German identity – are there stereotypes behind that?

Along with the Czechs, Germans are the most stereotypical and most frequent tourists on the Croatian coast. When choosing the character around which everything revolves, I liked German lady the best, because a certain dose of hypocrisy is best seen in that relation between domestic and foreign tourists. For our historical reasons, German has remained rooted in both culture and speech, so for example a person who wants to show that he or she is well educated inserts Latinisms or Germanisms into his or her speech, like two condescending ladies in a film. This is typical behavior for old ladies from Zagreb.  On the other hand, these same ladies are quite ruthless towards ‘ the German lady’ in their comments because she bothers them like every other tourist.

Please tell me more about the filming: Where and how long did you shoot?

Since we were on a tight budget, filming lasted only three days, with one day of acting and technical preparation on site. Since a lot of people participated in front of and behind the camera in the project, the schedules sometimes did not overlap. For this reason, we worked out everything in great detail in the pre-production because there were many colorful features such as children, animals, boats, etc. Also, there were unforeseen factors such as early sunset on the beach, sound problems with the gravel, big waves, tourists who wanted to swim on the beach in the middle of our filming…you name it 😊

How did you put together your cast? 

I chose the cast very carefully because it was important to me that they  could perform the lines in the most natural way possible, without unnecessary theatricality. At the same time I wanted them to look physically like ordinary people on the beach, without tight bodies and artificial muscles. Actors from various theaters throughout Croatia were involved, since I like working with actors who are less exposed to the Croatian public eye. Also, there were two Hungarian actors who were casted by our Hungarian co-producer and a couple of non-actors with whom I previously worked on some other projects.

Can you tell me more about yourself at the end?

In short, I am a director and screenwriter who graduated in film directing at the Academy of Dramatic Art in Zagreb in 2015.  Since then I have been working on directing the various video, TV and radio formats and shows on national television and radio. In addition, I am directing some of my own projects along the way, mostly for television and radio. “The Rudeness of a German Lady” is my first professional short film.

Are there already new projects planned?

I am currently planning to shoot another short film, and I recently completed a screenplay for a feature film, a comedy about secretaries and accountants going to a seminar at sea in the postseason. Also, I am developing a documentary series about Adriatic winds with a colleague and we recently secured funding from Croatian Audiovisual Centre for script development. Besides this, I mostly direct various radio plays and documentary forms in the drama department for national radio.

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm “The Rudeness of a German Lady

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