„Vicenta“ (2020)

Doreen Kaltenecker
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Dokumentation / Argentinien / 2020

Filmkritik: Der argentinische Filmemacher Darío Doria erzählt in seiner Dokumentation „Vicenta“ von wahren Ereignissen aus dem Jahr 2006, welche damals medial viel verfolgt wurden. Für seine Umsetzung entschied er sich gegen eine klassische Dokumentationsform und erzählt seine Geschichte mit Knetfiguren in selbst gebauten Sets und konnte damit auf dem 63. DOK Leipzig den FIPRESCI-Preis gewinnen.

Vicenta ist die alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Als die jüngere, körperlich behinderte durch einen Missbrauchsfall schwanger wird, ist klar, dass sie das Kind nicht behalten wollen. Doch die argentinischen Ärzte und Gerichte sehen es anders und so beginnt Vicenta um das Selbstbestimmungsrecht und die Abtreibung zu kämpfen.

Der Fall von Vicenta und ihrer Familie erregte im Jahr 2006 mediale Aufmerksamkeit. Mit seinem Film ergründet der argentinische Filmemacher Darío Doria (*1969), der damals bereits die Ereignisse verfolgt hatte, die ihn bis heute beschäftigen, wie sich Juristen und Ärzte gegen das Wohl des Kindes stellten. Dabei wirft er wichtige Fragen auf, über die weibliche Selbstbestimmung genauso wie über das mangelhafte Rechtssystem seines Landes. Er blick damit tief in die argentinische Seele und schafft es die ZuschauerInnen mit seiner ergreifenden und vor Ungerechtigkeit strotzenden Geschichte zu berühren. 

Dass dies auch so gut gelingt, liegt an den visuellen und erzählerischen Entscheidungen. Statt einfach klassische Dokumentarfilmmittel einzusetzen, wie Interviews oder Archivaufnahmen, arbeite Doria mit 120 Knetfiguren. Diese und auch die 34 Sets wurden wunderbar von der Künstlerin Mariana Ardanaz erschaffen. Sie fangen die melancholische Stimmung des Films wunderbar ein. Dazu trägt auch bei, dass der Regisseur sich dagegen entschieden hat, die Knetfiguren zu animieren. Unbewegt in die Szenerien gesetzt, ertragen sie stoisch ihr Schicksal. Dieser Stillstand spiegelt die Ausweglosigkeit genauso wieder, wie die Ohnmacht gegenüber den System. Gleichzeitig sind die Figuren ein visueller Ankerpunkt für die drei Frauenfiguren und deren Schicksal. Die Geschichte selbst wird durch einen Off-Kommentar erzählt. Eingesprochen von Liliana Herrero besitzt dieser eine poetische Qualität und schildert so zwar sachlich die Ereignisse, dringt aber auch in die Gefühlswelt von Vicenta vor. So schafft es der Regisseur Darío Doria mit seinem Dokumentarfilm in einem ungewöhnlichen Gewand eine wahre Geschichte zu bebildern und zu erzählen, der den FIPRESCI-Preis mehr als verdient hat und hoffentlich die Möglichkeit bekommt international in den Kinos ausgestrahlt zu werden.

Fazit: Der Dokumentarfilm „Vicenta“ erzählt von einer menschlichen Tragödie und vom falsch ausgelegten Rechtssystem, dessen Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit. Der Regisseur Darío Doria wählte für die wahre Geschichte, welche sich 2006 in Argentinien zugetragen hatte, eine gelungene, respektvolle Umsetzung mit unbewegten Knetfiguren. Dabei schafft er es mit seinen Off-Kommentar und den starken Bildern das Publikum auf das Unrecht aufmerksam zu machen und mit Vicentas Situation mitfühlen zu lassen. 

Bewertung: 7,5/10

Trailer zum Film „Vicenta“:

geschrieben von Doreen Matthei

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