„Licorice Pizza“ (2022)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der Regisseur Paul Thomas Anderson hatte schon immer ein Händchen für Geschichten über Außenseiter wie in „Magnolia“ (1999) und schafft es auch oft, das Zeitkolorit einer vergangenen Zeit wie in „Inherent Vice“ (2014) einzufangen. Diese beiden Fähigkeiten verknüpft er geschickt in seinem mittlerweile neunten Spielfilm „Licorice Pizza“ (OT: „Licorice Pizza“, USA, 2022).

Der 15-jährige Gary (Cooper Hoffman) ist hin und weg als er der zehn Jahre älteren Alana (Alana Haim) eines Tag in seiner Schule begegnet. Sofort lädt er sie auf ein Date ein, auf dem sie auch erscheint, sich aber entschieden dagegen wehrt, dass hier eine Liebesbeziehung entsteht. Stattdessen ziehen sie zusammen ein Wasserbetten-Geschäft auf, da Gary das richtige Gespür für Investitionen besitzt und Alana nichts anderes mit ihrem Leben anzufangen weiß. Immer wieder begegnen sie dabei in der Metropole Los Angeles Berühmtheiten, Politikern und anderen Persönlichkeiten, die sie von Zeit zu Zeit voneinander entfernen lassen oder dann doch wieder näher zusammenbringen. 

© 2021 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Cooper Hoffman und Alana Haim

„Licorice Pizza“ ist eine originelle Geschichte von einer seltsamen Verbindung eines 15-jährigen jungen Mannes, der vor Selbstvertrauen nur so strotzt, und einer jungen Frau, welche nicht weiß wohin mit ihrem Leben. Angesiedelt im Los Angeles der 70er-Jahre erzählt der Regisseur Paul Thomas Anderson (*1970), der auch das Drehbuch dafür schrieb, von dem ungleichen Paar. Aufgrund seiner Verbindung zu der Band ‚Haim‘ wollte er unbedingt einen Film mit Alana Haim machen und setzte sie ins Zentrum seiner Geschichtet. Aufgrund der außergewöhnlichen Charaktere, welche alle nicht uneingeschränkt sympathisch sind, sondern Ecken und Kanten besitzen, funktioniert das hervorragend. Zudem fängt er die Zeit des Umbruchs im Leben eines jungen Menschens ein, der sich selbst erst noch finden muss und dabei hin und wieder von einer Sache zur nächsten Sache schwanken. Aber auch die Zeit der großen Stars und der Glamour des alten Hollywoods gehören genauso zur zur Geschichte dazu wie auch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. In dem 133-minütigen Film stecken so viel mehr Themen, als es auf den ersten Blick scheint, und als man es von ihm und seinen besten Filmen gewöhnt ist.

© 2021 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Cooper Hoffman

Auch auf visueller Ebene ist man froh, dass er hier nach dem lahmen „Der seidene Faden“ (2017) wieder zu seiner alten Stärke gefunden hat. Das Zeitkolorit ist dabei nicht nur reine Kulisse, sondern die Personen selbst leben diese Zeit. Alles atmet diese Epoche, in der so viel passierte, was die Generationen nachhaltig beeinflusste. Wie es sich anfühlt in dieser Zeit aufzuwachsen und nach seiner Bestimmung zu suchen, macht der Film, untermalt mit der perfekten Songauswahl und dem Score von Johnny Greenwood (Radiohead), deutlich. In dieser Welt bewegen sich alle Figuren uneingeschränkt authentisch. Besonders fallen die exaltierten Nebenrollen u.a. gespielt von Sean Penn („Milk“ (2008)), Tom Waits („The Dead Don’t Die“ (2019)) und Bradley Cooper („A Star is Born“ (2018), „Nightmare Alley“ (2021)) auf. Doch auch die Hauptrollen besetzt mit Cooper Hoffman, dem Sohn des verstorbenen Philip Seymour Hoffman („Jack in Love“ (2010)) und die Sängerin Alana Haim, die hier ihr Filmdebüt gibt, sind perfekt ausgewählt. Denn auf welche Seite man sich auch schlägt, hat man hier keine einfachen oder eindimensionalen Figuren, sondern Menschen, die kompliziert und manchmal nervig sind. Dadurch sind zwar hier und da die Verhaltensmuster etwas unsympathisch sind, aber nie unecht. So ist „Licorice Pizza“ zu Recht ein Oscar-Kandidat, auch wenn er aufgrund seiner Vielschichtigkeit vermutlich leer ausgehen wird. Aber das schmälert das Seherlebnis in keiner Weise.

© 2021 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Sean Penn und Alana Haim

Fazit: „Licorice Pizza“ ist der mittlerweile neunte Spielfilm des amerikanischen Regisseurs Paul Thomas Anderson. Er fängt hier eine vergangene Zeit ein, erzählt darin die Coming-of-Age-Geschichte zweier störrischer Charaktere und belebt eine Epoche mit all ihren gesellschaftlichen, politischen und persönlichen Umbrüchen. All das verpackt er in eine wunderschöne Inszenierung mit vielen tollen Bildern und einem großartigen Cast.

Bewertung: 8/10

Kinostart: 27. Januar 2022 / DVD-Start: 30. Juni 2022

Trailer zum Film „Licorice Pizza“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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