Acht Fragen an Romina Küper

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit der deutschen Regisseurin Romina Küper („Fragmente einer jungen Frau“) konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „Das ist keine Figur, das ist Verrat“ erfahren, der u.a. im Programm des 24. Landshuter Kurzfilmfestivals 2024 lief, wie die Geschichte auch mit ihrer eigenen Herkunft zusammenhängt, welchen visuellen Ansatz sie verfogte und wie schwierig es war, die perfekte Darstellerin für die Mutter zu finden, wohingegen sie Sebastian Urzendowsky bereits beim Drehbuchschreiben im Kopf hatte.

Wie ist die Idee zu deinem Kurzfilm entstanden?

Sabine Urig

2020 habe ich das Buch „Rückkehr nach Reims“ von Didier Eribon gelesen, wo ich mich sehr stark wiedererkennen konnte. Zum ersten Mal las ich, was es bedeutet aus einer Arbeiter:innenfamilie zu stammen und zu studieren und sich aus seinem Herkunftsmilieu heraus zu bewegen. Ab da hab ich mich damit eindringlich beschäftigt und ganz viel gelesen über Klasse, Habitus*, autobiographische Romane zu dem Thema. So kam ich dann zu genau der Geschichte und hab sie gemeinsam mit Katharina Mumper, Isabella Müller de Paula und Maxine Paatzsch als Produzentinnen gedreht.

Deine Figuren sind sehr lebensnah. Was war dir bei der Entwicklung der Figuren wichtig? Warum war es dir auch wichtig Humor einzusetzen?

Meine Figuren sind immer angelehnt an die Wirklichkeit. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, da gehört Humor zum Lokalkolorit. Ich persönlich kann auch nicht so viel mit Figuren anfangen, die nur ”ernst” sind, weil Menschen einfach nicht so sind. Humor ist überlebenswichtig. Gerade, wenn man es nicht so einfach hat.

Außerdem habe ich viel mit meiner Mutter über das Drehbuch gesprochen und auch manches mit ihr gespielt. Stefan sagt zu Melanie an der Tankstelle, dass er nicht wusste, wie er sich seinem Vater sprachlich annähern sollte. Die Antwort von Melanie: „Is’ der Ausländer, spricht der Polnisch Platt mit Zungeschlach’…“ hat meine Mama z.B. an Weihnachten 2022 improvisiert.

In welchem Rahmen ist dein Kurzfilm entstanden?

Der Film entstand im Rahmen meines Studiums an der Filmakademie Baden-Württemberg GmbH, wo ich Szenische Regie studiere.

Was lag dir visuell am Herzen?

Sebastian Urzendowsky

Die Idee war, die unterschiedlichen Milieus, in denen sich Stefan Borgert (Sebastian Urzendowsky) bewegt, zu vereinen. Unsere Kamera ist immer statisch, wenn sie sich bewegt, dann schwenkt sie. Es sollte ein distanzierter, intellektueller Blick sein, der gleichzeitig die Magie und Poesie der eigenen Herkunft zeigt. Nostalgisch, aber distanziert. Beispielsweise sieht man die Mutter lange nicht richtig von vorne. Erst am Ende bewegt sich die Kamera. Es geht viel um Distanz. Auch sind die Figuren permanent in Bewegung, sie laufen, fahren Auto, tanzen, gehen Treppen rauf. Dabei suchen sie sich selbst und einander.

Referenzen waren da für Philipp Schaeffer und mich beispielsweise Angela Schanelec’s Debütfilm „Beim Glück meiner Schwester“. Auch „Gespenster“ von Christian Petzold oder Wim Wenders „Alice in den Städten“ waren ein Thema. Das wird dann aber durch den poppigen Look und das Bildformat (Cinemascope) gebrochen, was ja viel mehr an Abenteuerfilm, American Dream etc. erinnert. Womit man dann wieder bei Xavier Dolan’s „Mommy“ oder Dolly Parton’s Musikvideos sind. Das wunderschöne Kostüm von Melanie, das Eleonore Carrière für die erste Szene entworfen hat, ist eine große Hommage an Dolly Parton, mal so nebenbei.

Dein Cast ist großartig. Wie hast du deine Besetzung zusammengestellt? Was war dir dabei wichtig?

Sebastian Urzendowsky und Sabine Urig

Die Idee, Sebastian Urzendowsky in der Rolle eines jungen Autoren zu sehen, der sich sowohl für seine Herkunft als auch für sein neues Selbst schämt, hat mich sofort begeistert und ich habe ihn schon 2021 gefragt, ob er sich das vorstellen kann. Ich habe ihn sehr früh involviert. Die Rolle ist für ihn geschrieben und er ist einfach einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler. Silvan Marty (Editor vom Film) und ich haben uns so oft angeschaut, wie er den Frosch auf der Rückbank isst. In diesen kurzen Blicken liegt eine ganze Welt.

Mit Michou Friesz, die die Verlegerin Ulla spielt, habe ich „Totenfrau“ gedreht und mich sofort in sie verliebt. Sie ist ganz anders als die Figur: ein richtiges Herz. Und das fand ich sehr wichtig, dass alle Spieler:innen eine gewisse Herzlichkeit und Offenheit mitbringen und sich aufeinander einlassen können. Adriane Gradziel zum Beispiel auch. Sie kennt sich in diesem Milieu einfach aus, weil sie sehr lange in Paris gelebt hat. Serdar Gençol (der Barkeeper) studiert eigentlich Drehbuch an meiner Uni, aber er ist einfach soo lustig und hat so ein schauspielerisches Talent, dass ich richtig Bock hatte mit ihm zu arbeiten.

Und dann Sabine Urig…das war am Schwierigsten. Ich habe so lange nach der passenden Mutter für Sebastian gesucht. Es ist so schwer, weil die meisten Schauspieler:innen einfach sehr bürgerlich sind, diesen derben Humor nicht glaubhaft vermitteln können und oft auch nicht aussehen wie Menschen, die wirklich ackern. Zeitweise dachte ich, dass meine Mama das spielen muss. Sie ist ja auch Frisörin. Und dann habe ich Sabine Urig in einem Kurzfilm gesehen. Sie hatte drei Sätze und ich war so: OMG, wie sie läuft und spricht, Hammer!! Dann habe ich sie mir im Theater angesehen: Bombenhumor!! Sie hat eine eigene Cabaret-Show – „Alte Mädchen“ – , sehr zu empfehlen. Wie du merkst. Ich bin ein großer Fan!! Von allen.

Kannst du mir erzählen, wie du zur Regie gekommen bist, neben deiner Arbeit als Schauspielerin?

Ehrlicherweise war es Corona, der erste Lockdown. Mir ist die Hauptrolle in einem Debütfilm weggebrochen. Der Film wurde nicht realisiert. Und dann habe ich einfach Lust bekommen, wieder selbst etwas zu machen. Ich habe dann in meine alten Aufzeichnungen von meinem Philosophiestudium geschaut und das Buch „Die Theorie eines Jungen-Mädchens“ von Tiqqun [Anm. d. Red.  französisches Autorenkollektiv] wiederentdeckt, womit dann das Drehbuch zu meinem ersten Kurzfilm „Fragmente einer jungen Frau“ entstand. Und dann haben wir den Film einfach in einer kleinen Freundesgruppe gedreht und mir hat es sehr viel Spaß gemacht!

Wie hilfreich war deine eigene Schauspielerfahrung bei diesem Film?

Generell ist es, glaube ich, sehr hilfreich, zu wissen, wie Schauspiel funktioniert, wenn man Regie führt. Oft ist das für die Regie sehr abstrakt, was wir da betreiben. Ich kann dadurch ganz gut einschätzen, wie ich mit den Spieler:innen sprechen muss, um zu meinem Ergebnis zu kommen.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Na klar! Ich entwickle eine Serie zusammen mit Nico Stank „Haarbrakadabra“ für die Constantin Film, die auch im Frisörsalon spielt, meinem Lieblingsort! Und ich schreibe gerade an meinem ersten Langfilm.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Das ist keine Figur, das ist Verrat

*Habitus bezeichnet das Auftreten oder die Umgangsformen einer Person, die Gesamtheit ihrer Vorlieben und Gewohnheiten oder die Art ihres Sozialverhaltens.

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