Sieben Fragen an Margaux Dauby

Doreen Kaltenecker
Letzte Artikel von Doreen Kaltenecker (Alle anzeigen)
Thibault Solinhac

Interview: Im Gespräch mit der belgischen Regisseurin Margaux Dauby konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „Extended Presences“ (OT: „Cinzas e nuvens“) erfahren, der auf dem 66. DOK Leipzig 2023 seine Deutsche Premiere feierte, wie sie zu den Feuerwachturmfrauen fand und wie sie auf visueller Ebene vor allem mit der Gegensätzlichkeit von Innen und Außen arbeitete.

The original english language interview is also available.

Wie ist die Idee zu dem Film entstanden?

Ich machte eine Radtour allein in Portugal und wurde in einem Restaurant von drei Männern belästigt. Ich bin geflüchtet, bevor sie mit dem Essen fertig waren, und bin so schnell wie ich konnte in irgendeine Richtung geradelt, bis ich vor einem Feuerwachturm landete. Ich klopfte an die Tür und erklärte der Dame, die dort arbeitete, meine Situation, und sie ließ mich hinein. Wir verbrachten den ganzen Nachmittag zusammen und ich war tief beeindruckt von den Besonderheiten ihres Berufs, seiner kinematografischen Kraft und der inneren Ruhe, was er von den Menschen verlangt, die ihn ausüben. Ich befand mich in einer Phase, in der ich diese innere Ruhe lernen musste, und ich dachte, ich könnte etwas von den Feuerwächtern lernen. Und da meine erste Begegnung mit einer Frau stattfand, dachte ich, ich könnte mein Thema für Frauen aufbereiten. Außerdem zog ich es vor, einige Zeit allein in der Mitte der Berge mit Frauen statt mit Männern zu verbringen.

Wie schwer oder leicht war es, Zugang zu den Feuerwachtürmen zu bekommen und wie haben die Frauen auf Dein Filmprojekt reagiert?

Das war sehr kompliziert und langwierig, weil die Feuerwachtürme auf die nationale Gendarmerie angewiesen sind, die mir zunächst keine Genehmigung zum Filmen in den Türmen erteilten. Aber ich bin wohl manchmal ein bisschen stur… Die meisten Frauen, die ich getroffen habe, waren froh, Gesellschaft zu haben, und wir haben uns ziemlich gut verstanden. Die meisten von ihnen waren einverstanden, an dem Film mitzuwirken, aber nicht alle. Das habe ich respektiert.

Wie lange und wie oft hast Du gedreht? Wie groß war Dein Team oder warst Du allein?

Die Gendarmerie gab uns zwei Wochen Zeit für die Dreharbeiten. Zuerst war ich mit einer Kameraperson unterwegs, aber dann merkte ich, dass ich lieber allein mit den Frauen war. Also ging ich in der zweiten Woche allein zurück.

Mit welchen Mitteln oder Unterstützung konntest Du Deinen Film realisieren?

Ich habe kein Geld für das Projekt bekommen, also musste ich mich auf meine eigenen Ersparnisse und die Unterstützung vieler Menschen verlassen: Meine früheren – und sehr freundlichen – Angestellten (Marie-Hélène und Olivier Guyaux) haben mir ihr altes Auto zu einem sehr, sehr guten Preis verkauft; José Tiago von Planar hat mir Material geliehen; die Familie meines Partners hat mich in ihrem Haus in der Nähe der Serra de Estrela übernachten lassen; neben vielen anderen… Und ich wurde während der gesamten Herstellung des Films von der Filmemacherin und Produzentin Roxanne Gaucherand (Kokoro films) begleitet, die mir mit viel Freundlichkeit und Geduld zur Seite stand.

Deine Kameraarbeit passt sich der Tätigkeit an – so wie sie die Umgebung beobachten, beobachten wir sie. Kannst Du mir noch mehr zur visuellen Ausgestaltung Deines Films erzählen?

Ich hatte einige Ideen/Konzepte im Kopf, die ich mit, für und in diesem Film erforschen wollte, wie z.B. die Vorstellung von Innen/Außen – einem Ort, dem eigenen Kopf oder dem Anschauen und Angeschaut-Werden, und ich habe versucht, (a) mit der Exiguität des Turms und der Weite der Landschaft zu spielen, (b) mit den verschiedenen Glasschichten, die der Turm bietet, (c) mit verschiedenen Objektiven, Tageszeiten und dem Rhythmus der Montage, um zu versuchen, meine Fragen zu diesen Begriffen zu artikulieren.

Kannst Du mir noch ein bisschen mehr zu Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?

Margaux Dauby auf dem DOK Leipzig 2023

Margaux Dauby auf dem DOK Leipzig 2023

Ich habe zunächst Politikwissenschaft und ein bisschen Wirtschaft und ein bisschen Philosophie studiert. Erst danach bin ich auf eine Filmschule gegangen. Mein Verhältnis zum Kino war mir nicht immer ganz klar, aber ich glaube, es hat erst richtig Sinn gemacht, als ich das Festival Courtisane [Anm. d. Red. Festival in Ghent] entdeckt habe. Seitdem versuche ich, Dokumentarfilme zu machen, die formal anspruchsvoll sind. Ich habe auch mehrere Jahre für das Internationale Seminar für Dokumentarfilm, Doc’s Kingdom, in Portugal gearbeitet, das wie eine Erweiterung meines Interessengebiets war. Jetzt arbeite ich an vielen anderen Dingen, um meine Rechnungen zu bezahlen, und versuche, mich beim Filmemachen nicht zu ernst zu nehmen.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Hehe, ja. Ich arbeite neben anderen Projekten an einem kurzen (?) Dokumentarfilm, bei dem ich gemeinsam mit meinem lieben Freund, dem Filmemacher Raul Domingues, Regie führe.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Extended Presences


Interview: In our conversation with Belgian director Margaux Dauby, we were able to find out more about her short film „Extended Presences“ (OT: „Cinzas e nuvens“), which celebrated its German premiere at the 66th DOK Leipzig 2023, how she found her way to the fire tower women and how she worked on a visual level, especially with the contrast between inside and outside.

How did the idea for the movie come about?

I did a bike trip on my own in Portugal and got annoyed at a restaurant by three men. I fled before they finished their meal and biked away as fast as I could, in any direction, and I ended up in front of a fire watch tower. I knocked on the door and explained my situation to the lady who was working there, and she let me in. We spent the whole afternoon together and I got deeply impressed by the particularities of this profession, the cinematographic strength of it, and the inner peace it requires from the people exercising it. I was in a period when I had to learn this inner peace, and I thought I could learn a bit from the fire watchers. And since my first encounter was with a lady, I thought I could outline my topic to women. I also preferred to spend some time alone in the middle of the mountain with women rather than men.

How difficult or easy was it to gain access to the fire watch towers and how did the women react to your film project?

Very complicated and long because the fire watch towers depend on the national gendarmerie—which initially didn’t grant me the permission to film in the towers. But I guess I am sometimes a bit stubborn… Most of the women I met were glad to have company and we got along pretty easily. Most of them agreed to participate in the film, but not all of them. Which I respected.

How long and how often did you film? How big was your team or were you alone?

The gendarmerie gave us two weeks to shoot. I first went with a camera person, but I then realized that I preferred to spend time alone with the lady. So I went back, alone, for the second week.

With what means or support were you able to realize your film?

I didn’t get any money for the project, so I had to rely on my own savings, and practical helps from many people: my previous – and very kind –  employees (Marie-Hélène and Olivier Guyaux) sold me their old car for a very, very good price ; José Tiago from Planar lent me some material ; the family of my partner let me sleep in their house near the Serra de Estrela ; amongst many other… And I have been accompanied during the whole fabrication of the film by filmmaker and producer Roxanne Gaucherand (Kokoro films), who has guided and helped me with a lot of kindness and patience.

Your camera work adapts to the activity – as they observe the environment we observe them. Can you tell me more about the visual approach of your movie?

I had a few ideas/concepts in mind I wanted to explore with, for and in this film, such as the notion of inside/outside—a place, one’s head, or looking at and being looked at, and I tried to play (a) with the exiguity of the tower and the vastness of the landscape, (b) the several layers of glass the tower offers, (c) different lenses, times of the day and rhythm of the montage, to try to articulate my questioning about these notions. 

Can you tell me a bit more about yourself and how you came to film?

I first studied Political Science and a bit of Economy and a bit of Philosophy. Only after that, I went to a film school. My relationship to cinema has not always been very clear to me, but I think something really started to make sense when I first discovered the festival Courtisane. Since then, I have tried to make documentaries that are formally challenging. I have also worked several years for the International Seminar of Documentary Film, Doc’s Kingdom, in Portugal, which has been like an extension of my field of interest. Now, I work on many other things to pay my bills, and try not to take myself too seriously when making cinema. 

Are there any new projects planned?

Hehe, yes. I’m working, amongst other projects, on a short (?) documentary, co-directing with my dear friend filmmaker Raul Domingues.

Questions asked by Doreen Kaltenecker

Read on the german review of the short film „Extended Presences

Kommentar verfassen