Neun Fragen an Linus von Stumberg

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit dem Regisseur, Tänzer und Schauspieler Linus von Stumberg konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Syncope“ erfahren, der auf dem 45. Filmfestival Max Ophüls Preis 2024 den Publikumspreis Kurzfilm gewann, der dahinter stehenden Idee und über die Umsetzung. Außerdem erzählt er, welche Einfluss seiner eigenen Erfahrungen mit in die Geschichte rein spielten, wie die Choreographie entwickelt wurde und wie sich die Geschichte zu einem Langfilm ausbauen ließe.

Wie kam Dir die Geschichte in den Sinn? 

Lea Korner

Das Drehbuch habe ich von der Idee ausgehend, dass TänzerInnen gegen ein Gift tanzen, rückwärts geschrieben. Daraus entstanden die Figuren und tiefer greifende Themen wie Machtmissbrauch und Grenzüberschreitung in der Kunst. So auch die Dialoge und die Einführung über eine Audition, die in ihrem Konzept speziell sein und die Figuren einführen sollte. Weiter ging es dann um den Konflikt zwischen der physischen Misshandlung und dem Erfolg des Stückes. Mit der Frage, wie das Vergehen verhandelt werden soll, kam die Idee, ein Gerichtsverfahren durch den Film zu weben, das einerseits stetig Spannung aufbauen soll, aber sich am Schluss als ein Interview entpuppt. Das soll nicht nur ein harter Schlag für die Zuschauenden sein, sondern diese auch mit einem schlechten Gefühl aus dem Film entlassen, das weitergehend zum Denken anregen soll. 

Gerade die Audition-Szene erscheint mir sehr realitätsnah. Wie viele authentische Schilderungen stecken in der Geschichte?

Das Grundkonzept einer Audition ist im Film relativ realitätsnah. Natürlich gibt es diverse verschiedene Methoden für das Auswahlverfahren, die auch häufig nicht so kaltherzig ablaufen. Dennoch wollte ich zeigen, wie TänzerInnen zu Nummern degradiert und schnell aussortiert werden. Auch, dass nicht gesagt wird, warum jemand gehen muss, ist dabei sehr gemein, da sich die Verbleibenden in den nächsten Runden auf nichts einstellen können, was der Choreograph denn suchen könnte. Die wichtigste Runde im Film ist dann die letzte, in der genau die Aufgabe beschrieben wird. Das Konzept die Atmung über Schnipsen zu kontrollieren ist fiktiv und für die Szene erfunden – wobei auch gesagt werden muss, dass wir die Choreographie so erstellt haben, dass bei den Stellen, an denen die Luft angehalten werden muss, die TänzerInnen heimlich durch die Nase atmen konnten – dennoch haben fast alle von ihnen selbständig wirklich die Luft angehalten, um ihrem Ausdruck, sowohl körperlich wie auch im Gesicht mehr Kraft zu verleihen. 

Die Choreographie ist sehr stark – kannst Du mir mehr zu deren Entstehung erzählen?

Im Drehbuch habe ich die Choreographie so gut es geht beschrieben und alle dramaturgischen Punkte ausgeführt. Meine Partnerin Sarafina Beck, welche auch Lucy (rote Haare) im Film verkörpert, hat dann die geschriebenen Choreographien in Bewegung übersetzt. Hierzu haben wir gemeinsam einen Temptrack gewählt, der dann später im Beat ein zu eins nachkomponiert wurde. Ich habe dann die Choreographie als erster gelernt und mit Sarafina angepasst. Die Audition-Choreographie haben wir gemeinsam den TänzerInnen beigebracht. Bei den Tanzproben mit dem Hauptcast habe ich die fünf bereits für die Bühne und Kamera positioniert. Beim Entwickeln der Ausführung unter Wirkung des Giftes, haben wir darauf geachtet, wie stark das Gift in welchem Teil ist. Je heftiger man sich bewegt, umso mehr wird es abgebaut und je weniger man tanzt, desto stärker werden die Krämpfe. Rein dramaturgisch kamen die Schockhalsbänder ins Drehbuch hinzu, um zu verhindern, dass die Figuren schreien oder einfach nur ihren Körper schütteln um das Gift abzubauen, ohne der Choreographie zu folgen. Hierdurch entstand wiederum weiteres Bewegungsmaterial für die Stellen an denen die TänzerInnen geschockt werden. 

Wie hast Du Deine Tänzer:innen gefunden – und wie sind die schauspielerischen Aspekte angegangen?

Alle TänzerInnen sind gute Bekannte von mir. Somit konnte ich sie leicht erreichen. Die meisten schauspielerischen Aspekte habe ich mit allen in den Tanzproben geübt und ausprobiert. Mit Lea, der Hauptdarstellerin, habe ich zusätzlich zu den Tanzproben einige Schauspielproben gehabt. Durch ihre Erfahrung als Darstellende und die Nähe zum Thema, wurden alle TänzerInnen zwar auf eine neue Weise gefordert, haben diese Aufgabe aber mit toller Hingabe und Expertise über die Bühne gebracht. 

Was lag Dir visuell weiterhin am Herzen?

Lea Korner

Für jede Tanzszene sollte eine andere visuelle Sprachen herrschen, da jeder Tanz im Film anders motiviert ist. Es gibt immer einen Grund, warum die TänzerInnen tanzen wie sie tanzen. So sollte die Audition-Szene sehr körperlich, aber stilisiert über statische Kamera und kontrollierten Kamerafahrten funktionieren. Dies sollte auch den Schwebezustand, wenn die Luft angehalten wird unterstreichen. Die Proben-Sequenz hingegen sollte sich dokumentarisch wie eine echte Tanzprobe anfühlen – hierzu deshalb ausschließlich suchende Handkamera. Das finale Tanzstück sollte als pompöser Abschluss, durch Zeitlupen und komponierten Bildern ein Spektakel bieten. Hierzu war DOP Gaétan Nicolas und mir wichtig, zwischen dem Kampf der TänzerInnen auf der Bühne und dem Erlebnis eines Zuschauers hin- und herzuspringen. So entstanden wilde Kameratänze, die sich wie eine Kampfszene anfühlen sollte. 

Wie war es, selbst mitzuspielen und die Regie zu übernehmen?

Es war eine Herausforderung, gerade weil ich selber noch nicht so viel Schauspielerfahrung habe. Dennoch gab es mir eine weiteren Zugang zu der Welt des Filmes und hat mir großen Spaß gemacht. Da wir nur fünf Tage hatten, den gesamten Film zu drehen, konnte ich meine eigenen Takes aus Zeitmangel nie anschauen und alles musste sehr glatt durchgeplant verlaufen. Hierdurch entstand eine wunderschöne Vertrauensbasis zwischen der Crew, dem Cats und mir. 

Ich habe gehört, Du hast vor, es zu einem Langfilm zu erweitern. Magst Du dazu etwas mehr erzählen?

Linus von Stumberg

Die Idee für den Langfilm kam tatsächlich dadurch, dass ich mich in der Vorbereitung so intensiv mit der Figur des Choreographen auseinandersetzen musste. In dem Langfilm ist der junge, aufstrebende Choreograph der Protagonist, der mit neuen innovativen Tanzstücken von einer Kunstgalerie entdeckt und gefördert wird. Durch seinen Wahn nach echten Emotionen und traumatischen Erlebnissen mit seiner Mutter, die seine Inspirationsquellen für sein Durchbruchstück sind, geht er einige Schritte zu weit. Wir bewegen uns mit ihm durch die Welt der Kunstinvestition, mit spektakulären Tanzszenen, die neues Licht auf die Kunst des Choreographierens werfen. Die Ereignisse des Kurzfilms sind im Langfilm breiter und zeitlich weiter auseinander verteilt. Ob ich den Choreographen im Langspielfilm wieder verkörpere ist noch unklar. Die Figur ist zum Kurzfilm komplexer und muss anfänglich Sympathieträger sein und ab einem gewissen Punkt für den Zuschauer sehr abstoßend und antagonistisch funktionieren. 

Kannst Du mir am Schluss noch erzählen, wie Du selbst vom Tanzen zum Regiestudium gekommen bist?

Vor meinem Filmstudium habe ich mit meinen Choreografien kleine Tanzvideos inszeniert. Diese wurden immer cineastischer und wollten mehr und mehr kleine Geschichten erzählen. Durch meine tänzerische Arbeit in Los Angeles und London suchte ich zuerst dort nach Filmschulen, musste aber feststellen, dass diese für mich unbezahlbar waren. So stieß ich auf die ZHdK in Zürich, wo ich auch zu dem Zeitpunkt auch wohnte und bewarb mich für die Aufnahmeprüfungen. 

Sind neben der Langfilmentwicklung noch andere Stoffe geplant?

Neben dem Langspielfilm mache ich einen Kurzfilm mit Samansa, einem Streamingdienst für Kurzfilme aus Japan. Dieser wird eine Horrorkomödie, in der ein Medium das Geld eines vermeintlich verstorbenen Ehemanns aufspüren soll.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Syncope

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