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Interview: Im Gespräch mit den beiden schweizer Filmemachern David Oesch und Remo Rickenbacher konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „Tote Tiere“, gesehen auf den 30. Bamberger Kurzfilmtagen und nun auf Vimeo verfügbar, erfahren: Wie sie ihre Geschichte und Location fanden und worauf sie ihr Augenmerk gelegt haben.
Aus welchem Impuls heraus entstand eure Geschichte? Habt ihr selbst ein Haustier verloren?
David: Bei mir wurden die Hasen vom Marder geholt! Da war ich noch klein, aber man verliert ein Familienmitglied. Natürlich bekamen wir in unserem Umfeld mit, wie dramatisch der Tod eines Haustiers sein kann, und in der Schweiz mit den zahlreichen Reglementen darf man die geliebte Katze auch nicht einfach im eigenen Garten vergraben.
Remo: Dafür werden auf Tierfriedhöfen dann regelrechte Schreine errichtet mit den Fotos der geliebten Haustiere, den jeweiligen Lieblingsspielzeugen und einem längerem Epitaph. Zudem gibt es im Internet immer mehr Angebote, gestorbene Tiere in bestimmte Posen für die Ewigkeit präparieren zu lassen oder Alltagsgegenstände aus ihrem Fell herzustellen. Eine Frage, die uns dabei stets begleitet hat, war: Wie weit darf Tierliebe gehen?
Die Anfangsszene ist für Tierfreunde ziemlich hart – und zudem ist sie auch echt, richtig?
Remo: Ja, da hast du recht. Wir haben vor Ort in der Tierkörpersammelstelle Thun gedreht. Immer wieder kamen Landwirte vorbei und haben ihre toten Nutztiere zur Entsorgung vorbeigebracht. Wir wollten die Diskrepanz zeigen, wie wir mit toten Nutztieren und wie wir mit toten Haustieren umgehen, und haben den Anfang dokumentarisch gelassen, sodass er bewusst im Kontrast zum märchenhaften Rest des Films steht.
Ich mag eure atmosphärisch-dichte Inszenierung. Was war euch dabei vor allem wichtig?
David: Wir sind Fans des magischen Realismus. Einerseits hat Film dieses Dokumentarische, andererseits ist alles eine einzige Illusion. Uns war wichtig, ein modernes Märchen zu erzählen und gleichzeitig ein aktuelles, gesellschaftliches Thema aufzugreifen.
Wo habt ihr dieses perfekte Gebäude für euren Film gefunden?
Remo: Ich habe zehn Monate lang ein Atelier in besagtem Gebäude, dem Schloss Schadau in Thun gehabt, das direkt am Thunersee liegt. Das war natürlich sehr inspirierend und gab u. a. den Ausschlag für „Tote Tiere“. Denn das Schloss wurde danach renoviert und David und ich wussten: Mir müssen diese alten Räume unbedingt auf Film bannen.
Eure Darsteller leben die Rollen wunderbar – habt ihr Sie übers normale Casting gefunden?
Remo: Wir haben schon beim Schreiben des Drehbuchs Nolundi Tschudi und Matto Kämpf als Hauptdarsteller im Kopf gehabt. Matto Kämpf, der ebenfalls Schriftsteller ist und aus Thun stammt, kenne ich schon seit Jahren. Sein unaufgeregtes und verschrobenes Spiel passt perfekt zur Figur des überforderten Einzelgängers in unserem Film.
Wie habt ihr euch in die Regie-Arbeit reingeteilt – gab es feste Aufgabengebiete?
David: Alles wurde nach gutem Schweizer Konsens oft diskutiert und kritisch hinterfragt, damit man sich nicht zu schnell zufrieden gibt. Bei der finalen Drehbuchversion war Remo federführend und sorgte für den letzten Schliff, am Set gab ich den Ton an und am Ende im Schnittraum wurde wieder lange zusammen experimentiert.
Könnt ihr mir zum Schluss noch ein bisschen von euch erzählen. Werdet ihr weiterhin zusammen Filme drehen?
Remo: David und ich sind schon lange befreundet. Wir kommen ja auch beide aus der Kleinstadt Thun, rund 20 Minuten mit dem Auto von Bern entfernt. Wir sind beide künstlerisch aktiv, aber in ganz unterschiedlichen Sparten: David ist Filmemacher und Fotograf, ich bin Slam-Poet und Schriftsteller. 2016 haben wir dann unsere kreativen Kräfte zum ersten Mal gebündelt: Unsere Hassliebe zu Thun mündete in einem Video, bei dem ich im Voice-Over einen Text performe, während David verschiedene Thuner Stadtoriginale mit der Kamera kurz porträtiert. Unser Spass am Projekt und der Erfolg des Videos auf Youtube führte dazu, dass wir uns entschieden, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen, diesmal aber ein fiktionales: „Tote Tiere“.
Sind schon neue Projekte geplant?
Die Fragen stellte Doreen Matthei
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Tote Tiere“