30. Bamberger Kurzfilmtage 2020

Doreen Kaltenecker
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27. Januar – 2. Februar 2020 / Lichtspielkino, Odeon Kino, Haas Säle, Stadtbücherei, KUFA, Kurzfilmcafé, Kurzfilmklub in den Haas Sälen

Festivalbericht: Seit 1990 gibt es in dem oberfränkischen Ort Bamberg ein Kurzfilmfestival, das immer im Winter die Kinosäle füllt und oft ausverkauft ist. Auch in diesem Jahr fanden die Bamberger Kurzfilmtage vom 27. Januar bis zum 2. Februar 2020 statt und begeisterten mit ihrer bewährten Mischung von Wettbewerben und Sonderreihen. Zum 30. Jubiläum wurden zudem passende Programme ins Leben gerufen und das Festival wurde an jedem Abend mit weiteren Veranstaltungen würdig gefeiert.

Auch in diesem Jahr wurden sieben Bamberger Reiter aus Schokolade verliehen. Im Wettbewerb traten 37 Kurzfilme aus dem Bereichen Spielfilm, Animation und Experimentalfilm gegeneinander an. Den Preis für den ‚Besten Spielfilm‘ gewann der realitätsnahe „Der Proband“ von Hannes Schilling. Auch in diesem Jahr waren viele sehr gute Kurzfilme in diesem Sektor vertreten u.a. das Genrewerk „F for Freaks“ und das berührende Drama „Die letzten Kinder im Paradies“. Von bekannten RegisseurInnen konnte man ihre neuesten Filme entdecken u.a. waren Sophie Linnenbaum („Das Mensch“), Gaston Stabiszewky („The Fairy“) und Bernhard Wenger („Guy Propose to his Girlfriend“) vertreten. In einem gut zusammengestellten Programm konnte man sehen, dass sich auch deutschsprachige Filmemacher trauen, zu experimentieren oder die eigene Vergangenheit zu verarbeiten. So sah man neben der schwarzen Komödie „Tote Tiere“ von David Oesch und Remo Rickenbacher auch den starken Kurzfilm „Drübenland“ von Arne Kohlweyer, der davon erzählt, wie sich der Mauerfall als Kind in der DDR angefühlt hat. Auch der Publikumspreis ging an einen Kurzfilm, der eine politische Debatte ins Zentrum stellt. In „Alternativen“ treffen drei Generationen in Form Oma, Mutter und Tochter aufeinander und sind mit der AFD-Mitgliedschaft der Jüngsten konfrontiert.

Lichtspielkino Bamberg

Doch auch der Experimental- und vor allem Animationsfilmsektor waren stark vertreten. Unter den Experimentalfilm fiel der wunderbare „Noi“ auf, der sich auf amüsante Weise mit Vergangenheit, Andenken und Familie auseinandersetzt. Unter den Animationsfilmen stachen u.a. die Filme „Der Tod des Filmemachers“, „Duodrom“ und „Pace“, der auch den Preis der Jugendjury erhielt, hervor. Alle diese Filme beschäftigen sich auf der einen oder anderen Seite mit dem Thema der Identität und fanden dafür ihre eigene Bildsprache. Auch Anne Isensees Beitrag „Megatrick“ hat es nochmal in einen Wettbewerb geschafft. Als Gewinner ging der Stop-Motion-Film „Freeze Frame“ von Soetkin Verstegen hervor, der einen eigenen Weg fand sich mit dem Thema Stille zu beschäftigen.

Zusätzlich zu dem Hauptwettbewerb geben die Bamberger Kurzfilmtage auch Dokumentarfilmen immer einen Raum. Der zweigeteilte Wettbewerb umfasste zehn Kurzfilme. Unter den Beiträgen stachen die Dokus „Wolfgangs Freiheit“, „Talking Soil“ und „Ascona“ hervor, welche die Zuschauer in den Knast, einen Wald voller Minen und auf einen Minigolfplatz entführten. Zudem fielen die beiden Anime-Docs „Iktamuli“ von Anne-Christin Plate und „Inside me“ auf. Der zweite Film stammt aus der Hand von Maria Trigo Teixeira und erzählt, gekleidet in metaphorischen Bildern, die Geschichte einer Abtreibung. Dieser nur fünf Minuten lange Beitrag gewann den Bamberger Reiter für den ‚Besten Dokumentarfilm‘. Auch die Kinder hatten in diesem Jahr wieder die Chance ihren Favoriten zu wählen und wählten und das absolut zu Recht „Kleiner großer Bär“ von Sarah Schulz zu ihrem Gewinner. Ebenfalls das oberfränkische Kino bekam wieder seine Plattform und als Sieger ging der Dokumentarfilm „Fort“ von Friedrich Thorwald hervor.

Abgerundet wurde es wie jedes Jahr von seinen Sonderreihen und Best-of-Programmen. So waren bereits am Anfang der Woche viele der Programme wie ‚Best-of-Festival‘, ‚Team Choice‘, welches die Lieblinge der Veranstalter aus 30 Jahren präsentierten, und die in Zusammenarbeit mit der Erzdiözese Bamberg zusammengestellte Reihe ‚Augenblicke‘, ausverkauft und zogen scheinbar ganz Bamberg in die Kinos. Besonders gelungen waren zwei weitere Sonderprogramme: Zum einen präsentierte Professor Jörg Helbig die wunderbar kuratierte Zusammenstellung ‚Beatles in Shorts‘, welche nicht nur Fans der Fab Four begeisterte, sondern jeden Zuschauer in diese Welt abtauchen ließ. Ebenfalls heraus stach das Programm ‚Jeder fängt mal kurz an‘. Hier konnte man Kurzfilme berühmter Regisseure aus Deutschland wie Tom Tykwer und Detlev Buck sehen. Zudem waren mit „Schwarzfahrer“  und „Spielzeugland“ zwei Oscargewinner vertreten. Wer dann irgendwann keine Lust mehr auf Filme hatte, konnte den Abend im Kurzfilmclub ausklingen lassen und auch mal das Tanzbein schwingen. 

Lichtspielkino

Fazit: Auch in diesem Jahr lohnte sich der Ausflug nach Bamberg um die 30. Kurzfilmtage zu besuchen. Auch wenn im Jubiläumsjahr immer noch manche organisatorische oder technische Probleme auftraten, ist das kleine Festival, das größtenteils ehrenamtlich veranstaltet wird, ein wunderbare mittlerweile feste Größe, welche nicht nur Cineasten ins Kino lockt, sondern einer breiten Masse die Vielfalt des Kurzfilms offenbart. In vielen Programmen, die oft ausverkauft waren, werden dabei nicht nur die neuesten deutschsprachigen Kurzfilme junger Filmschaffender präsentiert, sondern auch thematisch gut kuratierte Zusatzprogramme. Im Gesamten zeigt das Festival, dass das deutsches Kino mehr war und mehr sein kann als die klassischen Komödien und Dramen, die man ansonsten im Kino zu sehen bekommt.

geschrieben von Doreen Matthei

Liste aller erwähnter Filme:

  • „Ascona“ (2019, Regie: Julius Dommer)
  • „Der Proband“ (2019, Regie: Hannes Schilling)
  • „Der Tod des Filmemachers“ (2019, Regie: Cornelius Koch)
  • „Die letzten Kinder im Paradies“ (2019, Regie: Anna Roller)
  • „Drübenland“ (2019, Regie: Arne Kohlweyer)
  • „Duodrom“ (2019, Regie: Basil Vogt)
  • „F for Freaks“ (2019, Regie: Sabine Ehrl)
  • „Fort“ (2019, Regie: Friedrich Thorwald)
  • „Freeze Frame“ (2019, Regie: Soetkin Verstegen)
  • „Iktamuli“ (2019, Regie: Anne-Christin Plate)
  • „Inside me“ (2019, Regie: Maria Trigo Teixeira)
  • Kleiner großer Bär“ (2019, Regie: Sarah Schulz)
  • Megatrick“ (2017, Regie: Anne Isensee)
  • „Noi“ (2019, Regie: Maximillian Welker)
  • „Pace“ (2019, Regie: Kai Stänicke)
  • „Schwarzfahrer“ (1993, Regie: Pepe Danquart)
  • „Spielzeugland“ (2007, Regie: Jochen Alexander Freydank)
  • „Talking Soil“ (2019, Regie: Jan Baumgartner)
  • „Tote Tiere“ (2019, Regie: David Oesch und Remo Rickenbacher)
  • „Wolfgangs Freiheit“ (2019, Regie: Gregor Centner)

Liste aller Filme, die die Testkammer rezensiert hat:

Interviews mit Filmemachern von Filmen auf dem Festival:

Quellen:

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