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21.-27. Januar 2019 / Lichtspiel-Kino, Odeon Kino, Alte Seilerei, Kurzfilmclub, Stadtbücherei Bamberg
Das Festival, 1990 ins Leben gerufen, widmet sich komplett dem kurzen Film. Die bei Touristen beliebte, oberfränkische Stadt bietet den perfekten Rahmen, um einem aufgeschlossenen Publikum eine Woche lang immer ab dem frühen Abend Kurzfilme näher zu bringen. Als Hauptspielstätten waren in diesem Jahr das Lichtspielkino, das Odeon und neu dazu die Alte Seilerei vertreten. Für den dritten Austragungsort entstand für die Zeit auf einem ehemaligen Industriegelände ein Kinosaal, der viele Leute fassen konnte. Auch in diesem Jahr waren wieder viele Veranstaltungen ausverkauft, so dass man manchmal einen längeren Marsch von einem Kino zum nächsten in Kauf nehmen mussten, um das Wunschprogramm sehen zu können. Präsentiert wurden an den sieben Tagen insgesamt 150 Kurzfilme in 19 Programmen. Diese wurden wieder von Volker Traumann und Andreas Böhler zusammengestellt, wobei sie bei der ein oder anderen Rolle auf bereits vorhandene Zusammenstellungen zurückgegriffen.
Das Herzstück eines jeden Festivals stellt auch in Bamberg der Wettbewerb dar. Aus über 900 Einreichungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wählten die Sichtungsteams 33 Kurzfilme aus, welche von drei Jurymitgliedern, bestehend aus Stephan Grosse-Grollmann (Filmemacher aus Bamberg, bekannt für seine Film „radfahrn“ und „Zeit16“), Brigitte Strubel-Mattes vom exground filmfest Wiesbaden und der Animationsfilmregisseur Alexandre Espigares. Als besten Spielfilm wählte die Jury den Genrefilm „Das Mädchen im Schnee“ von Dennis Ledergerber. Dieser überzeugte die Jury nicht nur mit seiner Machart, sondern konnte auch das Publikum mit seiner plötzlichen Wendung hin zum unerwarteten Brutalen überraschen und schockieren. Neben dem Gewinnerfilm gab es aber noch viele Beiträge, die unter den Gezeigten auffielen. Darunter war der neue Film von Sophie Linnenbaum – „Rien ne va plus“ – , welche im letzten Jahr mit ihrem Kurzfilm „Pix“ eine erfolgreiche Festivalrunde absolviert hatte. Zudem hatte das Festival starke Dramen zu bieten. Darunter waren „Fast alles“ von Lisa Gertsch, der bayerische Film „Fame“, das Verlustdrama „Happy Birthday“ und der schweizer Film „Stilles Land Gutes Land“. Die beiden Filme „Von oben“ von Felix Krisai und „Rubberneck“ von Frederic Kau bedienten sich bei ihren Erzählungen gekonnt der Stilmittel aus dem Horror- und Thrillergenre. Der Publikumspreis ging ebenfalls an einen Spielfilm: „Mascarpone“. Die kreative, zitatenreiche Komödie von Jonas Riemer überzeugt mit ihrer Welt aus Pappe und mit viel Humor.
Der zweite Hauptpreis wurde für den besten Experimental- oder Animationsfilm verliehen. Der Dokumentarfilm „Carlottas Face“ gewann den mit Gold überzogenen Schokoladenreiter. Die Geschichte besitzt eine außergewöhnliche Bildsprache und erklärt anschaulich eine seltene Krankheit. Die Jugendjury entschied sich für den 3D-animierten Kurzfilm „Rouff“. Er handelt von einer besonderen Freundschaft von zwischen dem Papierwesen Pete und einem gezeichneten Hund. Unter den Animationsbeiträgen fvielen auch wieder „Gerichtszeichner“ von Jochen Kuhn und „Love Me, Fear Me“ von Veronica Solomon LINK ins Auge, zudem konnte Shadi Adibs Kurzfilm „Fuse“ mit seiner außergewöhnlichen Perspektive und Inszenierung sowie der berühmten Stimme von Nick Cave überzeugen.
Aber auch unter den Experimentalfilmen gab es wieder viel zu entdecken. Besonders beeindruckend waren die Filmcollage „Landscape of Absence“, die auf einen Missstand in Filmen hinweist, und der faszinierende „The Divine Way“ von Ilaria Di Carlo, mit der Vorliebe für Treppen. Auch gab es politisch starke Kurzfilme, wie „Comments“ von Jannis Alexander Kiefer, der YouTube-Kommentare verbildlicht, und der Kurzfilm „Love goes through the stomach“. Der letzte Film stammt von dem Künstlerkollektiv Neozoon, welches uns mit Filmen wie „MY BBY 8L3W“ das irrationale Verhalten von Menschen vorführt. In diesem Film beschäftigen sie sich mit dem Thema Nahrung und bleiben sich ihrem Thema Mensch-Tier-Beziehung und der Verwendung von Found-Footage-Material treu. Der Experimentalfilmsektor entwickelt sich immer weiter, so dass man sich wünschen würde, dass es dafür einen eigenen Preis geben würde. Mit dem Experimentellen beschäftigte sich auch die Found-Footage-Nacht. Das Programm, zusammengestellt und kuratiert von dem Hamburger Filmemacher Romeo Grünfelder zeigt mit seinen zehn Filmen, wie Found-Footage verwendet werden kann. Dabei handelt es sich um die Wiederverwendung von vorhandenem Material. Stark geprägt ist das Filmgenre u.a. durch den Österreicher Peter Tscherkassy (“The Exquisite Corpus”). Beispielsweise kann es zum Zwecke der Unterhaltung amüsant zusammengeschnitten werden („Todesboten“), als lehrreiches Essay („What is Neorealism?“) oder als Objekt der Verfremdung („Gardine Sing Sing“) verwendet werden. Diese Nacht gab einen wunderbaren Einblick in ein Filmfeld, das sonst eher für Künstler und Kunstinteressierte interessant ist.
Auch kann man in jedem Jahr eine gute Auswahl an Dokumentarfilmen auf den Bamberger Kurzfilmtagen sehen. Diese Veranstaltungsreihe erfreut sich ebenso großer Beliebtheit, sodass auch sie zum größten Teil ausverkauft waren. Besonders hervor stachen der intensive Kurzfilm „Obon“ von André Hörmann und Anne Samo, der seine Premiere auf dem 61. DOK Leipzig feierte, der schweizer Kurzfilm „40 Meter“, ein einfühlsames Portrait eines Lokomotivführers, der Traumatisches erlebt hat, und der charmante „Herr Doktor geht“ von Martin Nguyen, der vom Abschied eines Hausarztes von seinen Patienten berichtet. Gewonnen hat den Wettbewerb der 29-minütige „Joe Boots“ von Florian Baron. Der Vorläufer für seinen Langfilm „Stress“ erzählt die Geschichte des Veteranen Joe, der in den Krieg zog und mit einer PTB zurückkehrte. Er besticht nicht nur durch die offenen Art Joes, sondern auch mit seinen Slow-Motion-Aufnahmen, die perfekt auf das Erzählte abgestimmt sind.
Ebenfalls immer gut besucht war wieder einmal die Kinderveranstaltung. Nicht nur, dass es dort für die Kleinen immer Geschenke gibt, sondern auch eine bunte Auswahl von Spiel- und Animationsfilmen lockten zahlreiche Kinder und Eltern an. Schwierig ist es dabei, das Programm für viele Altersgruppen attraktiv zu machen. So sprach es vor allem jüngere Zuschauer und diese kürten wieder eines der Animanimals-Tiere von Julia Ocker zu ihrem Sieger: „Faultier“. Mit dieser Reihe wird die Filmemacherin wohl immer Kinder und auch Erwachsene erfreuen. Neben ihren Filmen (es lief auch noch „Pinguin“) fielen Falk Schusters „Bei Nacht erwacht“ und der Animationsfilm „Gelato – Die sieben Sommer der Eisliebe“ unter den Beiträgen auf.
Neben den Wettbewerbsblöcken wurden das Festival durch viele Sonderreihen bereichert. In diesem Jahr arbeiteten sie mit dem Filmfest Wiz-Art in Lemberg zusammen und zeigten ein gutes Programm ukrainischer Filme, mit dabei „Mia Donna“ von Pavlo Ostrikov und der Experimentalfilm „Glückliche Jahre“, der eine andere Art von Geschichtsbeitrag leistete. Im Regional-Fokus ‚Made in Oberfranken‘ gewann der Film „The Blue Village“, um eine Gruppe Künstlern die in Manila (Philippinen), ein Viertel auf ihre Art verschönerten. Amüsant waren die Blöcke über den spanischen Trashfilmemacher Dani Moreno und eine Auswahl an schottischen Filmen, welche genreübergreifend ein buntes Panoptikum aus den letzten Jahren präsentierte. Doch die Reihe um den verstorbenen Filmemacher Martin Kirchberger stach besonders hervor. Er gilt mit seinen dokumentarisch wirkenden Kurzfilmen als Erfinder der Mockumentary und formte über die Jahre das Genre. Die Bamberger Kurzfilmtage gaben einem die Möglichkeit diesen unbekannten deutschen Filmemacher zu entdecken.
Fazit: Auch die 29. Bamberger Kurzfilmtage in der wunderschönen und auch dieses Jahr wieder verschneiten, oberfränkischen Stadt warteten mit einem bunten Spektrum an Kurzfilmen auf. Dabei konnte man in den Wettbewerben viele Kurzfilme aus unterschiedlichen Genres und Gattungen entdecken. In Sonderreihen bekam man Einblicke in bestimmte Genre oder Œuvre des ein oder anderen Filmemacher und erfuhr wieder, was Kurzfilm alles sein kann. Die Säle waren sehr oft ausverkauft und das Publikum wunderbar gemischt. So könnte man eigentlich das Festival gut und gerne auf den ganzen Tag oder auf mehr Kinos erweitern und noch mehr Filmfreunde anziehen. Im Gesamten war es ein schönes Festival, das wieder wunderbar gezeigt hat, dass die Liebe zum Kurzfilm keine Altersgrenzen kennt und zudem fabelhaft, kurzweilig unterhalten kann.
Der Trailer der 29. Bamberger Kurzfilmtage:
geschrieben von Doreen Matthei
- Alter Seilerei
- Lichtspiel
- Alter Seilerei
- Moderation im Lichtspiel
- Alter Seilerei
- Alter Seilerei
- Stadtbücherei Bamberg
- Stadtbücherei Bamberg
- Lichtspiel
- Alter Seilerei
- Lichtspielkino Odeon
- Lichtspielkino Odeon
- Lichtspiel
- Lichtspielkino Odeon
- Alte Seilerei
Liste aller erwähnten Filme mit allen Angaben
- „40 Meter“ (OT: „40 Meter“, Deutschland, 2018, Samuel Flückiger)
- „Bei Nacht erwacht“ (OT: „Bei Nacht erwacht“, Deutschland, 2018, Falk Schuster)
- „Carlotta’s Face“ (OT: „Carlotta’s Face“, Deutschland, 2018, Valentin Riedl & Frédéric Schuld)
- „Comments“ (OT: „Comments“, Deutschland, 2017, Jannis Alexander Kiefer)
- „Das Mädchen im Schnee“ (OT: „Das Mädchen im Schnee“, Schweiz, 2017, Dennis Ledergerber)
- „Fame“ (OT: „Fame“, Deutschland, 2018, Christian Hödl & Lene Pottgießer)
- „Fast alles“ (OT: „Fast alles“, Schweiz, 2017, Lisa Gertsch)
- „Faultier“ (OT: „Faultier“, Deutschland, 2018, Julia Ocker)
- „Fuse“ (OT: „Fuse“, Deutschland, 2018, Shadi Adib)
- „Gardine Sing Sing“ (OT: „Gardine Sing Sing“, Deutschland, 1992, Pit Przygodda)
- „Gelato – Die sieben Sommer der Eisliebe“ (OT: „Gelato – die sieben Sommer der Eisliebe“, Deutschland, 2018, Daniela Opp)
- „Gerichtszeichner“ (OT: „Gerichtszeichner“, Deutschland, 2018, Jochen Kuhn)
- „Happy Birthday“ (OT: „Happy Birthday“, Deutschland, 2018, Alexander Conrads)
- „Glückliche Jahre“ (OT: „Happy Years“, Ukraine, 2018, Svitlana Schimko)
- „Herr Doktor geht“ (OT: „Herr Doktor geht“, Österreich, 2017, Martin Nguyen)
- „Joe Boots“ (OT: „Joe Boots“, Deutschland, 2017, Florian Baron)
- „Landscape of Absence“ (OT: „Landscape of Absence“, Deutschland, 2017, Verena Looser & Melina Weissenborn)
- „Love Goes Through the Stomach“ (OT: „Love Goes Through the Stomach“, Deutschland, 2017, Neozoon)
- „Love Me, Fear Me“ (OT: „Love Me, Fear Me“, Deutschland, 2018, Veronica Solomon)
- „Mascarpone“ (OT: „Mascarpone“, Deutschland, 2018, Jonas Riemer)
- „Mia Donna“ (OT: „Mia Donna“, Ukraine, 2018, Pawlo Ostrikov)
- „Obon“ (OT: „Obon“, Deutschland, 2018, Samo & André Hörmann)
- „Pinguin“ (OT: „Pinguin“, Deutschland, 2017, Julia Ocker)
- „Rien ne va plus“ (OT: „Rien ne va plus“, Deutschland, 2017, Sophie Linnenbaum)
- „Rouff“ (OT: „Rouff“, Deutschland, 2017, Johannes Engelhardt, Benjamin Brand, Johannes Lumer, Markus Eschrich, Julus Rosen)
- „Rubberneck“ (OT: „Rubberneck“, Deutschland, 2018, Frederic Kau)
- „Stilles Land Gutes Land“ (OT: „Stilles Land Gutes Land“, Schweiz, 2018, Johannes Nachmann)
- „The Blue Village“ (OT: „The Blue Village“, Deutschland, 2017, Kevin Koch)
- „The Divine Way“ (OT: „The Divine Way“, Deutschland, 2017, Ilaria Di Carlo)
- „Todesboten“ (OT: „Todesboten“, Deutschland, 1994, Stefan Eckel & Stefan Prehn)
- „Von oben“ (OT: „Von oben“, Österreich, 2018, Felix Krisai)
- „What is Neorealism?“ (OT: „What is Neorealism?“, Korea, 2013, Kogonada)
Liste aller Filme, die die Testkammer rezensiert hat:
- „Bei Nacht erwacht“ (OT: „Bei Nacht erwacht“, Deutschland, 2018, Falk Schuster)
- „Das Mädchen im Schnee“ (OT: „Das Mädchen im Schnee“, Schweiz, 2017, Dennis Ledergerber)
- „Die Pförtner“ (OT: “Die Pförtner”, Deutschland, 2017, Mirko Hans))
- „Es ist egal, aber“ (OT: „Es ist egal, aber“, Deutschland, 2017, Christoph Ischinger)
- „Forever Yours“ (OT: „Forever Yours“, Deutschland, 2018, Fabian Constantin)
- „Fuse“ (OT: „Fuse“, Deutschland, 2018, Regie: Shadi Adib)
- „Gerichtszeichner“ (OT: „Gerichtszeichner“, Deutschland, 2018, Jochen Kuhn)
- „Kiew Moskau“ (OT: „Kiev Moscow“, Ukraine/Tschechische Republik, 2018, Anna Lyubynetska)
- „Love Me, Fear Me“ (OT: „Love Me, Fear Me“, Deutschland, 2018, Veronica Solomon)
- „Luftholen“ (OT: „Take a Breath“, Deutschland, 2018, Gaston Stabiszewski)
- „Mascarpone“ (OT: „Mascarpone“, Deutschland, 2018, Jonas Riemer)
- „Mia Donna“ (OT: „Mia Donna“, Ukraine, 2018, Pawlo Ostrikov)
- „Nenn mich nicht Bruder“ (ET: „Don’t call me Bro“, Deutschland, 2018, Gina Wenzel)
- „Obon“ (OT: „Obon“, Deutschland, 2018, Samo & André Hörmann)
- Rouff (2017)
- The Market of Lost Things (2017)
- „Tracing Addai“ (OT: „Tracing Addai“, Deutschland, 1028, Esther Niemeier)
Interviews mit Filmemachern von Filmen auf dem Festival:
- Shadi Adib
- Johannes Bachmann
- Ilaria Di Carlo
- André Hörmann und Anna Samo
- Christoph Ischinger
- Frederic Kau
- Jannis Alexander Kiefer
- Zaide Kutay und Christelle Serrano
- Jannis Alexander Kiefer
- Jochen Kuhn
- Sophie Linnenbaum
- Anna Lyubynetska
- Martin Nguyen
- Esther Niemeier
- Pavlo Ostrikov
- Jonas Riemer
- Veronica Solomon
- Gaston Stabiszewski
- Gina Wenzel
- Wildboar
Quellen:
- 29. Bamberger Kurzfilmtage 2019 – Katalog
- Website der Bamberger Kurzfilmtage
34 Gedanken zu “29. Bamberger Kurzfilmtage 2019”