Fünf Fragen an Anne Isensee

Doreen Kaltenecker
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© Johanna-Maria Fritz

Interview: Im Gespräch mit der jungen Filmemacherin Anne Isensee, welche an der Filmuniversität Babelsberg ”Konrad Wolf” studierte, erzählt sie uns wie der Kurzfilm “Megatrick” entstand und worauf sie bei der Ausarbeitung ihr Augenmerk gelegt hat.

Auf mehreren Festivals und in unterschiedlichen Themenblöcken habe ich Deinen Kurzfilm “Megatrick” gesehen. Wie kam es zur Entwicklung des Films und handelt es sich hierbei um Deinen Debütfilm?

An der Filmuniversität Babelsberg findet regelmäßig der Workshop ‘Animation Unplugged’ unter der Leitung von Gil Alkabetz, Marcus Sander und Markus Wende statt. Dabei lösen sich Animations-Studierende für eine Woche von ihren großen Abschlussprojekten und sonstigen universitären Verpflichtungen, um innerhalb nur einer Woche einen fertigen Animationsfilm zu machen. Die Prozesse in der Animation sind normalerweise extrem langwierig, zum einen die technische Umsetzung, aber vor allem auch die Story-Entwicklung. Dieser Workshop ist eine sehr beliebte Herausforderung. Am ersten Workshoptag werden den Teilnehmern 60 Begriffe genannt. Für jeden dieser Begriffe erhält man eine Minute Zeit, um einen Satz dazu aufzuschreiben, der einem als erstes einfällt. Anschließend tauscht man sich über ausgewählte Sätze aus mit dem Ziel, dass sich jeder Teilnehmer für einen Satz entscheidet, auf dessen Grundlage der Eine-Wochen-Film entstehen soll. Bei mir war das Wort “Linie”. Der Satz war tatsächlich, ähnlich wie im Film: “Man kann eine gerade Linie zeichnen, indem man sich auf den Punkt konzentriert.” Im Film geht es dann so weiter, dass ich dann versuche, eine Metapher auf das Leben daraus zu stricken. Der Text ist im Prinzip genau der Gedankengang, der sich in meinem Kopf vollzogen hat, als ich über ein Leben als ‘gerade Linie’ nachgedacht habe.

Nachdem die Sprachaufnahme und die Animation nach fünf Tagen fertig waren, haben am sechsten Tag Studierende der Filmmusik die Ergebnisse erhalten und sich mit lauter mitgebrachten Instrumenten in einen Aufnahmeraum im Keller eingeschlossen, um die Filme dort zu vertonen. Das waren Dascha Dauenhauer, Felix Rösch, Robert Pilgram und Carl Ludwig Wetzig. Sie haben sich grundsätzlich Überlegungen zu der Grundstimmung gemacht und dann aber ziemlich frei zu den Filmen gejammt. Ich hatte nicht die geringste Kontrolle oder Ahnung, was die da unten gemacht haben. Jedenfalls haben wir am letzten Workshop Tag alle Filme gemeinsam angesehen und die Filmemacher wurden selber mit den musikalischen Ergebnissen überrascht. Meine Überraschung war definitiv eine positive.

Es war der erste Film, den ich an der Filmuniversität hab ausspielen und auswerten lassen, insofern war es mein Debütfilm, ja.

Der Humor ist sehr wichtig. Immer wenn die Linie zum ersten Mal den Weg verlässt, wurde in jeder Veranstaltung gelacht. Das amüsierte mich beim dritten und vierten Mal Sehen immer sehr. Wie hat sich der Humor für das Projekt entwickelt? War der sozusagen inbegriffen?

Es gibt natürlich Strategien, um Humor zu entwickeln, um einen guten Witz oder eine Punchline zu konstruieren. Darin bin ich aber nicht gut. Humor hat etwas mit Überraschung zu tun, mit dem Brechen einer Erwartung oder auch dem Überschreiten von Grenzen. Ich finde mich selbst eigentlich immer dann witzig, wenn ich mich selber überrasche. Ich bin wirklich ein ganz mieser Witze-Erzähler, aber ich bin schlagfertig. Das hat man mir zumindest schon mehr als einmal gesagt, das muss für die statistische Beweislage reichen. Mir schießt eher auf ein Stichwort oder in einer Situation etwas durch den Kopf und im Idealfall genauso schnell über die Zunge, als ich darüber nachdenken könnte. Jede Sekunde Verzögerung würde den Witz wahrscheinlich unlustiger machen. Ich kann sowas nicht strategisch aufbauen, es muss raus schießen oder ich sollte es lassen. Wenn ich also mal ein Gespräch anfangen sollte mit: “Soll ich dir einen Witz erzählen?” Sag besser: “Nein.”

Bei der Animation ist es dann natürlich schwierig, weil man sie nicht ausspricht, sondern in mühsamer Arbeit und in Einzelbildern zeichnet. Aber das war eben die Magie des “Animation Unplugged”-Workshops: Du hast eine erste Idee, die dir durch den Kopf schießt, und du hast einfach viel zu wenig Zeit, sie nochmal zu überdenken. Du musst sie annehmen und einfach anfangen.

Du wählst einen sehr einfachen Stil. Das Deutsche Institut für Filmbewertung, welches deinem Film  das ‘Prädikat besonders wertvoll’ verliehen hat, hat es damit begründet, dass Du es für eine Smartphone-Generation gerecht gestalten wolltest. Spielt das mit rein?

Könnte man denken, aber eigentlich nicht. Dass der Film überhaupt ein größeres Publikum als die Workshop Teilnehmer erreicht hat, war nie geplant. Daher habe ich ihn auch nicht für eine Zielgruppe gemacht.

Witzigerweise besitze ich selber erst seit diesem Jahr ein Smartphone und das auch nur, weil in Los Angeles keine Busfahrpläne aushängen. Ich habe gar nichts dagegen, dass man sich Videos auf dem Handy ansieht. Das wäre auch dumm, da mich diese Aktivität möglicherweise einmal ernähren wird.

Aber ich selber empfinde Videos auf einem so kleinen Bildschirm und mit so viel Ablenkung in der Umgebung tendenziell als unbefriedigend, daher lag der Gedanke bei mir bei der Konstruktion des Films eher fern.

Trotzdem Danke an der Stelle an die Filmbewertungsstelle!

Warum hast Du Dich dafür entschieden, den Off-Kommentar selber einzusprechen und gerade so eine flapsige Redeweise zu verwenden?

Diese Frage wurde mir schon einmal vor einem Publikum gestellt, da war ich ziemlich perplex. Man muss vielleicht wissen, dass ich das Voice Over einfach an meinem Esstisch in ein kleines Aufnahmegerät eingesprochen habe, also quasi alleine in einer gewohnten Situation und nicht in einer künstlichen Studio-Situation in Anwesenheit einer seriösen Person. Dementsprechend habe ich einfach so ins Mikro gesprochen, wie ich eben spreche und denke.

Und ich fange beim Sprechen meine Sätze eben unglaublich gerne mit “Ej” an. Das an der Sprechweise im Film irgendetwas besonderes ist, war mir nicht bewusst, bis ich darauf angesprochen wurde. Das Stilmittel Voice Over kennt man eben eher als auktorialer Erzähler im Spielfilm oder als Off-Stimme in Dokumentarfilmen, und da ist die Sprache eher kontrolliert und konstruiert. Ich hatte den Text nur stichwortartig aufgeschrieben, um nichts durcheinander zu bringen und habe dann dem Aufnahmegerät meinen Gedanken erzählt. Ich wurde auch schon von einer Animations-Kollegin an meiner Stimme erkannt, die den Film gesehen hatte, mich aber nicht kannte. Das war lustig.

Wie geht es bei Dir weiter? Können wir uns bald auf einen nächsten Kurzfilm von Dir freuen?

Ich arbeite gerade ein einem neuen (Sehr-)Kurzfilm. Auch hier wird ein Text die Basis sein. Es wird ein sehr musikalischer Film, was sicherlich darauf zurückzuführen ist, dass ich im Jahr 2018 vor allem von der Erstellung von Musikvideos gelebt habe. Ich arbeite bei dem neuen Film mit der DJane und Produzentin Sarah Farina zusammen, die meiner Meinung nach die richtige Energie in den Film einbringen kann und zum anderen einen sehr farbenfrohen Musikstil hat. Es wird laut und bunt, aber auch leise und monochrom. Das wird mein erster unabhängig produzierter Film. Es macht bisher auf jeden Fall richtig Spaß.

Ab Oktober 2018 nehme ich den Master-Studiengang ‘Animationsregie’ an der Filmuniversität Babelsberg auf. Dafür ist auch ein lyrischer Film in Planung, wobei der Text aber diesmal aus der Feder von jemand anderem stammen wird. Mehr will ich dazu noch nicht verraten. Aber nur, weil es immer so cool klingt, wenn man ein Interview so beendet.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch unsere Rezension ihres Kurzfilms “Megatrick

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