„They Shall Not Grow Old“ (2019)

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Filmkritik: Wie man der nächsten Generation Zeitgeschichte näher bringen kann und das abseits des staubigen Geschichtsunterricht ist immer eine spannende Frage. Der bekannte Regisseur Peter Jackson findet mit „They Shall Not Grow Old“ (OT: „They Shall Not Grow Old“, UK/Neuseeland, 2019) eine gelungene Antwort auf diese Frage und schuf eine Dokumentation, die Geschichte durch ein paar Tricks lebendig werden lässt.

In der Dokumentation „They Shall Not Grow Old“ begleitet der Zuschauer junge, britische Soldaten auf ihrem Weg in den Ersten Weltkrieg. Es beginnt mit der Zeit noch in der Heimat bis hinein in den Krieg in Flandern. Es ist nicht alles bebildert, denn bei Kampfhandlungen konnte nicht gefilmt werden. Jedoch werden die ruhigen Zeiten, das Warten, das Ausharren genauso gezeigt wie die Schrecken des Krieges und deren Folgen. 

Verantwortlich für den Dokumentarfilm ist der neuseeländische Regisseur Peter Jackson (*1961), der sich vor allem durch die „Herr der Ringe“-Trilogie einen Namen gemacht hat, aber auch Horrortrash wie „Braindead“ (1992) oder Monsteraction wie „King Kong“ (2005) auf die Leinwände brachte. Seine Filme sind meist ein großes Spektakel. So verwundert es auf den ersten Blick, dass sein neuester Film ein Dokumentarfilm ist, doch auf den zweiten Blick wird einem klar, dass es auf andere Art spektakulär ist, was man hier zu sehen bekommt. Der Dokumentarfilm, der exakt 100 Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs (Vertrag von Versailles am 28. Juni 1919) in die Kinos kam, entstand aus einer persönlichen Motivation heraus. Peter Jacksons Großvater diente von 1910 bis 1919 im 2. South Wales Borderers Infanterieregiment und starb leider schon 1940, so dass Jackson ihn nie persönlich über den Krieg befragen konnte. Genau aus dieser Motivation heraus entschied er sich den Film zu machen, denn noch ist es möglich Zeitzeugen zu befragen. So werden die Dokumentaraufnahmen von über 100 britischen Veteranen unterstützt. Sie erzählen ihre Sicht der Ereignisse und machen den Krieg so auf andere Weise spürbar. Zudem verzichtet Jackson auf kommentierende Historiker und Erklärungen der allgemeinen Geschehnisse. Ihm geht es vor allem um einen persönlichen Eindruck des Krieges und die Empfindungen der damals sehr jungen Soldaten, auf die sich auch der Titel „They Shall Not Grow Old“ (übersetzt bedeutet es „Sie sollten nicht alt werden“) auf traurige Weise bezieht. Mit diesem Projekt bringt Jackson viele Zeitzeugenaussagen zusammen und könnte eine neue Generation, vor allem auch mit seiner eigenen Popularität, erreichen und verhindern, dass der Schrecken des Krieges, der von 1914 bis 1918 dauerte, vergessen wird.

Dass dies so gut funktioniert, hat aber neben den Off-Kommentaren vor allem mit dem von ihm verwendeten Archivmaterial zutun. Jackson arbeitete mit dem Imperial War Museum in London zusammen und nahm ausschließlich deren Aufnahmen. Dafür bediente er sich einer großen Bandbreite an Sequenzen, die nicht nur die Vorbereitungen und den Kriegseintritt, sondern auch das Leben im Krieg mit all seinen grausamen Konsequenzen einfangen. Die Bilder in der zweiten Hälfte des Films sind unglaublich hart, vor allem mit dem Wissen, dass es sich dabei um wahrhaftige Zeitdokumente handelt. Der Film beginnt mit schwarz-weiß Aufnahmen vor Kriegsbeginn in einem quadratischen Rahmen. Sie sehen so aus, wie man sich 100 Jahre altes Material vorstellt. Doch dann mit Beginn des Krieges erweitert sich das Format, Farben erblühen und das Geschehen wird auf einmal in 3D erlebbar. Denn Jackson hat mit Hilfe modernster Computertechnik das Material restauriert, koloriert und in 3D konvertiert. Das ist unfassbar spektakulär und auch wenn nicht jeder Farbton stimmt, wird die Szenerie zum Leben erweckt. Dabei wurden auch Ruckler etc. aus den Aufnahmen entfernt. Hinzu kommt, dass er Lippenleser beauftragte die teilweise gesprochenen Passagen zu synchronisieren. So bekommen die klassischen Stummfilmaufnahmen Sprache, aber nicht nur das, auch die Geräusche fügt Jackson hinzu. Er holte das Archivmaterial aus seiner angestaubten Ecke, verpasste ihm ein neues Gewand ohne zu fiktionalisieren und schuf damit einen außergewöhnlichen, starken Dokumentarfilm, der hoffentlich viele Zuschauer erreichen kann. Auch bietet er sich im Einsatz für Schulen an, ob in deutschen Schulen sei dahin gestellt, da der Film eine ausschließlich britische Perspektive abbildet. Aber auch so bietet der Film genügend Möglichkeiten für jüngere Menschen ins Gespräch zukommen und Fragen bei ihnen zu evozieren. Ein starker, gut gemachter Dokumentarfilm, der weniger erklärt, als vielmehr den Krieg spürbar und lebendig macht.

Fazit: Die Dokumentation „They Shall Not Grow Old“ stammt von dem bekannten Regisseur Peter Jackson. Für diese begab er sich in das Archiv des Imperial War Museums und restaurierte, kolorierte und konvertierte das Material in 3D. So gab er dem Originalmaterial eine neue optische Qualität, welche die Bilder lebendiger und beeindruckender machen, als die zugrunde liegenden Aufnahmen. Zudem interviewte er für seinen Dokumentarfilm über 100 britische Veteranen, so dass es ein großes Gesamtbild ergibt, das mittlerweile rar gewordene Zeitzeugenaussagen einfängt und sich für viele Generationen von Zuschauern als informativer Film anbietet, obwohl auf Erklärungen verzichtet wird, denn Jackson wollte vor allem den Krieg und den hergehenden Schrecken lebendig werden lassen und so spürbar für alle Zuschauer machen.

Bewertung: 8/10

Kinostart: 27. Juni 2019 / DVD-Start: 7. Mai 2019

Trailer zum Film „They Shall Not Grow Old“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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