„The Still Side“ (2021)

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Filmkritik: Was passiert nachdem ein Mensch die Orte verlässt, die er geschaffen hat? In ihrer ruhigen Dokumentation „The Still Side“ (OT: „El lado quieto“), die Teil des Sonderprogramms ‚Camera Lucida – Außer Konkurrenz‘ auf dem 64. DOK Leipzig war, spüren die beiden FilmemacherInnen Miko Revereza und Carolina Fusilier so einem Ort nach und beobachten, wie sich die Natur den Raum zurückholt.


Die mexikanische Insel Capaluco war einst ein Ort voller Ressorts und wurde in vielen Formen diversen Hotelanlagen und einem Zoo touristisch erschlossen. Jetzt ist sie verlassen, die Natur kehrt zurück und auch für das mystische Seeungeheuer aus den mexikanischen Sagen ist hier Platz.

Aus der Sicht solch einer Kreatur entdecken die ZuschauerInnen die Insel, welche komplett von Menschen verlassen zu sein scheint. Man hat das Gefühl, dass dies plötzlich passiert ist, denn zum Teil sehen die Anlagen noch intakt aus und man sieht förmlich vor seinem inneren Auge, wie viele Touristen hier ihr Geld gelassen haben, was auch noch von den Durchsagen der ehemaligen Anlagen, welche von Zeit zu Zeit aus dem Off kommen, unterstützt wird. Doch statt dies nur aus einer rein sachlichen Beobachtung heraus zu erzählen, wählen die beiden FilmemacherInnen Miko Revereza (*1988) und Carolina Fusilier (*1985), die sich 2020 kennengelernt haben und ihre Doku auf einem Essay von Fusilier aufbauen, eine andere Herangehensweise. Oft auf Bodenniveau erkunden wir, die ZuschauerInnen, zusammen mit dem Ungeheuer die Insel. Immer wieder kommt es zu Perspektivwechseln und neuen Ansichten. So werden wir immer vertrauter mit den Orten, aber gleichzeitig lässt sich im Kopf keine Topographie erstellen, so dass eine weitere, rätselhafte Komponente auch durch eine gewisse Orientierungslosigkeit entsteht. Zu den starken Bildern, welche einen sofort in den Bann ziehen, kommt eine ausgefeilte Soundkulisse, bei der die beiden FilmemacherInnen mit verschiedenen Arten, den Ton festzuhalten, experimentierten, sowie ein mystischer Off-Text. So entstand eine faszinierende Doku, welche klar von klassischen, narrativen Schemen abweicht, so dass das Erfühlen der Orte das Erlebnis des Films ausmacht und dafür fand das Duo zum Teil neue, aber vor allem interessante Ansätze.

Fazit: „The Still Side“ ist ein Dokumentarfilm der beiden RegisseurInnen Miko Revereza und Carolina Fusilier, der verlassene Orte auf der Insel Capaluco erkundet. Dafür finden die beiden eine eigene Bild- und Tonsprache, welche die ZuschauerInnen mit ihrer Mischung aus dokumentarischen Aufnahmen, interessanten tonalen Experimenten und einer mystischen Geschichte in eine unbekannte, faszinierende Welt entführt.

Bewertung: 7,5/10

Trailer zum Film „The Still Side“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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