Acht Fragen an Maximilian Weigl

Doreen Kaltenecker
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Marko Begic

Interview: Im Gespräch mit dem Filmemacher Maximilian Weigl konnten wir mehr über seinen 29-minütigen Film „Das Zittern der Aale“ erfahren, der auf dem 45. Filmfestival Max Ophüls Preis 2024 seine Weltpremiere feierte, erfahren, wie er eigene Erfahrungen verarbeitete, was der Kern der Geschichte ist und wie die Stadt München zu einer Hauptdarstellerin wurde.

Wie ist die Idee zu dem Film entstanden? Und warum hast Du Dich für die weibliche Perspektive gewählt?

Die erste Idee zum Film kam mir 2019, als ich selbst unglücklich verliebt war und irgendwie dieses Gefühl greifen und verarbeiten musste. Aus dieser Dringlichkeit heraus ist dann die erste Fassung entstanden. Ursprünglich war die Prämisse von zwei Figuren zu erzählen, deren gemeinsame Anziehung nur über ihr Gespräch, v.a. über das gegenseitige Necken und Ärgern entsteht. Mit weiteren Fassungen, hat sich dann herauskristallisiert, dass es mir mehr um das Thema „Verliebtsein“ und es der anderen Person nicht sagen ging, um das Aufrechterhalten von Projektionen und um Schwärmerei, die jeder Mensch im Gefühl des Verliebt-Seins anlegt. Auch fand ich irgendwann die Metaebene spannend dies mit der für mich wichtigen Frage zu verbinden, ob ein/e Künstler*in seine Liebe in Kunst verpacken darf und was daraus für Konflikte entstehen können.

Apollonia-Film-GmbH

Ganz am Anfang war die Hauptfigur im Film mit Joshua Kliefert besetzt. Als sich die Besetzung aus Termingründen nochmal änderte, hat mich Julia Windischbauer darauf angesprochen, ob ich nicht geschlechtsunabhängig weitercasten wolle. Das hat bei mir einen Denkprozess in Gang gesetzt das Buch neu zu lesen und mich auch zu fragen, ob ich das erzählen darf und kann. Ich habe dabei vor allem gemerkt, dass meine Geschichte einen universellen Kern hat, an den hoffentlich viele unabhängig ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts anschließen können. Es geht eben im Kern um Verliebtsein, Sehnsucht und die Angst es der anderen Person zu sagen. Mehr noch: Mir gefiel die Idee das heteronormative Konzept der Romantik und der Muse innerhalb einer lesbischen Liebesbeziehung neu zu sehen, gerade weil diese Konzepte eben allgemeingültig sind. Insbesondere weil der Film die Hintergründe/Verletzungen der Figuren relativ offen lässt, haben sich für mich neue Lesarten der Figuren entwickelt, die mir bei der Konstellation gefallen haben. Ich habe sehr viel in meinem Freundeskreis nachgefragt und auch im Filmteam Gespräche mit Menschen geführt, die mir Geschichten zu ihren homosexuellen Verliebtheiten erzählt haben. Besonders schön daran ist, dass viele jetzt da der Film fertig ist, ihre eigenen Erfahrungen in die Figuren rein projizieren. Beispielsweise habe ich schon das Feedback erhalten, dass eine Frau das Phänomen der gay panic in meinem Film gesehen hat. Ich fand das toll, weil der Film durch seine Offenheit offenbar zu vielen Menschen spricht und niemanden ausgrenzt.

Was das Rollenverhalten in meinem Filmen angeht, versuche ich ohnehin immer gerne Geschlechterrollen zu brechen, Menschen, egal welchen Geschlechts und deren Verhalten in einer Figur zu vermischen, weil es mir unfassbar wichtig ist, dass ich keinen Film reproduziere, in dem ein male gaze vorherrschend ist.

In welchem Rahmen, über welchen Zeitraum und mit welcher Teamgröße ist euer Film entstanden?

Der Film ist mein Drehbuch-Sonderprojekt an der HFF München, produziert mit der Apollonia Film, und mitfinanziert von der HFF und dem Freundeskreis der HFF. Gedreht wurde im Sommer 2023 an sechs Drehtagen. Vor Ort am Set waren wir in etwa immer so 25-30 Leute, würde ich sagen.

Warum habt ihr München als Drehort gewählt? Was macht das Flair dieser Stadt aus?

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München im Sommer wird von manchen Münchner*Innen als ‚nördlichste Stadt Italiens‘ bezeichnet. Wir wollten einen romantisch überhöhten Film drehen, der genau dieses idealisierte Sommerflair beinhaltet. München ist dafür mit seinen Renaissancebauten, die wie gesagt auch in gewissen italienischen Städten stehen könnten, perfekt für uns gewesen. Das Ziel war, auch im Sinne der Geschichte, München als dritte Protagonistin zu sehen und diesen Sommertag als fast schon zu schön, um wahr zu sein, darzustellen.

Außergewöhnlich ist euer Format – warum habt ihr das gewählt? Welche weiteren visuellen Aspekte waren euch wichtig?

Wir haben prinzipiell auf Scope gedreht, aber haben uns 2:1 immer offen gehalten. Im Endeffekt ging es darum mit dem etwas ungewohnten Format den Erinnerungscharakter des Films hervorzuheben und das breitere Format diente auch dazu die Stadt besser in die Bilder integrieren zu können. Die Entscheidung für 2:1 anstatt von Scope fiel dann letztlich im Schnitt, weil Scope die Figuren doch sehr weit auseinanderzieht und wir das Gefühl hatten, es wäre für die Geschichte gut, wenn die Figuren im Sinne der Liebesgeschichte doch noch etwas näher zusammenrücken würden.

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Wichtig waren uns die, wie wir sie genannt haben, poetischen Details (das Fußzittern, die Kuchen, die Gedichte, die Spielautomatenknöpfe, die Motivliste, die Kamera beim Film auslegen etc.), weil das für uns den ganzen Komplex von Erinnerungen gut darstellte. Man erinnert sich, wenn man verliebt ist, eben an kleinste Details. Ebenso wichtig waren uns die atmosphärischen Zwischensequenzen, die in Totalen das städtische Gefühl und das Gefühl der Beiden einfangen. Dort gibt es dann auch die Analogfotos und die Musik dazu. Der Safe-Space der Geschichte waren aber sicherlich die Gesprächssituationen, in denen wir den Darstellerinnen oftmals auch mit klassischem Schuss/Gegenschuss den Raum für ihr Spiel ließen.

Kannst Du mir mehr über die Musik- und Bandauswahl erzählen?

Der Schlusssong „We Move“ ist von der Band Aze aus Wien. Die hab ich auf einem Konzert im Milla in München kennengelernt und mir war klar, dass der Song für das Ende perfekt wäre. Ich habe sie dann angeschrieben und zum Glück fanden sie die Idee toll und haben mir ihr Ja gegeben. „1001 Nacht“ (das Lied in der Kneipe), wird dort tatsächlich im echten Leben auch oft gespielt und musste für mich rein, weil ich es liebe, wenn Filme so kleine ironische Kommentare zu ihrer Geschichte abgeben. Es passt ja perfekt zum Struggle von Eli. Die barock angehauchte Klaviermusik ist gemeinsam mit dem Komponisten Ege Ateslioglu entstanden. Uns war klar, dass es sich um eine subtile Form der Musik handeln sollte. Die erste Version war schon großartig und dann hat Ege mit mir noch daran gearbeitet, dass sie genau die Stimmung zwischen Melancholie und Heiterkeit trifft, die die Geschichte braucht.

Euer Cast ist sehr gut gewählt – wie habt ihr eure Darstellerinnen gefunden?

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Danke, das finde ich auch! Julia Windischbauer kannte ich von einem Dreh in Linz für einen Kurzfilm, bei dem ich das Drehbuch mitgeschrieben habe. Ihr hab ich mein Buch relativ früh geschickt und sie war zum Glück relativ schnell dabei, was mich sehr gefreut hat. Julia warf dann als Vorschlag auch Franziska von Harsdorf in den Ring, die ich witzigerweise parallel schon als Wunschkandidatin für die Rolle von Stella auf dem Zettel hatte.

Kannst Du mir noch etwas mehr von Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?

Ich studiere seit 2019 Drehbuch an der HFF in München. Zuvor habe ich einen Bachelor in Soziologie gemacht. An die HFF gekommen bin ich eher über das literarische Schreiben. Ich habe z.b. 2018 die BR PULS Lesereihe mit meiner Kurzgeschichte „Wer schmust ist fix zam“ gewonnen. Auch habe ich zuvor in der Post-Punk Band „ENDLICH RUDERN“ gespielt. Die Liebe zum Regieführen und zum Drehbuchschreiben und das Bedürfnis das ein Leben lang machen zu wollen, wuchs dann tatsächlich rasant während des Studiums.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ich habe gerade die vierte Fassung meines Langspielfilms „Alice im Lonelyland“ fertig gestellt. Es geht in dem Buch um die Erfahrung von junger Einsamkeit, wenn man zum ersten Mal zum Studium in die Großstadt zieht. Es ist eine märchenhafte, absurde Generationenstudie der GenZ und Millenials. Der Film ist ein absolutes Herzensprojekt und ich bin sehr darauf aus, dass das einmal mein Debütfilm sein wird. Außerdem arbeite ich an einem Mini-Serienkonzept, das die Frage stellt, welche Konflikte auftreten wenn in besten Freundschaften plötzlich die Frage von Romantik, Sex und intimen Gefühlen auftaucht.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Das Zittern der Aale

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