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Buchkritik: Achtung, dieses Buch verführt. Denn es macht nicht nur Spaß, es zu lesen, sondern die kurzen Abhandlungen verleiten auch dazu, das jeweils thematisierte Buch zu verschlingen. Nur am Lektorat hat es leider gemangelt.
Hinter „Buchgeschichten“ steht ein starkes Konzept. Die Studenten vom Institut der Buchwissenschaften an der Uni Leipzig sollten je einen Essay von wenigen Seiten zu einem wichtigen Werk der Weltliteratur verfassen. Einfach den Inhalt herunterleiern, galt nicht. Jeder Student sollte die interessanteste Geschichte rund um das ausgewählte Buch finden. Da gibt es die Übersetzungsgeschichte der Pippi Langstrumpf, die durch die irrsinnig biedere Übertragung in Frankreich erst phänomenal floppte. Im Vordergrund für die Besprechung der Buddenbrooks steht Zahnweh. Solche ungewöhnlichen Zugriffe lassen den Leser mit Spannung schmökern, was ihn eigentlich vielleicht abgestoßen hätte. Olle Schullektüre trifft auf geballte Erotik wie das Kamasutra oder die wunderbare Miss Marple. Es geht einmal quer über den Globus und durch die Geschichte.
Das alles macht „Buchgeschichten“ zu einem Werk, das jedem Buchliebhaber das Herz hüpfen lässt. Rundum gelungen ist der 500 Seiten starke Wälzer aber leider nicht. Das liegt an der einzigen Schwachstelle im Konzept sowie am fehlenden Lektorat. Denn auch wenn man von Buchwissenschafts-Studenten größere Sorgfalt bei der Rechtschreibung erwarten könnte, sind Menschen nun eben nicht perfekt. Da passiert es schon mal, dass man den Satz umstellt und vergisst, das nicht mehr nötige Verb herauszunehmen. Oder der verworfene Satzanfang noch stehenbleibt. Im Buch sollte das Ganze natürlich nicht erscheinen. Tut es aber. Schon beim Inhaltsverzeichnis gibt es Tippfehler, endet eine Seite mit einer Zwischenüberschrift. Letzteres wird vielleicht nur den Profi stören. Wenn bei einem Wort die Schriftgröße wechselt, ist das schon auffälliger. Oder wenn ausgerechnet in der Überschrift ein Buchstabe im Autorennamen fehlt.
Das ist das eine Manko. Das andere liegt in den unterschiedlich starken Fabulierkünsten der Studenten. Die einen tun sich offenbar noch etwas schwer mit dem wissenschaftlichen Arbeiten. Die anderen scheinen nichts anderes als das zu beherrschen und haben einen entsprechend trockenen Stil, bei dem jeglicher Enthusiasmus ausbleibt. Auch diese Unterschiede in der Qualität von Inhalt und Ausdruck hätte eine bessere Betreuung der Studenten durch einen Lektoren oder etwas Ähnliches einebnen können. Bleibt zu hoffen, dass irgendwann eine verbesserte Neuauflage erscheint. Dann wären dem Buch aus dem Leipziger Verlag Edition Hamouda fünf Punkte sicher.
Der Aufbau ist wiederum genial. Alle Essays wurden in Rubriken von A wie Altvertraut bis Z wie Zensiert eingeordnet. Der Don Quichote hat die Kategorie Q ganz allein für sich. In anderen stecken bis zu fünf Essays. Dadurch ergeben sich bunte Themenfelder, die der Leser ganz nach Geschmack durchforsten kann.
Fazit: „Buchgeschichten“ ist ein Buch, das viel Freude bereitet. Vor allem dann, wenn man über kleinere Schwächen beim Satz (umgangssprachlich: Druckfehler) und Stil hinwegsehen kann. Es gibt genügend Abhandlungen, die das mit Leidenschaft, gut recherchierten Informationen und großartiger Erzähllust wettmachen.
Bewertung: 4/5
Geschrieben von Katrin Mai
Ein Gedanke zu “Buchgeschichten. Wege zur Weltliteratur”