„The Peanut Butter Falcon“ (2019)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Filme über Behinderte besitzen oft was sehr Schweres oder Verkopftes. Zu oft sind sie zu vorsichtig und Mitleid spielt eine große Rolle. Einer der Filme, welcher dieses Schema schon einmal durchbrach, war der deutsche Film „Die Goldfische“ von Alireza Golafshan. Der amerikanische Independent-Film „The Peanut Butter Falcon“, der gleich nach dem Start für Furore sorgte und schnell das Dreifache seiner Produktionskosten wieder rein hatte, schlägt in die gleiche Kerbe und schuf zugleich einen warmherzigen Wohlfühl-Film.

Zak (Zack Gottsagen) hat das Down-Syndrom und weil der Staat zur Zeit keinen anderen Platz hat, wo er ihn unterbringen kann, lebt er seit zwei Jahren in einem Altersheim. Doch Zak weiß genau, wo er sein will: In Ayden in der Wrestling-Schule seines Helden Salt Water Redneck (Thomas Hayden Church). Sein Zimmergenosse Carl (Bruce Dern) verhilft ihm eines Tages zur Flucht. Draußen in der sumpfigen Wildnis drängelt er sich Tyler (Shia LaBeouf) auf, der selbst vor seinem alten Leben davonrennt, und überzeugt ihn, ihn nach Ayden zu bringen. Auf ihrem Weg lernen sie sich näher kennen und auch als die Betreuerin Eleanor (Dakota Johnson) sie einholt, weichen sie nicht von ihrem Plan ab.

Zachary Gottsagen und Shia LaBeouf

Die beiden Regisseure Mike Schwartz und Tyler Nilson, die bisher Dokumentationen und Kurzfilme gedreht haben, schrieben für ihr Spielfilmdebüt gemeinsam das Drehbuch. Ihre Geschichte basiert erfrischenderweise nicht auf einer wahren Begebenheit, sondern erzählt ein klassisches Roadmovie gepaart mit einem Buddy-Movie. Dabei verwenden sie alle Elemente, die zu beiden Genre dazu gehören und bringen das ungleiche Paar Stück für Stück zusammen. Was die Geschichte, trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit so sympathisch macht, ist die Bodenhaftung. Natürlich kann der Film nicht jedes Klischee meiden und möchte die Zuschauer auch nicht um ein Happy End bringen, aber das reale Leben scheint immer wieder durch. Dabei wird nicht nur das Leben für Behinderte mit all seinen Hürden und Demütigungen gezeigt, sondern auch ein Portrait einer Gesellschaft gezeichnet, in der nicht alle mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. Dank dieser Ausflüge abseits des Gespanns, sei es um die Thematisierung des lebensnotwendigen Fischens oder das Portrait des gealterten Wrestler, besitzt der Film einen wunderbaren eigenen Charme. Besonders erwähnenswert ist der herzhafte, unsentimentale Umgang mit dem Thema Behinderung und so schafft es der Film hinter die offensichtliche Andersartigkeit zu schauen ohne jemals stark zu moralisieren. Dadurch entstand ein unterhaltsames, herzerwärmendes Buddy-Movie, welches stark von Mark Twain inspiriert zu sein scheint.

Shia LaBeouf und Dakota Johnson

Diese Verbindung liegt auch an der Ansiedlung der Geschichte im amerikanischen Hinterland. Die Sumpflandschaften im Osten Amerikas bieten die perfekte Kulisse für die Odyssee der beiden. Das nutzt der Film mannigfaltig aus und führt sie übers Meer, durch Flüsse, Sümpfe, Felder und heruntergekommene Städte. Man begleitet die beiden gerne auf ihre Reise, denn trotz einem innewohnenden Realismus-Anspruchs findet der Film wunderschöne Bilder. Dazu passt wunderbar die ausgewählte Musik, die sich bei den Genres Bluegrass, Folk-Musik und Spirituals bedient. Jene Songs hatten die beiden Regisseure beim Schreiben des Drehbuchs gehört und sie passend eingebaut. Dass man bei diesem Abenteuer gern dabei wäre, liegt auch am Ensemble. Allen voran Zak Gottsagen. Der 34-jährige mit Down-Syndrom-geborene Schauspieler steht seit Kindheitstagen auf der Bühne und spielt Zak mit der richtigen Portion Aufrichtigkeit. Die Rolle wurde ihm auch direkt auf den Leib geschrieben, nachdem die beiden Filmemacher Nilson und Schwartz ihn bei einem Schauspielerworkshop kennengelernt hatten. Für die beiden anderen Hauptdarsteller Shia LaBeouf („Transformers“-Reihe (2007-2011)) und Dakota Johnson („50 Shades of Grey“-Reihe (2017-2918)) war es die perfekte Gelegenheit sich von ihrem alten Image freizuspielen. Vor allem LaBeouf, der mit seiner Filmauswahl bisher kein glückliches Händchen hatte und schauspielerisch wenig überzeugte, zeigt hier, dass er auch die leisen Töne kann. Erfrischend unprätentiös ist sein Spiel und stellt seinen Karrierehöhepunkt dar. Großartig sind auch die Nebenrollen: Neben dem wunderbaren Bruce Dern („Nebraska“ (2013)) kann man hier auch Thomas Hayden in einer tragikomischen Rolle als alternden Wrestler sehen. Das Ensemble wird unterstützt von professionellen Wrestlern wie dem dreifachen WWF World Heavyweight-Champion Mick Foley oder Jake Roberts. Auch der Rapper Yelawolf hat eine Rolle in dem Film. Im Gesamten funktioniert das klassische Buddy-Movie einfach besonders gut durch seine atmosphärische Dichte und die wunderbar harmonierende Schauspielerriege.

Zachary Gottsagen und Shia LaBeouf

Fazit: Der Spielfilm „The Peanut Butter Falcon“ ist das Debüt des Regie-Gespanns Mike Schwartz und Tyler Nilson. Er erzählt nach einem eigenen Drehbuch eine klassische Buddy-Roadmovie-Wohlfühlkomödie mit einem unvermeidlichen Happy End. Aber darüber hinaus schafft es der Film seine Figuren in der Realität zu verankern, das Thema Behinderung nicht zu problematisieren und mit den richtigen Drehorten, der gut ausgewählten Musik und seiner Darstellerriege zu überzeugen.  

Bewertung: 7/10

Kinostart: 19.12.2019 / DVD-Start: 24.04.2020

Trailer zum Film „The Peanut Butter Falcon“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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