30. Internationales Filmfest Oldenburg 2023

Doreen Kaltenecker
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13.-17. September 2023 / Casablanca Kino, Cine K, theater hof/19, Staatstheater Oldenburg

Festivalbericht: In diesem Jahr feierte das Internationale Filmfest Oldenburg, das sich auf weltweite Independent-Filme spezialisiert hat, einen runden Geburtstag. Weiterhin frei nach dem Motto ‚Find your wild‘ mitsamt einer Katze als Maskottchen fand die 30. Ausgabe vom 13. bis 17. September 2023 in der niedersächsischen Stadt Oldenburg statt. Die Leitung übernahm wieder Torsten Neumann und es wurden insgesamt 47 Lang- und Kurzfilme aus 16 Ländern gezeigt und sechs Preise vergeben. Zudem gab es auch in diesem Jahr zwei Tributreihen für die Regisseurin und Schauspielerin Isild Le Besco sowie die Produzentin Jen Gatien.

Internationale Reihe

In der Internationalen Reihe konnte man zehn Spielfilme und auch eine Dokumentation sowie einen Animationsfilm aus sechs verschiedenen Ländern sehen. Drei Filme stachen besonders hervor. Der erste war ein Spielfilm der Regisseurin Carolina Markowics, die bereits mit ihren Kurzfilmen wie „O Órfão“ (2018), überzeugen konnte. In ihrem Langfilmdebüt „Charcoal“, der hier seine Deutschlandpremiere feierte, nahm sie das Publikum mit in das ländliche Brasilien und zeigte anhand einer Familie die Probleme und Missstände des Landes auf, die sich teilweise durch Corona verschärft haben. Das gelingt ihr leichtfüßig und auch mit Humor. Zudem wurde der neueste Film Michel Gondrys („Vergiss mein nicht“ (2004), „Schaum der Tage“ (2013)) gezeigt. Acht Jahren hat sein neuester Film „The Book of Solution“ auf sich warten lassen. Er mokiert sich darin mit viel bissigem Humor über seine eigene Zunft. Der vermutlich beste Film des ganzen Festivals war der Film „Robot Dreams“: Der ohne Dialoge auskommende Animationsfilm von Pablo Berger erzählt von einer Freundschaft zwischen einem Roboter und einem Hund und wie es sich anfühlt, wenn man dann wieder allein ist. Die Geschichte basiert auf einer Graphic Novel und wurde hier in fantastische Filmbilder übersetzt,

Independent Reihe

Cassian Elwes von “Passenger C”

Die Independent-Reihe ist das Herzstück des Festivals, hier wurden zehn Filme aus sieben Ländern gezeigt. Der Eröffnungsfilm war in diesem Jahr die amerikanische Roadmovie-Komödie „Willie and Me“ von Eva Hassmann, die einen sehr speziellen Humor besaß, aber auch Größen wie Peter Bogdanovich und Willie Nelson vor die Kamera holte. Unter den Filmen wurden auch vier Preise vergeben. Der German Independence Award For Best Film ging an den Film „In the Blind Spot“ von Ayşe Polat, die zwei Schauspieler:innen-Ehrungen (Seymour Cassel Acting Awards) gingen an Alexandrea Meyer in „Beautiful Friend“ und Jon Jacobs in „Passenger C“. Den Hans Ohlms Preis für den Besten Debütfilm erhielt der japanische Film „From Dawn Till Noon on the Sea“ von Takayuki Hayashi. Er erzählt darin an Hand dreier Figuren von der Einsamkeit und den Gedanken von Menschen, die sich nicht so richtig ins gesellschaftliche System einfügen wollen oder können. In dem Programm gab es noch weitere spannende Filme zu entdecken. So konnte man u.a. in „The Wait“ von F. Javier Gutiérrez einen wilden Stilmix aus Western, Drama und Horror sehen. Besonders stark im Gedächtnis blieben die beiden Filme „Behind the Haystacks“ und „Heavier is the Sky“, die sich eindringlich mit dem Thema Flucht auseinandersetzen. Der erste Film der griechischen Filmemacherin Asimina Proedrou berichtet von der Flüchtlingskrise in Südeuropa und schafft es, anhand dreier Perspektiven das Leben an der EU-Außengrenze hautnah einzufangen. Der zweite Film aus Brasilien von Petrus Cariry erzählt von zwei Menschen, die nicht wissen wohin, da ihre Heimat geflutet wurde. Der Film erzählt zugleich von den Missständen im Land und dem täglichen Überlebenskampf der beiden Protagonist:innen.

Midnite Express

Tohjiro und Shiomi Aya von “Shura: Sisters of the Rope”

In der Reihe ‚Midnite Express‘, deren Vorstellungen auch gern exakt um Mitternacht beginnen, tummelte sich auch in diesem Jahr wieder ein bunter Genremix. Sei es der Gewinner des German Independence Award – Publikumspreis The Belgian Wave“ von Jérôme Vandewattyne oder das pornographische Bondagedrama aus Japan: „Shura – Sisters of the Rope“. Zwei Filme in diesem Programm verdienen besondere Beachtung: Zum einen die gute Laune verbreitende Dokumentation „Enter The Clones of Bruce“, welche die Filmgeschichte der sogenannten Bruce-Lee-Filme aufrollt. Doch besonders begeistern konnte der französische Animationsfilm „Mars Express“ von Jérémie Périn. Angesiedelt zwischen „Blade Runner“ (1982) und „Ghost in the Shell“ (1995) erschuf er eine komplexe Science-Fiction-Welt, die erst nach und nach alles ans Licht befördert. Ein charmanter, temporeicher und spannender Film, der sich mit zukunftstechnologischen Fragen genauso auseinandersetzt wie mit dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz. 

Kurzfilmprogramm 

Sunday-Shorts

Obwohl sich das Oldenburger Filmfestival klar auf Langfilme spezialisiert hat, bekommt auch der kurze Film seine Bühne – sei es als Vorfilm oder in dem sehr gut besuchten Programm ‚Sunday Shorts‘. Insgesamt wurden elf Filme gezeigt und der spanische Kurzfilm „When Grass Grows“ von María Monreal wurde mit dem German Independence Award – Bester Kurzfilm ausgezeichnet. In nur drei Minuten erzählt sie eine witzige Geschichte von zwei jungen Freundinnen, die mit dem Publikum ihre Weltsicht teilen. Weiterhin konnte man die gelungene Komödie „Grill“ von Jade Hærem Aksnes entdecken, die mit ein paar witzigen Ideen den Irrsinn von Geldproblemen in Zeiten ständigen Kostensteigerungen einfängt. Besonders eindrucksvoll war der Kurzfilm „Invincible“ von Vincent René-Lortie, der darin mit eigenen Erfahrungen im Gepäck von einem 14-jährigen Teenager erzählt, der es nicht schafft, sich zu integrieren und sich immer weiter von den Menschen, die ihn lieben, entfernt. 

Kino Casablanca

Fazit: Die Jubiläumsausgabe des Oldenburger Filmfestival hatte wieder eine gelungene Mischung aus weltweiten Independent-Produktionen zu bieten. Man konnte als Zuschauer:in Filme entdecken, die mit Sicherheit Kultstatus erreichen oder ins deutsche Kino kommen werden, aber auch jene, die man bestimmt kein zweites Mal zu Gesicht bekommt. So wurde man immer wieder überrascht, vor allem, da das Festival konsequent viele Genres abdeckt und damit meist gut unterhalten kann.

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Trailer des 30. Internationalen Filmfest Oldenburg 2023:

Liste der im Beitrag erwähnten Filme:

  • „Beautiful Friend“ (OT: „Beautiful Friend“, USA, 2023, Regie: Truman Kewley)
  • „Behind the Haystacks“ (OT: „Píso apó tis Thimoniés“, Griechenland/Deutschland, 2022, Regie: Asimina Proedrou)
  • „Charcoal“ (OT: „Charcoal“, Brasilien, 2022, Regie: Carolina Markowics)
  • „Enter The Clones of Bruce“ (OT: „Enter The Clones of Bruce“, USA, 2023, Regie: David Gregory)
  • „From Dawn Till Noon on the Sea“ (OT: „From Dawn Till Noon on the Sea“, Japan, 2023, Regie: Takayuki Hayashi)
  • „Grill“ (OT: „Grill“, Norwegen, 2023, Regie: Jade Hærem Aksnes)
  • „Heavier is the Sky“ (OT: „Heavier is the Sky“, Brasilien, 2023, Regie: Petrus Cariry)
  • „In the Blind Spot“ (OT: „Im Toten Winkel“, Deutschland, 2023, Regie: Ayse Polat)
  • „Invincible“ (OT: „Invincible“, Kanada, 2022, Regie: Vincent René-Lortie)
  • „Mars Express“ (OT: „Mars Express“, Frankreich, 2023, Regie: Jérémie Périn)
  • „Passenger C“ (OT: „Passenger C“, USA, 2023, Regie: Cassian Elwes)
  • „Robot Dreams“ (OT: „Robot Dreams“, Spanien, 2023, Regie: Pablo Berger)
  • „Shura – Sisters of the Rope“ (OT: „Shura – Sisters of the Rope“, 2023, Japan, Regie: Tohjiro)
  • „The Belgian Wave“ (OT: „The Belgian Wave“, Belgien, 2023, Regie: Jérôme Vandewattyne)
  • „The Book of Solution“ (OT: „The Book of Solution“, Frankreich, 2023, Regie: Michel Gondry)
  • „The Wait“ (OT: „The Wait“, Spanien, 2023, Regie: F. Javier Guiterrez)
  • „When Grass Grows“ (OT: „When Grass Grows“, Spanien, 2022, Regie: María Monreal Ortano)
  • „Willie and Me“ (OT: „Willie and Me“, USA/Deutschland, 2023, Regie: Eva Hassmann)

Quellen:

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