Acht Fragen an Jade Hærem Aksnes

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit der norwegischen Filmemacherin Jade Hærem Aksnes konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „Grill“ erfahren, der auf dem 30. Internationalen Filmfest Oldenburg 2023 seine Weltpremiere feierte, wie ein Zeitungsartikel sie dazu inspiriert hat, warum sie sich trotz des realitätsnahen Stoffes für eine Komödie entschied und wie die Schauspielerin Birgitte Larsen ihre Rolle mitformen konnte.

The original english language interview is also available.

Die Idee kam Dir beim Lesen eines Zeitungsartikel, richtig? Kannst Du mir etwas mehr zur Entstehung des Films erzählen?

Ja, ich habe einen Artikel in einer norwegischen Zeitung gelesen, in dem es um eine Person ging, der das Sozialamt die Unterstützung für die Stromrechnung verweigerte – und ihr vorschlug, die Probleme vorübergehend zu beheben, indem sie sich einfach einen kostenlosen Grill auf einem Online-Marktplatz besorgt. Ich war empört über den Mangel an Einfühlungsvermögen, mit dem das System auf jemanden reagierte, der in finanziellen Schwierigkeiten steckte, was mich an „Lass sie doch Kuchen essen“ erinnerte. Also habe ich mich sofort daran gemacht, das Drehbuch für „Grill“ zu schreiben, in dem ich auf satirische Weise darstellen wollte, was passieren könnte, wenn jemand in einer solchen Situation tatsächlich den absurden Ratschlag befolgt, sich einen Grill zu holen. Ich habe das ganze Drehbuch an einem Tag geschrieben, es war einfach eine dieser Geschichten, die ‚aus einem heraussprudeln‘.

Angesiedelt in der harten Realität, die man nach dem letzten Inflations-Winter besonders gut verstehen kann, hast Du Dich trotzdem für eine Komödie entschieden? Warum war Dir der Zugang über Humor zu dem Thema wichtig?

Birgitte Larsen

Ich habe mich schon immer dazu hingezogen gefühlt, Humor zu verwenden, wenn ich ernste Themen behandle. Ich denke, Humor hat die Fähigkeit, die Herzen der Zuschauer sofort zu erreichen, und der Kontrast zwischen Lachen und Traurigkeit kann beides aufwerten und neue Perspektiven eröffnen. Ich glaube also, dass Humor uns dazu bringen kann, Fragen zu stellen, die wir sonst vielleicht nicht stellen würden. Bei diesem Projekt ergab sich der Einsatz von Humor von selbst, denn die reale Geschichte, die mich inspirierte, war so absurd, und die Absurdität, wie ein reiches Land mit Armut umgeht, war genau das, was ich untersuchen wollte.

Wie lange habt ihr gedreht und in welchem Rahmen ist Dein Film entstanden?

Wir haben vier Tage lang gedreht, und es war ein ziemlich hektischer Dreh mit vielen Drehorten, Fahrszenen und Statisten. Der Film wurde als professionelle, unabhängige Produktion mit Mitteln des Norwegischen Filminstituts, des Westnorwegischen Filmfonds, des norwegischen Kunstrats (Audio- und visueller Fonds) und der Fritt-Ord-Stiftung gedreht.

Was lag Dir visuell am Herzen?

Birgitte Larsen und Issaka Sawadogo

Es war mir wichtig, das Chaos und die Klaustrophobie zu visualisieren, die Taras Situation ausmachen. Da sie kein Geld hat und sich an niemanden wenden kann, ist sie gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die ihre Situation nur noch schlimmer machen. Durch die bewegte Kamera und den manchmal abgehackten Schnitt wollten wir erreichen, dass der Zuschauer dieses Gefühl des Chaos nachempfinden und mitfühlen kann. Und was die Klaustrophobie angeht, so haben wir durchgehend Vordergrundelemente verwendet, die Tara im Bild einschließen, so wie sie in der Situation gefangen ist. Da die Geschichte an sich eine absurde Prämisse hat (auch wenn sie von der Realität inspiriert ist), war es mir auch wichtig, ein Gefühl der Authentizität in der Bildsprache zu bewahren, um zu vermitteln, dass die schwierige Situation für Tara und andere, die finanziell zu kämpfen haben, sehr real ist.

Wie hast Du Deinen Cast zusammengestellt?

Birgitte Larsen (die die Hauptrolle spielt) kam mir schon beim Drehbuchschreiben in den Sinn – ich mochte ihre bisherigen Arbeiten einfach. Daher war ich absolut begeistert, als sie sich bereit erklärte, die Rolle der Tara zu übernehmen. Auch für die anderen Rollen wollte ich unbedingt erstklassige Schauspieler engagieren und habe viel Zeit damit verbracht, die beste Besetzung für jeden Charakter zu finden. Dass ich Issaka Sawadogo, einen international gefragten Schauspieler, engagieren konnte, war das Ergebnis einer Reihe sehr glücklicher Umstände. Ich bin einfach sehr dankbar, dass ich mit einer so wunderbaren Besetzung arbeiten konnte.

Wie hast Du die Figur der Tara erarbeitet – durfte die Schauspielerin sie selbst mitformen?

Birgitte Larsen und Grethe Selius

Tara ist eigentlich eine Figur, an der ich schon gearbeitet habe, bevor die Idee für „Grill“ entstand, denn sie ist auch die Hauptfigur in dem Spielfilm, den ich gerade entwickle. Ich glaube, dass die Schauspieler immer eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der von ihnen gespielten Charaktere spielen, und Birgitte Larsen hat eine Art, unerwartete Verhaltensweisen von Charakteren auf eine Weise glaubhaft zu machen, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe – was entscheidend war, damit Tara in „Grill“ funktioniert. Birgitte Larsen versteht es außerdem hervorragend, das Verletzliche mit dem Komischen zu verbinden. Also, ja, sie hat definitiv entscheidend dazu beigetragen, Tara in „Grill“ zu formen.

Kannst Du mir noch ein bisschen mehr von Dir und wie Du zum Film gekommen bist erzählen?

Nun, ich wurde in die Welt des Filmemachens hineingeboren, da meine Eltern beide Filmemacher sind. Und ich war 17 Jahre alt, als ich beschloss, selbst Filmemacherin zu werden, nachdem ich bei den Dreharbeiten zum Film meiner Eltern mitgearbeitet hatte und die Teamarbeit beim Erzählen einer Geschichte ganz wunderbar fand. Also machte ich meinen Bachelor in Filmregie an der Universität von Bergen, bevor ich in das Master of Fine Arts in Directing-Programm am American Film Institute Conservatory in Los Angeles aufgenommen wurde, wo ich die intensivsten Jahre meines Lebens verbrachte – in nur zwei Jahren sammelte ich gefühlte zehn Jahre Erfahrung im Filmgeschäft.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ja, ich entwickle derzeit meinen ersten Spielfilm „Happy for you“ (Arbeitstitel) mit Unterstützung des Talentprogramms NEO des Norwegischen Filminstituts. Darin geht es um die gleiche Hauptfigur wie in „Grill“, Tara, aber in einer anderen Geschichte. Ich werde diese Geschichte vorerst noch nicht verraten, ich kann nur sagen, dass ich mich sehr darauf freue, sie zum Leben zu erwecken.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Grill


Interview: In our interview with Norwegian filmmaker Jade Hærem Aksnes, we were able to learn more about her short film “Grill“, which celebrated its world premiere at the 30th Oldenburg International Film Festival in 2023, how a newspaper article inspired her to make it, why she chose to make it a comedy despite the material being so close to reality, and how actress Birgitte Larsen helped shape her role.

The idea came to you while reading a newspaper article, right? Can you tell me a bit more about the making of the film?

Yes, I read an article in a Norwegian newspaper about a person being denied electricity bill support by Social Services – who suggested the problems could be temporarily fixed by simply getting a free grill at an online marketplace. I was outraged by the lack of empathy in the system’s response to someone who struggled financially, which felt reminiscent of “Let them eat cake”. So I immediately sat down to write the script for “Grill“, where I wanted to take a satirical approach to what could happen if someone actually followed the absurd advice to go and pick up a grill in such a situation. I wrote the whole script in one day, it was just one of those stories that “pour out of you”.

Set in the harsh reality that one can understand especially well after the last inflation winter, you nevertheless decided to make a comedy. Why was it important to you to approach the subject through humor?

I’ve always been drawn to using humor when exploring serious themes. Humor has the ability to instantly reach the audience’s hearts, I think, and the contrast between laughter and sadness can elevate both and offer new perspectives. So I believe humor can make us ask questions that perhaps we wouldn’t otherwise. For this specific project, using humor came automatically, because the real story I was inspired by was so absurd, and the absurdity in how a rich country deals with poverty was precisely what I wanted to explore.

How long did you film for and in what context was your film made?

We filmed for 4 days, and it was a fairly hectic shoot with many locations, driving scenes and extras. The film was made as a professional independent production with funding from the Norwegian Film Institute, Western Norway Film Fund, Arts Council Norway (Audio and Visual Fund) and The Fritt Ord Foundation.

What was visually important to you?

It was important to me to visualize the chaos and claustrophobia that is Tara’s situation. With no money, and nowhere left to turn, she is forced to make decisions that just make the situation worse for her. By having a moving camera and at times choppy editing style, our goal was to make the audience feel and empathize with that sense of chaos. And as for the claustrophobia, we used foreground elements throughout, trapping Tara in the frame the way she is trapped in the situation. Because the story in itself has an absurd premise (although inspired by reality), it was also important to me to maintain a sense of authenticity in the visual language, to convey that the difficult situation for Tara, and others who struggle financially, is very real.

How did you put together your cast?

Birgitte Larsen (who plays the lead) came to mind as early as the screenwriting process – I just loved her previous work. So I was absolutely thrilled when she agreed to take on the role as Tara. I was adamant about getting top notch actors for the other parts as well, and spent a lot of time looking for the best fit for every character. Being able to cast Issaka Sawadogo who is an internationally sought-after actor was the result of a series of very fortunate events. I’m just really grateful for being able to work with such a wonderful cast.

How did you develop the character of Tara? Was the actress Birgitte Larsen allowed to help shape her herself?

Tara is actually a character I started working on even before the idea for “Grill” was conceived, as she is also the main character in the feature film I’m currently developing. I believe the actors always play a vital role in shaping the characters they play, and Birgitte Larsen has a way of making unexpected character behavior believable in a way I’ve never experienced before – which was essential to make Tara work in “Grill“. Birgitte is also brilliant at combining the vulnerable and the funny. So yes, she has definitely been crucial in shaping Tara in “Grill“.

Can you tell me a bit more about yourself and how you came to film?

Well, I was born into a world of filmmaking, both my parents being filmmakers. And I was 17 years old when I decided I wanted to go into filmmaking myself, after having worked on my parents’ film shoot and finding the team effort to tell a story completely wonderful. So I did my undergrad in film directing at the University of Bergen, before being accepted into the Master of Fine Arts in Directing program at the American Film Institute Conservatory in Los Angeles, where I had the most intense years of my life – getting what felt like ten years of filmmaking experience in only two.

Are there already new projects planned?

Yes, I’m currently developing my first feature film “Happy for you” (working title) with funding from the Norwegian Film Institute’s talent program NEO. It features the same main character as in “Grill“, Tara – but in a different storyline. I’ll keep that story under wraps for now, all I can say is I’m really excited about bringing it to life.

Questions asked by Doreen Kaltenecker

Read on the german review of the short film “Grill

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