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Die 22-jährige Deutsch-Kurdin Elaha (Bayan Layla) steht kurz vor ihrer Hochzeit mit Nasim (Armin Wahedi Yeganeh). Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Doch ein Thema drängt sich bei der jungen Frau in den Vordergrund. Die Community und auch die Familie erwarten, dass sie als Jungfrau in die Ehe geht. Wie alle um sie herum, ist sie aber eine junge, moderne Frau, die selbstverständlich schon Sex hatte. Doch ihre zukünftigen Schwiegereltern wünschen sich sogar einen Nachweis über das unversehrte Hymen. Also schiebt Elaha mehr Schichten in der Wäscherei, um sich eine Wiederherstellung leisten zu können, um sich und ihre Familie nicht zu blamieren.
Die Regisseurin Milena Aboyan, die zusammen mit Constantin Hatz das Drehbuch geschrieben hat, erzählt eine Geschichte aus dem Herzen Deutschlands und gibt einen Einblick in die kurdische Community, den viele Ausstehende so noch nicht hatten. Sie machte mit diesem Langfilm ihren Abschluss an der Filmakademie Baden-Württemberg und schaffte es damit gleich zur Berlinale in der Sektion ‚Perspektive Deutsches Kino‘. Eindringlich schildert sie in 110 Minuten die Situation, in der sich Elaha befindet. Sie ist eine moderne junge Frau, die aber gleichzeitig auch die Familie liebt und die Traditionen schätzt. Der Film fragt indirekt, wie das zusammen funktionieren kann, und welche Auswege sich aus solchen Situationen ergeben. Aber Aboyan geht noch einen Schritt weiter und stellt im Großen die Frage nach der Entfaltung von Weiblichkeit und Frauen in patriarchalischen Strukturen. Wie kann man Gleichberechtigung und Selbstermächtigung in Strukturen und Systemen erreichen, wo Traditionen und manche Regeln längst schon veraltet sind? So gibt die Regisseurin gleichzeitig eine gelungenen Einblick in diese spezifische Community, eröffnet gleichzeitig aber den Diskussionsraum für globale Themen.
Der Inszenierungsstil ist beinahe dokumentarisch. Die Locations, die Innenräume und alle Außenaufnahmen sind direkt aus dem Berliner Leben gegriffen. Diesen Wert auf Authentizität merkt man auch dem Kameraeinsatz, den Dialogen und der Wahl der Schauspieler:innen an. Allen voran Bayan Layla als Elaha, die ihre Figur mit so viel Lebendigkeit und Echtheit einfängt, dass man sich, auch wenn man nicht mit all ihren Gedanken konform geht, sofort auf ihre Seite schlägt. Diese Besetzung ist der absolute Glücksgriff für den Film. Nach dem Verlassen des Kinos denkt man noch lange über den Film nach.
Fazit: „Elaha“ ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin Milena Aboyan, die hier im authentischen Setting aus dem Herzen der deutsch-kurdischen Community erzählt. Mit viel Ehrlichkeit und einer fantastischen Hauptdarstellerin schafft sie es, den emotionalen Spagat zwischen Moderne und Traditionen ebenso einzufangen, wie die richtigen Fragen nach Weiblichkeit in patriarchalischen Strukturen zu stellen.
Bewertung: 8/10
Kinostart: 23. November 2023
Trailer zum Film „Elaha“:
geschrieben von Doreen Kaltenecker
Quellen:
- 73. Internationale Filmfestspiele Berlin 2023 – Katalog (Programm ‚Perspektive Deutsches Kino 2023‘)
- Lida Bach, ‚Elaha‘, moviebreak.de, 2023
- Maxi Braun, ‚Kritik zu Elaha‚‘, epd-film.de, 2023
- Eintrag des Films „Elaha“ beim Camino Filmverleih
- Sophie Charlotte Rieger, ‚Berlinale 2023: Elaha‘, filmloewin.de, 2023
- Julia Haungs, ‚„Elaha“ von Milena Aboyan bei der Berlinale – Mythos Jungfernhäutchen‘, swr.de, 2023
- S.74-75: Maxi Braun „Elaha“