“Anomalisa” (2015)

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© 2015 Paramount Pictures. All Rights Reserved.

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Filmkritik: Der Amerikaner Charlie Kaufman (*1958) zeichnete sich in seiner bisherigen Karriere vor allem als Drehbuchschreiber aus. Er schrieb die Bücher zu den Spike Jonzes-Filmen “Being John Malkovich” (1999) und “Adaption – Der Orchideen-Dieb” (2002) sowie zu dem bekannten Michael Gondry-Film “Vergiss mein nicht” (2004), für welchen er einen Oscar erhielt (Kategorie “Bestes Original-Drehbuch“). Sein Debüt als Regisseur feierte er mit dem Film “Synecdoche, New York” (2008). Sieben Jahre später erscheint nun sein zweiter Film als Regisseur: Der Animationsfilm “Anomalisa” (OT: “Anomalisa”, US, 2015) ist zwar von ganz anderer Machart als die bisherigen Spielfilme, aber trotzdem als ein kaufmanesker Film klar erkennbar.

Michael Stone (im Original gesprochen von David Thewlis) ist ein beliebter Motivationsredner und tourt mit seinen Vorträgen durchs Land. Nur sich selbst kann er nicht zur Lebensfreude motivieren. Alle Menschen – auch seine zu Hause gebliebene Frau und sein Kind – erscheinen ihm gleich und eintönig. Als er mal wieder auf Geschäftsreise ist, versucht er alles, um sein Leben zu bereichern. So setzt er alle Hoffnungen in ein Treffen mit einer Ex-Geliebten. Doch erst als er Lisa (Stimme: Jennifer Jason Leigh) kennenlernt, hat er das Gefühl der grauen Welt und seiner Melancholie entkommen zu können.

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Die Grundlage für die Geschichte bildete ein Hörspiel von Francis Fregoli. Dieser Name stellte sich bald als Pseudonym von Charlie Kaufman heraus und bezieht sich auf das Fregoli-Syndrom. Das ist ein Symptom der Schizophrenie, bei dem Betroffene denken, dass sich die Menschen in ihren Umfeld optisch verändert haben. Dieses Hörspiel wurde zusammen mit dem Komponisten Carter Burwell als Theaterstück umgebaut und in Los Angeles mit den Schauspielern David Thewlis, Jennifer Jason Leigh und Tom Noonan aufgeführt. Bei einer Vorstellung befand sich im Publikum auch ein Produzentenehepaar, welches sich die Geschichte auch filmisch gut vorstellen konnte. Daraufhin entwickelte Kaufman ein Drehbuch, welches sich sehr am Stück orientiert, da sich die Vorlage – nach eigenen Aussagen – wunderbar in die Animation übertragen ließ. Es mussten aber natürlich weitere vor allem visuelle Elemente eingebunden werden. Zusätzlich sammelte er in einer Crowdfunding-Kampagne das Startkapital für diesen Film. Als nächsten Schritt tat er sich mit dem Animateur Duke Johnson zusammen. Dieser hatte bisher Kurzfilme und Serien in Animationsoptik realisiert.

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Gemeinsam schufen Kaufman und Johnson einen Stop-Motion-Film, in dem 30cm große Puppen zum Leben erweckt wurden. Auf der einen Seite legten sie viel Wert drauf, dass alles sehr echt aussah, vor allem bezüglich der Ausstattung und der Spielorte. Zum anderen wollten sie das Material nicht verleugnen und ließen so die Nahtstellen auf den Figuren erkennbar, welche in anderen Animationsfilmen immer wegretuschiert werden. Auf diese Weise entstand ein ganz eigener Look. Der Film wirkt von der Geschichte und von der Ausstattung sehr realistisch, aber die Puppen selbst und ihre teils stockenden Bewegungen lassen den Zuschauer stets wissen, dass es ein Puppenfilm ist. Dies steht im starken Kontrast zu den Themen des Films. Normalerweise sind Animations- und Stop-Motion-Filme familiengerechte Unterhaltungsware, doch in “Anomalisa” geht es um die großen Themen wie Einsamkeit, Isolation und Depression. Es ist die Suche eines melancholischen Mannes nach Verbindung. Wenn man sich das Oeuvre Kaufmans genauer anschaut, erkennt man diese universellen Themen immer wieder in seinem Schaffen. So ist auch sein neuester Film eine Art Psychostudie, die mit einer witzigen Idee zur Versinnbildlichung der Probleme Michaels daherkommt. Diese Metapher ist für alle leicht verständlich und macht seine Misere deutlich. Im Gesamten bleibt “Anomalisa” im Gedächtnis. Es kann mit einem neuerartigen Puppenanimations-Look, vielen Details und einem hervorragenden, wenn auch sparsamen Musikeinsatz überzeugen. Besonders gelungen ist die Auswahl der Stimmen. Die Puppen werden von den Schauspielern, die auch auf der Bühne das Stück zum besten gegeben haben, sehr gut zum Leben erweckt. (Hier wäre eine stimmige deutsche Synchronisation sehr wünschenswert.)

Fazit: Der Animationsfilm “Anomalisa” erzählt mit ungewöhnlichen Mitteln von gewöhnlichen Problemen und besticht dabei zwar nicht mit sympathischen, aber mit realistischen Figuren. Der zweite Film Charlie Kaufmans ist ein Animationswerk der anderen Art und hat damit gute Chancen auf die begehrte Oscartrophäe.

Bewertung: 7,5/10

Kinostart: 21.01.2016

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

Ein Gedanke zu ““Anomalisa” (2015)

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