„Gerichtszeichner“ (2018)

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Kurzfilm / Deutschland / Animationsfilm / 2018

Filmkritik: Der bekennende Kurzfilmliebhaber Jochen Kuhn schafft seit vielen Jahren im Alleingang wunderbare Werke und konnte auch mit seinem neuesten Film „Der Gerichtszeichner“ auf dem DOK Leipzig die Zuschauer in den Bann ziehen.

Ein scheinbar normaler Tag am Gericht für einen Gerichtszeichner. Doch der behandelte Fall von einem Mann, der Menschen, darunter auch Kindern, im Namen eines Gottes Ohren abschneidet, entwickelt sich unvorhersehbar. Aus einem anfänglich religiösen Bekenntnis entwickelt sich schnell ein Tumult und der Gerichtszeichner ist mittendrin.

Der deutsche Filmemacher und Künstler Jochen Kuhn, geboren 1954 in Wiesbaden, macht seit Jahren immer wieder Kurzfilme mit Brisanz, Humor und in einem wiedererkennbaren Stil. „Der Gerichtszeichner“, der seine Europa-Premiere auf dem 61. DOK Leipzig feierte, beschäftigt sich mit religiösem Wahn. Trotz der absichtlichen Tendenz zur Übertreibung zeigt er, wie schnell sich eine vermeintlich ungefährliche Bewegung ins Gegenteil verkehren kann. Trotz des übersteigerten Gewands und einer guten Portion Humor verschleiert der Film seine Kritik nicht, sondern regt das Publikum zum Mitdenken und Nachdenken an. Das gelingt ihm gerade auch durch die anfängliche Irritierung, vor allem, wenn man sich gerade auf einem Dokumentarfilmfestival befindet, ob die Geschehnisse nicht wahrhaft passiert sein könnten.

Seine Geschichte erzählt Jochen Kuhn in einem kleinen Gesamtkunstwerk. Wie schon in seinem Film „Sonntag 3“, der 2013 zu den Nominierten für den Europäischen Kurzfilmpreis gehörte, übernimmt er in seinen Filmen nicht nur die Regie und das Drehbuch, sondern fertigt auch die Zeichnungen an, spricht den Text ein und komponiert die Musik. Der studierte Künstler hat mit den Jahren einen künstlerischen Ansatz gefunden, der mit realistischen Bildern und vielen zeichnerischen Überlappungen arbeitet. So bieten seine Kurzfilme nicht unbedingt den leichtesten Zugang für verwöhnte Animationsaugen, aber die Bilder entfalten eine faszinierende Sogwirkung, vor allem wenn man sich darauf einlässt, dass hier selbst mit der Materie gespielt wird. Dazu kommt die perfekte tonale Untermalung und die feste und sehr authentische Off-Stimme Kuhns, die den Zuschauer durch das Geschehen führt. Das macht den Kurzfilm „Der Gerichtszeichner“ zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk, welches man so selten in der deutschen Filmlandschaft außerhalb des Unibetriebs sieht.

Fazit: Der Animations-Kurzfilm „Der Gerichtszeichner“ von Jochen Kuhn erzählt eine fesselnde Geschichte mit einem amüsanten Off-Kommentar und unverblümter Kritik. Verpackt ist das Ganze in einer besonderen Optik: Mit überlappenden Zeichnungen und stets nah an der Realität zieht Kuhn die Zuschauer in den Bann und liefert so einen wunderbaren Beitrag zur deutschen Kurzfilmlandschaft.

Bewertung: 8/10

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

 

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