Sechs Fragen an Nakyung Kim

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit der südkoreanischen Filmemacherin Nakyung Kim konnten wir mehr über die Entstehung ihres Kurzfilms „Proxy Exam“ (OT: „대리시험“), der auf dem 32. Filmfest Dresden im Jugend-Programm lief, erfahren und  wie schwer es war die richtigen Darstellerinnen zu finden. Außerdem macht sie neugierig auf ihren ersten Langfilm, den sie jetzt fertig gestellt hat.  

The original english language interview is also available.

Erzähl mir bitte mehr zur Entstehung Deines Kurzfilms „Proxy Exam“.

Ich habe dieses Skript mit einer Frage begonnen. „Was glaubt sie, woher sie kommt? Welche Nationalität hat sie?“

Ihre Eltern und ihre Familie stammen aus Nordkorea, aber sie wurde in China geboren und lebt jetzt in Südkorea. Sie war noch nie in Nordkorea, aber ihre Eltern stammen von dort. Sie hat viele Jahre in China gelebt, und vor einigen Jahren kam sie nach Südkorea. Unter diesen Umständen war ich neugierig darauf, wie sie denkt. Das war der erste Ansatz, dieses Drehbuch zu schreiben. Aber nachdem ich es geschrieben hatte, traf ich viele Studenten, die in Hyun-joos Situation sind (die im anderen Land geborenen Kinder), und fragte sie, und mir wurde klar, dass jeder andere Antworten hatte. Ich fand heraus, dass diese Art von Fragen an sich bedeutungslos ist. Die Nationalität ist nur ein Stück Papier. Es ist egal, wohin sie gehört, es ist nur Hyun-joo.

Viele Menschen haben eine Identitätskrise – auch in nicht außergewöhnlichen Situationen.

Shin Seo-hee

Ich wollte die Reise von Hyun-joo schildern, damit sie in dieser chaotischen Situation ihre eigene Antwort findet. Eine Reise, um ihre Identität zu finden. Sie findet heraus, dass es egal ist, welche legale Nationalität sie hat und Hyun-joo einfach Hyun-joo ist.

Der Hintergrund der Geschichte ist ein sehr ernster – Kannst Du mir zu diesem Problem erzählen. Ist es gegenwärtig in Südkorea?

Es passiert wirklich in Südkorea. Aber eigentlich ist es bis jetzt ein extrem seltener Fall. In Südkorea gibt es viele Überläufer aus dem Norden, und 33% der Kinder wurde außerhalb Nordkoreas geboren (in Südkorea sagen wir, dass diese Kinder “die im dritten Land geborenen Kinder” sind). Die meisten Kinder können die südkoreanische Staatsbürgerschaft erhalten, nachdem sie nach Südkorea gekommen sind. Aber wenn sie nicht selbst bestätigen können, dass sie von nordkoreanischen Eltern stammen, können sie die südkoreanische Staatsbürgerschaft nicht bekommen. Die Zahl der Überläufer aus dem Norden steigt von Jahr zu Jahr, und auch die Zahl der Kinder, die außerhalb des Nordens geboren wurden, nimmt zu. Fälle wie Hyun-joo, die nach ihrer Ankunft im Süden keine legale Staatsbürgerschaft erhalten konnten, sind bisher eher selten. Die koreanische Regierung kümmert sich um die Menschen aus dem Norden und hat mitfühlende Absichten. Ich denke also, dass die Zahl der “Kinder, die im dritten Land geboren wurden” zunehmen wird, aber die Fälle derjenigen, die keine südkoreanische Staatsbürgerschaft erhalten können, werden nicht so sehr zunehmen. Ich bin in dieser Hinsicht ziemlich optimistisch.

Shin Seo-hee

Aber ich glaube, dass diese Art von Situation überall vorkommt. Es gibt so viele Flüchtlinge auf der ganzen Welt. Diese Geschichte ist nur eine Geschichte, die sich in der Welt abspielt. Ich möchte, dass die Zuschauer, die „Proxy Exam“ gesehen haben, über diese Art von Problemen nachdenken.

Kannst Du mir zu der Realisierung erzählen – wie lang und wo habt ihr gedreht?

Es wurde alles 2017 in Seoul, Südkorea, gedreht. Es ist schon lange her, deshalb kann ich mich nicht mehr so genau an alles erinnern. Die Produktion dauerte ca. 11 Tage.

Was lag Dir visuell am Herzen?

Die Szene des Fantreffens war wichtig. Ich wollte, dass das Fantreffen ein großes Ereignis wird, so dass Hyun-joo große Einsamkeit und Traurigkeit empfindet, wenn sie dort ankommt. Ich dachte, je größer es ist, desto trauriger fühlt sie sich.

Aber es war ein Low-Budget-Kurzfilmprojekt, deshalb war es wirklich schwer, in einem richtigen Konzertsaal mit vielen Leuten zu drehen. Ich machte mir große Sorgen, aber damals sagte ein CGI-Team, sie könnten mir helfen. Also mietete ich ein kleines Theater an meiner Universität und versammelte etwa zehn Leute und bat sie, mit einem Blaulichtstab mit den Händen zu winken. Nachdem ich solches Filmmaterial gedreht hatte, leistete das CGI-Team großartige Arbeit! Sie haben das kleine Theater größer aussehen lassen. Sie vervielfachten die Leute im Theater. Nach der CGI sieht die Szene mit den Fantreffen wie ein riesiges Ereignis aus. Ich schätze diese erstaunliche Arbeit wirklich sehr.

War es schwer die richtigen Darstellerinnen zu finden?

Shin Seo-hee (links)

Es war wirklich schwierig, zwei Teenager-Schauspielerinnen zu finden, die sich ähnlich sehen. Im Originaldrehbuch, das ich geschrieben habe, sehen sich Hyun-joo und Ju-hee sehr ähnlich. Aber nachdem ich viele Schauspielerinnen kennen gelernt hatte, wurde mir klar, dass das unmöglich ist. Glücklicherweise traf ich zwei Schauspielerinnen, die sich ähnlich sehen, wenn sie ihr Gesicht neigen. Also habe ich sie gecastet.

Shin Seo-hee, welche die Rolle der Hyun-joo hatte, sollte Chinesisch sprechen. Shin Seo-hee hat eigentlich in China gelebt und kam für ihre Schauspielkarriere nach Korea zurück, also spricht sie wirklich fließend Chinesisch! Ich glaube, es war eine Art Schicksal. Seo-hee war die perfekte Schauspielerin für Hyun-joo!

Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen. Und ob bereits neue Projekte geplant sind?

Shin Seo-hee

Ich habe an der Korea National University of Arts und an der Dongguk-Universität Filmregie studiert. Ich drehte viele Kurzfilme wie „My Turn“ [OT: „내 차례“, 2017] und „Greed: Ghost Light“ [OT: „도깨비불“, 2015]. Vor kurzem habe ich meinen ersten Debütfilm „Dust-Man“ [OT: „더스트 맨“, 2020] fertiggestellt. Es ist ein 92 Minuten langer Independent-Film! Es ist die Geschichte eines jungen Obdachlosen, der zufällig eine Reihe von Illustrationen auf staubige Oberflächen zeichnet, um sich allmählich von den Schmerzen seiner Vergangenheit zu erholen. Ich habe vor, ihn bei Filmfestivals einzureichen und im nächsten Jahr in den koreanischen Kinos zu zeigen. Und ich schreibe auch ein neues Spielfilmdrehbuch. Bitte wünscht mir viel Glück!

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Proxy Exam


Interview: In a conversation with the South Korean filmmaker Nakyung Kim we could learn more about the making of her short film “Proxy Exam” (OT: “대리시험”), which was shown at the 32nd Filmfest Dresden in the youth program, and how difficult it was to find the right actresses. She also makes you curious about her first feature film, which she has now completed.  

Tell me more about the making of your short film “Proxy Exam“.

I started this script with one question. “Where does she think she’s from? Which nationality?”

Her parents and family are from North Korea, but she was born in China and she lives in South Korea now. She has never been to North Korea but her parents are from there. She lived in China for many years and she came to South Korea a few years ago. In this circumstances, I had curiosity about how she thinks. That’s the first start of writing this script. But after I wrote it, I met and asked many students who are like Hyun-joo’s situation (the 3rd country born children), I realized that everyone has different answers. And I found out this kind of question itself is meaningless. Nationality is just a piece of paper. It doesn’t matter where she belongs, It’s just Hyun-joo.

Many people have an identity crisis. Even in not extraordinary situations.

I wanted to portray Hyun-joo’s journey so that she finds her own answer in this chaotic situation. The journey to find her identity. She finds out that no matter where she has legal nationality, “Hyun-joo is just Hyun-joo”.

The background of the story is a very serious one – can you tell me about this problem? Is it a current one in South Korea?

It’s really happening in South Korea. Actually it’s an extremely rare case until now. In South Korea, there are many North defectors and 1/3 of children were born outside of North Korea(In South Korea, we say those children are “the 3rd Country born children”). Most children can get South Korea Nationality after they come to South Korea. But if they can’t approve themselves that they are from North Korean parents, they can’t get South Korean Nationality. The number of North defectors are increasing every year and children who were born outside of the North are also increasing. Cases like Hyun-joo who couldn’t get legal nationality after coming to South are so rare until now. Korean government is caring and has sensitive intentions for those people from the North, So, I think the number of ‘the 3rd country born children’ will increase, but the cases of those who can’t get South Korean Nationality will be not so much. I’m pretty optimistic with this.

But I think this kind of situation is happening everywhere. There are so many refugee people all over the world, This story is just one story that’s happening in the world. I want the audience who watched “Proxy Exam” to think about this kind of issue.

Can you tell me about the production – how long and where did you shoot?

It was all shot in Seoul, South Korea in 2017. It was a long time ago, so I can’t remember everything so accurate. Maybe production was taking 11 days.

What was visually important to you?

The fan meeting scene was important. I wanted the Fan meeting to be a big event, so Hyun-joo feels huge loneliness and sadness when she gets there. I thought the more it’s bigger, the more she feels sad.

But it was low-budget short film project, so it was really hard to shoot in real concert hall with many people. I worried so much, but at that time one CGI team said they can help me. So I rent small play theater in my university and gather about 10 people, and ask them wave their hands with blue light stick. After I shoot footage like that, CGI team did great work! They made small theater looks bigger. They multiplied people in the theater. After CGI, the fan meeting scene looks like a huge event. I really appreciate for there amazing work.

Was it difficult to find the right actresses? They really act wonderfully.

It was really hard to find two teenage actresses who look alike. In the original script I wrote, Hyun-joo and Ju-hee look alike so much. But after I met many actresses, I realized that it’s impossible. Fortunately, I met two actresses who look alike when they bend their face. So I casted them.

Shin Seo-hee who had the role as Hyun-joo should speak Chinese. Shin Seo-hee actually used to live in China and came back to Korea for her acting career, so she’s really fluent with Chinese! I think it was some kind of destiny. Seo-hee was the perfect actress for Hyun-joo!

Can you tell me a bit more about yourself at the end? And are new projects already planned?

I studied film directing in Korea National University of Arts and Dongguk University. I made many short films such as “My Turn” [OT: “내 차례”, 2017] and “Greed: Ghost Light” [OT: “도깨비불”, 2015]. And recently I finished making my first debut feature “Dust-Man” [OT: “더스트 맨”, 2020]. It’s 92 mins long independent film! It’s a story of a young homeless man who happens to draw a series of illustrations over dusty surfaces gradually recovering from the pains of his past. I’m planning to submit to film festivals and release in Korean theaters next year. And I’m also writing a new feature script. Plz wish me good luck! :)    

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm “Proxy Exam

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