Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
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Interview: Im Interview mit dem Filmemacher Simon Pfister, der zusammen mit der Produzentin des Films Angelina Auer beantwortet hat, konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Beats“ erfahren, wie wahre Ereignisse die Geschichte formten, was ihm bei der Figurenkonstellation wichtig war und wie sie dieses große Projekt umsetzen konnte und dabei den Rahmen eines üblichen Unifilms sprengten.
Dein Film „Beats“ beruht auf wahren Ereignissen – wie kam es zu der Stoffentwicklung?
Ich habe in meiner Jugend einige Jahre in französischen Schulen verbracht und habe aus dieser Zeit Freunde, die mittlerweile in Paris wohnen. Als beim Anschlag von November 2015 auf das Bataclan zum ersten mal das Safety-Feature von Facebook aktiviert wurde – wodurch Nutzer angeben konnten, ob sie ‚in Sicherheit‘ sind – wurden mir dann viele meiner Bekannten als ‚noch nicht in Sicherheit‘ angezeigt, was mir wahnsinnige Angst machte. In den darauffolgenden Tagen unterhielt ich mich mit einigen von ihnen über die Erfahrungen der Nacht und war betroffen von den Beschreibungen einer menschenleeren Stadt, in der einzelne Nachtschwärmer voller Panik nach Hause rannten, obwohl sie sich sehr weit weg von den Anschlägen befanden. Dieses Bild ließ mich nicht los.
Als ich dann zwei Jahre später mit der Stoffentwicklung begann sammelte ich Material zu den Anschlägen in Paris und dem Pulse in Orlando, sowie dem Amoklauf in München im Juli 2016. Daraus setzte ich mir eine Art ‚Was-wäre-wenn‘-Szenario zusammen.
Warum hast Du Dich für diese Figurenkonstellation entschieden – eine Dreieckskonstellation, in der die starke Bindung der beiden Freunde zum Motor der Handlung wird?
Alexa und Max sind in der Handlung Geschwister, in einer frühen Drehbuchversion waren sie sogar Zwillinge, beide haben jeweils eine Art ‚love interest‘. Zum einen liegt das natürlich an der Natur eines Kurzfilms – bekannte Konstellationen wie Familie, Beziehung, usw. sind schneller etabliert als komplexere und ‚verbrauchen‘ weniger Spielzeit in der Etablierung -, vor allem kamen wir aber durch unser Thema darauf. Für uns ging es bei den Figurenkonstellationen stark darum die Fragen aufzuwerfen, welche Beziehungen wie gewichtet werden: Ab wann kennt man einen Fremden ‚gut genug‘ um bei ihm zu bleiben, ist der Bruder deiner Freundin die Gefahr wert usw. Wir zeigen Menschen in Extremsituationen die für sich entscheiden müssen, was sie für andere tun würden. Da kam die Entscheidung ganz von alleine, im Kern ein Geschwisterpaar darzustellen.
In welchem Rahmen ist Dein Film entstanden? Wie viele Drehtage hattet ihr und wo habt ihr euren Film realisiert?
Der Film war mein Film03, also der dritte von vier Filmen, die ich für mein Regie-Studium produzieren darf. Normalerweise sind diese noch etwas ‚kleiner‘ und vom Umfang her simpler gestaltet, da man erst für den Abschlussfilm Förderung beantragen darf. Deshalb haben Angelina und ich fast sechs Monate nur damit verbracht, zusätzliche Unterstützer zu finden und gewannen so beispielsweise auch den BR als Partner. Mir lag die Geschichte sehr am Herzen und ich wollte mich in einem etwas aufwändigeren Genre ausprobieren, also schien mir der Mehraufwand gerechtfertigt. Gedreht haben wir dann an zehn Tagen im November 2018 in München. Die Hälfte davon verbrachten wir im Club „Rote Sonne“, den Rest in den Straßen der Stadt. Die vielen Motivwechsel, die benötigt wurden um den Fortschritt von Alexa und Raphik durch die abgesperrte Stadt darzustellen, machten den Dreh etwas zeitaufwändiger als bei anderen Filmen dieser Länge.
Was lag Dir visuell am Herzen?
Mir war sehr wichtig, dass wir nah an der Erfahrungswelt der Figuren bleiben würden. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass man die Angreifer nie hört oder gut erkennen kann – der Fokus sollte auf den zwischenmenschlichen Konflikten bleiben, die Angst aus ihrer Perspektive erlebt werden. Weite offene Strassen bei Alexa, wo überall Gefahr lauern könnte, ein enger, klaustrophobischer Raum bei Max, aus dem er nicht rauskommt.
Kannst Du mir mehr zur Besetzung erzählen, die sich sehr gut in ihren Rollen einfühlt. Hast Du sie klassisch über ein Casting gefunden? Was war Dir bei der Wahl wichtig?
Sehr früh war mir schon klar, dass ich Julian Lehr für die Rolle des Max besetzen wollte. Wir kannten uns aus Zürich und ich hatte bereits zwei mal mit ihm gedreht. Ursprünglich sollte eine gute gemeinsame Freundin von Daron Yates – dem Darsteller von Raphik – und mir die Rolle Alexa übernehmen, doch musste sie aus terminlichen Gründen dann sehr kurzfristig absagen. Über Julian lernten wir dann Giulia Goldammer kennen, die im gleichen Jahrgang wie Julian und Jasper in der Schweiz Schauspiel studierte; die Jungs in Zürich, sie in Bern. Die langjährige Freundschaft der beiden schien mir ein riesen Vorteil, da Alexa und Max nur eine sehr kurze Szene zusammen haben und man ihnen sofort abkaufen musste, dass sie einander viel bedeuten. Ich habe bisher nie mit klassischen Castings gearbeitet, sondern eher Rollen für mir bekannte und interessante Schauspieler geschrieben und dann gehofft, dass es klappt. :)
Kannst Du am Schluss noch etwas mehr von Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?
Wie erwähnt bin ich etwas unüblich aufgewachsen – mein Vater arbeitete lange bei SwissAir, wir zogen viel in Europa umher, bevor es uns 2003 wieder ins heimische Zürich führte. Tatsächlich machte ich meine ersten Schritte im Filmbereich in der Postproduktion, als ich für befreundete Tänzer kurze Clips schnitt. Darauf folgten dann immer aufwändigere Kurzfilme, die ich neben einiger Praktika im Postproduktionsbereich inszenierte und produzierte. 2012 wurde ich dann sehr jung an der HFF München angenommen und verbringe seitdem meine Zeit durchgehend mit Filmprojekten. Ich hatte das grosse Glück, zwischen jedem meiner eigenen Regie-Arbeiten bei sehr interessanten Produktionen dabei gewesen sein zu können.
Sind bereits neue Projekte geplant?
Wie erwähnt habe ich im März meinen Abschlussfilm gedreht, den ich diese Tage fertig stellen werde. Der Film heisst „Nahrani“ und handelt von einer Entwicklungshelferin, die von einer kleinen Bundeswehr-Truppe in ein abgelegenes afghanisches Dorf begleitet wird, wo sie in eine Falle geraten. Das Projekt war eine riesen Herausforderung und wir sind sehr stolz darauf, es so schnell und trotz Restriktionen durch die Pandemie umgesetzt zu haben, und können es kaum erwarten, es zu veröffentlichen!
Hier findest du den Link zur Seite des Films „Nahrani“