Sieben Fragen an Yelyzaveta Pysmak

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Interview: Im Gespräch mit der polnischen Regisseurin und Animationskünstlerin Yelyzaveta Pysmak konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „My Fat Arse and I“, gesehen im ‚Internationalen Wettbewerb‘ des 33. Filmfest Dresden 2021, erfahren, wie eine persönliche Perspektive die Geschichte formte und wie wichtig es manchmal ist, einfach zu beginnen.  

The original english language interview is also available.

Erzähl mir mehr zum Ausgangspunkt Deines scheinbar sehr persönlichen Films – wie viel steckt von Dir drin?

Ziemlich viel. Ich hatte in der Vergangenheit ein ähnliches Problem, und der Film basiert sehr stark darauf. Es war nicht so dramatisch, wie sichtbar magersüchtig zu werden, aber es hat meinen Kopf ziemlich durcheinander gebracht. Dieser verrückte Kalorienzähler in meinem Kopf war schrecklich, damals dachte ich, dass 500 Kalorien viel sind und 1000 jenseits jeglicher Vernunft. Irgendwann stolperte ich über ein Video über intuitive Ernährung und las ein Buch darüber, und mein Leben änderte sich wirklich, und es war grandios. Ich habe versucht, so viel wie möglich von meinen Erfahrungen einfließen zu lassen – vor allem durch Bilder und Figuren, da sie die Rolle von Platzhaltern für bestimmte psychologische Prozesse und Gefühle spielen. Der Gott der schlanken Ärsche hat zum Beispiel die Form einer riesigen Fleischwaage, die ich als Kind in den frühen 2000er Jahren in der Ukraine auf dem Markt gesehen habe. Es gibt auch einige Easter Eggs von meinen Freunden im Film. Generell hat mir der Prozess des Filmemachens geholfen, die Kakerlaken in meinem Kopf zu bekämpfen, ich habe das Gefühl, dass ich dort psychologische Arbeit geleistet habe. Dieser Film ist mir also in Fleisch und Blut übergegangen.

In welchem Rahmen ist der Film entstanden – wie viel Zeit stand Dir zur Verfügung?

Das ist schwer zu sagen, denn an unserer Filmschule müssen wir jedes Jahr einen Film drehen. Ich hatte also ein Jahr Zeit für diesen Film, aber ich änderte meine Ideen ziemlich oft. Ich wollte einen lustigen und leichten Film machen, aber ich konnte mich nicht auf ein bestimmtes Thema festlegen. Zu diesem Zeitpunkt war mir bereits klar, dass mein Verhältnis zum Essen und zu meinem Körper seltsam ist und sich so schnell wie möglich ändern muss. Dann schlug mir mein Freund zufällig vor, einen lustigen Film über Magersucht zu machen. Ich habe darüber nachgedacht und gemerkt, dass das schwer sein wird, aber ich muss es tun. Es blieb nur noch wenig Zeit – etwa sechs Monate – für die ganze Arbeit, die vor mir lag. Ich hatte mit der Form des Films zu kämpfen. Zuerst war es für mich nur eine zufällige Aneinanderreihung absurder Szenen aus dem Leben der Hauptfigur, aber das hat damals nicht ganz funktioniert. Als ich mit all diesen Erzählungen experimentierte, war es bereits Juni, so dass mir nur dreieinhalb Monate blieben, was für eine handgezeichnete Animation, nun ja, nichts ist. Dann wurde mir klar, dass ich einfach loslegen und auf das Beste hoffen musste. Also habe ich den Film bei der Prüfung in der Schule vorgestellt, aber der Film war ziemlich unfertig. Also habe ich die nächsten zweieinhalb Jahre lang an dem Zeug gefeilt. Ich war sehr frustriert, weil ich zwischendurch einen anderen Film für die Schule machen musste, aber ich bin froh, dass es geklappt hat. Insgesamt habe ich also drei Jahre für die Produktion gebraucht (oh Gott).

Erzähl mir bitte mehr zu den Animationen – was lag Dir am Herzen?

Wenn du mich nach Animationsfilmen fragst, die ich liebe – ich liebe sowjetische Animationsfilme, ich bin damit aufgewachsen. Yuri Norstein, Fiodor Hitruk, der frühe Michail Tsehanovsky, Leonid Schwarzman (kein Animator, aber ein brillanter Charakterdesigner). Ich glaube sogar, dass vieles von dem, wie ich zeichne und Animationen plane, auf meinen frühen Eindrücken von Fiodor Hitruks Animationen beruht.

Wenn du mich nach den Animationen im Film selbst fragst – ich habe die Szene, in der eine Zitrone in die Eingeweide der Hauptfigur gerät und die Organe schreien, die 8-Bit-Kampfszene und die Verwandlungsszene wirklich gerne gemacht.

Würdest Du sagen, dass Du schon zu Deinem Stil gefunden hast?

Ich denke schon, aber eine gewisse Orientierung zu haben, bedeutet nicht, dass man diesen Weg nicht vertiefen sollte.

Wie war es in Cannes dabei zu sein?

Es war seltsam, denn wir waren mitten in der Pandemie dort! Die Inzidenz ist gerade erst wieder gestiegen, gleich nachdem wir zurückkamen, wurden die Grenzen wieder geschlossen. In Cannes hatten wir eine Ausgangssperre und einen sehr, sehr engen Zeitplan. Aber es war toll, vor allem wegen der nervenaufreibenden und ängstlichen Wartezeit, ob das wirklich passieren wird. Aber es hat auf jeden Fall Spaß gemacht.

Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen?

Der Papagei ist mein spirituelles Tier. Ich war früher eine Hexe, wurde dann aber zur Elfe umgeschult. Ich kann dir sagen, welche Farbe dein Name hat, wenn du mich fragst. Kann Melodien in die Gehirne von Leuten einpflanzen, vor allem, wenn sie es nicht wollen oder bei einem wichtigen Termin sind. Hobby – liebenswert nervig sein. Lieblingsfarbe – matt. Mag Frösche mit Himbeerhüten sehr gerne.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ja, ich plane im Moment mein Debüt außerhalb der Schule. Es wird auf jeden Fall ein experimentellerer Film werden, ich hoffe, dass ich darin wieder psychologisch arbeiten kann, haha!

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „My Fat Arse and I


Interview: In conversation with Polish director and animator Yelyzaveta Pysmak, we were able to learn more about her short film “My Fat Arse and I“, seen in the ‘International Competition’ of the 33rd Filmfest Dresden 2021, how a personal perspective shaped the story and how sometimes it is important to just start.  

Tell me more about the starting point of your apparently very personal film – how much of yourself is in it?

Pretty much a lot. I did have quite a similar problem in the past and the film is very much based on it. It wasn’t as dramatic as getting visibly anorexic, but it messed up with my head a lot. This wicked calorie counter in my head was terrible, back then I thought that 500 calories is a lot and 1000 is beyond any reason. At one moment I stumbled upon a video about intuitive eating and read a book about it and my life really did change and it was majestic. I tried to pour in as much of my experience as possible – mostly through visuals and characters, since they play a role of placeholders for certain psychological processes and feelings. For example, the God of Slim Asses is shaped like a giant meat scale that I saw on the market when I was a child in the early 2000s in Ukraine. There also are some Easter eggs from my friends throughout the film. In general the process of making this film did help me with cockroaches in my head, I do feel I did some psychological work in there. So this film is surely my flesh and blood.

In what context was the film made – how much time did you have?

It’s hard to say, in our film school we have to make a movie every year. So I had a year for that film, but was changing ideas quite often. I wanted to make a funny and light film, but couldn’t quite put my finger on any particular topic. At this time I was already understanding that my relationship with food and body are weird and need to change as soon as possible. Then by accident my friend proposed to me to make a funny film about anorexia. I thought about it and realised that that’s going to be hard, but I do need to do it. There was already little time left – 6 months or so – as for all the work ahead. I was struggling with form for the film. First it had to me just a random set of absurd scenes from the main character’s life, but it didn’t quite work at the time. By the time I experimented with all those narrations it had already been June, leaving me with only 3,5 months, which for a hand-drawn animation is, well, nothing. Then I realised I just have to jump in and hope for the best. So I presented the film on the exam in school, but the film was quite unfinished. So for the next 2,5 years I was polishing the poo poo. I was very frustrated, for I had to make another film for the school in-between, but I am glad it worked out. So in total the production took me 3 years (oh, God).

Please tell me more about the animations – what was close to your heart?

If you ask me about animation films I love – I really love soviet animation, I grew up on it. Yuri Norstein, Fiodor Hitruk, the early Michail Tsehanovsky, Leonid Schwarzman (not an animator, but a brilliant character designer). I actually think that a lot of how I draw and plan animations is based on my early impressions from Fiodor Hitruk’s animation.

If you ask me about animations in the film itself – I really enjoyed making a scene where a lemon goes down the guts of the main character and the organs cry, 8-bit fight scene and the transformation scene.

Would you say that you have already found your style?

I guess yes, but having some direction doesn’t mean you shouldn’t go deeper by that route.

How was it to be in Cannes?

It was weird, because we’ve been there in the middle of the pandemic! It has just started to grow numbers again, right after we came back borders got closed up again. In Cannes we had a curfew and a very, very tight schedule. It was awesome though, especially with that tiresome and anxious moment of waiting if that’s actually going to happen. But it was definitely fun.

Can you tell me a bit more about yourself at the end?

Parrots are my spirit animals. Used to be a witch, but then re-qualified as a pixie. Can tell you what colour your name is if you ask me. Have power to get melodies stuck in people’s brains, especially when they don’t want them or are at The Important Meeting. Hobby – being adorably annoying. Favorite color – matte. Really fond of frogs in raspberry hats.

Are there already new projects planned?

Yes, I’m planning for my non-school debut at the moment. It’s going to be a more experimental film for sure, I hope to do some psychological work again in there, ha-ha!

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm “My Fat Arse and I

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