Acht Fragen an Malte Stein

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Interview: Im Gespräch mit dem Regisseur und Animationskünstler Malte Stein konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Ding“, der auf dem 64. DOK Leipzig seine Deutsche Premiere feierte, erfahren, wie er die Personifikation der Angst in Form eines kleinen Dings entwickelt hat und was ihm für die Ausgestaltung der Figur wichtig war.

Wie kam es zur ersten Idee des Films?

Das Skript zu dem Film basiert auf einer Kurzgeschichte in der ich einen Zustand mentaler Entgleisung in Form einer metaphorischen Abstraktion beschreibe. Getragen von einer eher lustigen Figurenkonstellation voller Widersprüchen und augenscheinlicher Verdrehung der Rollen, wusste ich, dass dies der Stoff zu einem aufregenden und provokanten Animationsfilm ist, der vor allem durch einen hohen Unterhaltungswert funktionieren kann. Es gibt große Gefühle, Action und Humor.

Magst Du eine kleine Interpretationshilfe für unsere LeserInnen geben?

Das Ding stellt keine Figur aus dem echten Leben dar. Es ist für mich eine Art Reflexion, mit dieser der Mann einer wesentlichen Verkörperung seiner innersten Ängste, seiner Ungeduld und Wut, also seinem psychotischen Zustand begegnet. Es ist ein Symbol dafür, wie lächerlich unsere impulsiven Aggressionen und Ängste sein können und wie schrecklich es sein kann, wenn wir uns dazu hinreißen lassen, diesen aktiv Folge zu leisten. 

Es gibt einige Aspekte, die interessante Fragen aufwerfen können.

Durch das Verhältnis von groß zu klein spielt für mich auch das Phänomen eine Rolle, dass wir manchmal die Tendenz haben Schwächere dazu auszunutzen, um unser Selbstwertgefühl zu stärken oder unseren Frust abzureagieren. 

Gleichzeitig ist es aber auch eine Art Persiflage auf den klassischen Monsterfilm. Eine alles verschlingende Macht sucht die Menschheit heim und droht ihre Existenz zu vernichten. Der Mensch, edel und schön, vernichtet diese Bedrohung auf grauenhafteste Weise, mit äußerster Brutalität, um am Ende als strahlender Held hervorzutreten. Diese Filme sprechen unsere subtilen Urängste vor der Bedrohung unserer Existenz an und verkörpern diese in scheußlichen Monstern. 

Interessant finde ich den Gedanken, dass es die Angst selbst sein kann, die im Affekt der Neurose monströse Dimensionen annimmt, wobei ihr Ursprung womöglich nur von einer eher harmlosen Unannehmlichkeit ausgeht.

In welchem Rahmen konntest Du Deinen Film realisieren?

Meine Animationsfilme habe ich bisher mit sehr geringen Mitteln, ohne jegliche Förderung finanziert. Ich fange dann mit einem Projekt an, wenn ich etwas Erspartes durch künstlerische Auftragsarbeiten übrig habe.

Während der Produktion halte ich mich mit weiteren kurzfristigen Nebenjobs über Wasser, was zeitweise tatsächlich ein existenzbedrohendes Unterfangen ist. Es findet ein ständiges Ausbalancieren von Kräften statt. Auf diese Weise versuche ich mich hauptsächlich der Umsetzung meiner künstlerischen Ideen als Autorenfilmer zu widmen. 

Wie hast Du Deine Figuren entwickelt? Worauf lag Dein Augenmerk?

Eine Verkörperung für das Ding zu finden war etwas schwierig, da ein Ding ja nicht durch etwas allgemein Bekanntes konkretisiert werden kann. In den ersten Entwürfen war es sogar haarig. Das fand ich aber unpassend, da es somit etwas Tierisches hatte und ich wollte ja keinen Naturfilm machen. Es musste auch vermieden werden, dass es zu menschlich wirkte. Deshalb habe ich dem Ding unmenschliche Eigenschaften verliehen bspw. dass bei Erregung die Haare und Augen wachsen. Am Ende ist dieser cartoonige Charakter dabei herausgekommen. Das fand ich ganz passend, da es diverse Cartoon-Charaktere gibt, die eigentlich so etwas wie einen Freund darstellen sollen, aber bei mir schon als Kind das blanke Entsetzen ausgelöst haben. Es musste auch süß werden, mit Micky Maus Ohren und großen Kulleraugen, sodass der Betrachter in einen glückseligen Rausch versetzt wird. Diese Gefühle in das Grauen kippen zu lassen erschien mir als ein tolles Konzept für einen kleinen Horror. Um das alles zum Ausdruck zu bringen, war letztendlich die Animation eine große Herausforderung.

Erzähl mir bitte mehr zu den Animationen selbst? Würdest Du sagen, Du hast Deinen Stil gefunden? Referenzierst Du auf Vorbilder?

Jede Geschichte benötigt ihren eigenen Stil. Der entsteht durch stetes Experimentieren. Man kann sagen, dass irgendwann ein Stil für einen Film gefunden ist. Dieser ist für den nächsten Film allerdings meistens nicht mehr so brauchbar. Ich möchte mich stilistisch und technisch immer weiter entwickeln.

Was war dir auf auditiver Ebene wichtig?

Die sparsam eingesetzte Musik sollte ein Gefühl von paranoider Action vermitteln. Die Bewegungsgeräusche der Figuren sind auch wichtig, da diese den Film rasanter machen. 

Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen und wie Du zum (Animations-)Film gekommen bist?

Ich habe schon in den 90er Jahren viele Comics gezeichnet, Musik gemacht und Kurzgeschichten geschrieben und 1999 einen Jugendliteraturpreis des Wannsee Forums Berlin erhalten. In den 2000ern habe ich angefangen autodidaktisch Drehbücher zu schreiben und Kurzfilme zu drehen. Nachdem ich 2005 angefangen habe Drehbuch und Dramaturgie zu studieren, habe ich ab 2007 Animationsregie an der Filmuniversität Potsdam Babelsberg studiert. Der Animationsfilm ist eine Fusion vieler künstlerischer Disziplinen und eine herausfordernde Leidenschaft. 

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ja, die Vorbereitungen für ein neues Animationsfilmprojekt sind so gut wie abgeschlossen und ich bin gerade dabei bei Filmförderanstalten einzureichen.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Ding

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