„Rodéo“ (2022)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Die Coming-of-Age-Geschichte „Rodeo“ (OT: „Rodéo“, Frankreich, 2022) von Lola Quivoron, die auf den Filmfestspielen Cannes 2022 ihre Premiere feierte, portraitiert illegale Motorradrennen und erzählt gleichzeitig vom Erwachsenwerden ihrer Heldin und das in einem beinah dokumentarischen Stil.

Julia (Julie Ledru) träumt davon, ein Teil der Crew von illegalen Motorrad-Rennfahrer:innen zu werden, die im sommerlichen Bordeaux immer wieder zusammenfinden, um ihre waghalsigen Fahrkünste unter Beweis zu stellen. Als sich ein Unfall ereignet, ist das ihre Chance, sich zu beweisen und ein Teil der Gruppe zu werden. Angeführt wird diese von Dom (Sébastien Schroeder), der seine Fahrer auch zu Diebstählen anhält. Als dieser ins Gefängnis muss, greift Julia dessen Frau Ophélie (Antonia Buresi) unter die Arme. Zwischen den beiden Frauen entspinnt sich ein zartes Band und mit der Zeit hinterfragen sie ihre eingenommenen Rollen.  

Die Regisseurin Lola Quivoron, die hier zusammen mit Antonia Buresi das Drehbuch geschrieben hat, erzählt in ihrem 105-minütigen Spielfilmdebüt eine Geschichte über Menschen, die sich mit ihrer Leidenschaft stets am Rand der Illegalität bewegen. Zu dieser Motorrad-Szene kam die Regisseurin über das Fotografieren. Jahrelang hat sie sich in der Szene bewegt und sie dokumentiert. Dabei fiel ihr immer wieder auf, dass es sich hier um eine rein männliche Gruppe handelt, bei der Frauen nur bewundernd am Rand stehen. Als sie dann aber eine Fahrerin kennenlernte, war ihr klar, dass dies der perfekte Ausgangspunkt für einen Film ist. Wie schlägt sich eine junge Frau in dieser Männerdomäne? Wie sehr kann sie sie selbst bleiben oder muss sie sich dem System unterordnen? All das packt Quivoron in 105 Spielminuten. Dabei ist ihre Inszenierung nah an der Wirklichkeit. Das Dokumentarische, was dem Spielfilm vorausging, merkt man diesem Film in jeder Minute an. Hinzu kommt, dass die gewagten Motorradstunts auch von realen Fahrern aus der Szene verwirklicht wurden. So erzählt sie eine Selbstbestimmungsgeschichte einer jungen Frau, die gerne auch aneckt, mit viel Authentizität, Gefühl (aber nicht Kitsch oder Pathos) in einer zum Teil unwirtlichen Umgebung. 

Julie Ledru

Dass der Film die Zuschauer:innen so gut mitnimmt, liegt auch an der gelungenen Auswahl der Hauptdarstellerin. Julie Ledru ist selbst Stuntfahrerin und lebt die Rolle der Julia, bei der bestimmt auch persönliche Merkmale der Darstellerin eingeflossen sind, perfekt. Sie braucht nicht viele Worte, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen und um klar zu machen, dass sie in der Welt, in der sie sich bewegt, als weniger wertig empfunden wird. Besonders gelungen ist die zarte Freundschaft zu Ophélie, der Frau des Bosses. Diese wird von der Antonia Buresi, die auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, hervorragend dargestellt und symbolisiert die klassische Rolle der Frau in diesem Gefüge. Man merkt dem Spiel aller Darsteller:innen auch den Realitätsanspruch an, der die Stimmung des Filmes maßgeblich prägt. Dazu findet Quivoron die richtigen Bilder. Die Farben sind zurückhaltend, die Stimmung meist eher dämmrig und die Stunts in aller (beeindruckender) Natürlichkeit eingefangen. So entstand ein durch und durch sehenswertes Spielfilmdebüt, das sich mit einem Sport genauso beschäftigt wie mit dem Zusichselbstfinden und den Missständen in patriarchalischen Systemen.

Julie Ledru

Fazit: „Rodeo“ ist der Debütspielfilm der Fotografin und Filmemacherin Lola Quivoron, die darin eine realitätsnahe Geschichte einer jungen Frau erzählt, die ihren Platz im Leben sucht. Dafür wählt sie einen beinahe dokumentarischen Ansatz, ein Umfeld, das zudem die Auseinandersetzung mit der männerdominierten Szene verknüpft und gelungene Stuntszenen zwischen Illegalität und Freiheit.

Bewertung: 7/10

Kinostart: 13. Juli 2023

Trailer zum Film „Rodéo“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

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