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Kurzfilm / China / Fiktion / 2023
Filmkritik: Der Kurzfilm „Sojourn to Shangri-La“ (OT: „是日訪古“ / „Shi ri fang gu“) von Lin Yihan war Teil der ‚Berlinale Shorts‘-Sektion der 74. Berlinale 2024. Er erkundet mit magischem Realismus die Schönheit und Kraft der Natur und zeigt auf, wie blind wir alle ihr gegenüber sein können, wenn wir in unseren ganz eigenen menschlichen Aktivitäten und Arbeit versunken sind.
Eine aufwändige Skulptur wurde vom Meer verschluckt. Szenenbild-Assistentin Cal (Yunfei Fu) muss sie finden oder sich etwas anderes ausdenken. Wir bekommen zusammen mit ihr den Druck zu spüren, dem sie ausgesetzt ist und die hierarchische Struktur am Set wird dadurch offenbar. Gleichzeitig entstehen durch die Lähmung auf Grund der fehlenden Skulptur Momente der Ruhe und Entspannung am Set. Schließlich schafft es Cal, den Kamera-Assistenten davon zu überzeugen, mit einer Drohne auf die Suche zu gehen und der Film gleitet während des Drohnenflugs sanft in eine Traumwelt über.
Die Bilder schlagen dabei die Brücke von der realistischen Darstellung der Arbeit am Set bei einem kommerziellen Filmdreh hin zur Traumwelt und den magischen Elementen des Films. Durch das kontrastreiche Schwarzweißbild werden die Naturaufnahmen entfremdet und wirken nicht wie kitschige touristische Drohnenaufnahmen. Die Übergänge vom Realismus zur magischen Traumwelt sind dabei sanft, fast unmerklich eingearbeitet. Diese Sanftheit schafft einen Kontrast zur Härte, welche die Kommunikation am Set umgibt. So stellt der Film die Härte und Machtlosigkeit der menschlichen Aktivität auf der einen Seite einer sanften Kraft und Macht der Natur gegenüber. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Beharrlichkeit der Szenenbild-Assistentin Cal (Yunfei Fu). Alle Vorschläge, doch irgendeine pragmatische Abkürzung zu nehmen, streift sie ab und nimmt die Auseinandersetzung mit der Natur auf. Ob sie damit erfolgreich ist, lässt der Film absichtlich offen, aber zumindest nimmt sie die Natur bewusster wahr. So ist die Traumwelt, die „Sojourn to Shangri-La“ zeigt, unsere echte Welt, aber mit offenen Augen betrachtet.
Fazit: „Sojourn to Shangri-La“ von Lin Yihan schafft es viele verschiedene Themen miteinander zu verbinden – von Arbeit über künstlerische Beharrlichkeit bis zum Verhältnis von Natur und Mensch – und stiftet durch seine überzeugende Bildsprache gleichzeitig dazu an, einen Moment inne zu halten und die Kraft der Natur auf sich wirken zu lassen.
Trailer zum Kurzfilm „Sojourn to Shangri-La“:
geschrieben von Michael Kaltenecker
Quellen:
- 74. Internationale Filmfestspiele Berlin 2024 – Katalog (Programm ‚Berlinale Shorts‘)
- Doreen Kaltenecker, ‚Sieben Fragen an Lin Yihan‘, testkammer.com, 2024
- Lida Bach, ‚Sojourn to Shangri-La – Kritik‘, moviebreak.de, 2024
- Panos Kotzathanasis, ‚Short Film Review: Sojourn to Shangri-La (2023) by Yihan Lin‘, asianmoviepulse.com, 2024
