“Logan Lucky” (2017)

Doreen Kaltenecker
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Poster zum Film "Logan Lucky" (2017)

© Fingerprint Releasing

Filmkritik: Nach seinem letzten Film “Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen” (2013) wollte der amerikanische Filmemacher Steven Soderbergh (*1963) aus dem Filmgeschäft aussteigen und sich auf andere Inszenierungsorte wie das Fernsehen und das Theater konzentrieren. Was ihm vor allem am Hollywoodbetrieb aufstieß, waren die Finanzierungssysteme, welche mit den überzogenen Werbebudgets vor allem mittelgroßen Filmen schaden würden. So verwundert es, dass er nach nur vier Jahren wieder zurück auf den Kinoleinwänden ist. Doch sein neuester Film “Logan Lucky” (OT: “Logan Lucky”, USA, 2017) wurde mit einem eigenen, unabhängigen Finanzierungsmodell in die Kinos gebracht und konnte so den Kino-Herbst des letzten Jahres bereichern.

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Die Brüder Jimmy (Channing Tatum) und Clyde Logan (Adam Driver) sind nicht gerade Glückspilze. Jimmy musste wegen einer Knieverletzung die verheißungsvolle Sportlerkarriere aufgeben, lebt zudem getrennt von seiner Frau (Katie Holmes) und seiner Tochter Sadie (Farrah Mackenzie) und hat auch noch seinen Job verloren. Clyde, sein Bruder, fristet sein Dasein als Barkeeper, nachdem er im Irak-Krieg einen Arm verloren hat. Zusammen mit ihrer Schwester Mellie (Riley Keough) wollen sie dem Unglücks-Familienfluch entgegenwirken und noch einmal ein letztes, großes Ding drehen. Um erfolgreich das größte Nascar-Rennen auf dem Charlotte Motor Speedway im Nachbarstaat North Carolina überfallen zu können, brauchen sie nur noch den Sprengstoffexperten Joe Bang (Daniel Craig), welcher aber leider im Gefängnis sitzt. Doch die Logans haben einen Plan.

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Finanziert wurde der Film mit seinem 30-Millionen-Dollar-Budget ohne jegliche Beteiligung größerer Studios aus Hollywood. Durch eine kluges Modell mit minimalen Risiken konnte der Film unabhängig finanziert werden. Dabei erhielten die Schauspieler nur eine Standardgage, wurden aber am Erlös der Karten beteiligt. Außerdem wurden die Auslands- und Streamingrechte vorab verkauft. Das machte eine flächendeckende Verbreitung des Films möglich, welche Soderbergh in Amerika mit seiner eigenen Produktionsfirma auch selbst übernahm. Damit entwickelte er ein alternatives Independent-Finanzierungssystem, welches auch kleineren Filmen die Chance geben wird, sich auf dem Markt zu behaupten.

© StudioCanal

Das Drehbuch stammt aus der Feder von Rebecca Blunt, einer vermeintlichen Freundin von Soderberghs Ehefrau Jules Asner. Wahrscheinlicher scheint es, dass seine Frau selbst dahinter steckt. So hat sie mit ihrem Erstlingsdrehbuch das perfekte Drehbuch für ihren Ehemann geschrieben, ganz im Stil und Ton einiger seiner früheren Arbeiten. Dabei ließ sie sich nicht nur von ihrer Fantasie und dem Wissen, dass es Schlupflöcher im Charlotte Motor Speedway gibt, leiten, sondern bezog auch reale Vorkommnisse und Zeitungsartikel mit ein. Entstanden ist ein Drehbuch, das sich hervorragend für einen Soderbergh-Film eignet. Die Idee mit dem Pseudonym hat sie vermutlich von ihrem Gatten selbst. Auch Soderbergh war hier wieder unter den Pseudonymen Peter Andrews als Kameramann und Mary Ann Bernard als Cutter beim Film tätig und besetzte damit viele zentrale Schlüsselrollen in seiner Crew selbst.

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Auch dieser Soderbergh-Film ist wieder eine gelungene Mischung aus Komödie, Action und neu hinzugefügten Familienaspekten. Dafür eignet sich das unblutige Genre des Heist-Movie (Überfall-Filme) besonders. Erprobt hat er das Ganze in der “Ocean’s”-Trilogie (2001-2007), aber erzählt dann doch nicht die gleiche Geschichte noch einmal. Doch vor allem in der Plot-Struktur mit seiner großen Auflösung am Ende erkennt man Ähnlichkeiten zu der Reihe. Auch die oberflächliche Figurenzeichnung – Kriminelle mit Herz und Charme – wurde übernommen, aber gerade bei seinen Charakteren dringt Soderbergh in eine andere Welt vor. Diese hat er 2012 erstmals mit “Magic Mike” betreten und beschäftigt sich nun mit der weißen, männlichen Bevölkerung, die am unteren Ende der Gesellschaft ihren Dienst tun. Für diese Männer bieten oft Sport und Militär die einzigen Aufstiegschancen. Das sind genau die beiden Wege, welche die Logan-Brüder gehen wollten und daran gescheitert sind. Einziger gewinnbringender Ausweg scheint noch die Kriminalität zu sein. Doch das setzen die Filmemacher nicht als anklagendes oder verurteilendes Element ein, sondern nutzen es als Ausgangspunkt einer liebenswerten Überfall-Geschichte mit vielen skurrilen Charakteren. Diese sind dabei zwar gekennzeichnet von Stereotypen und Überzeichnungen, doch ist auch stets ein Kern Authentizität vorhanden. Soderberghs Blick auf die Figuren ist liebevoll und von Sympathie gezeichnet. Er verzichtet darauf, sich über die Dargestellten und diesen amerikanischen Typus lustig zu machen. Passend dazu ist die Geschichte auch im Süden des Landes angesiedelt und fängt ungewollt die typischen Trump-Wähler ein. Aber nach eigenen Aussagen wollte Soderbergh keinen politischen Film schaffen und so ist jede Analogie zu den letzten Ereignissen des Landes vermutlich wirklich ungewollt. Obwohl es natürlich jeden Zuschauer reizt, da etwas hinein zu interpretieren. Doch vor allem ging es den Filmemacher darum einen einen leichtfüßigen Film zu schaffen, der mühelos viele Genres kombiniert und einen Blick auf die amerikanische Unterschicht wirft.

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Inspiriert wurde der Typus von der Lebensgeschichte Channing Tatums (“Magic Mike” (2012), “Foxcatcher” (2014) , der mittlerweile zum Liebling in Soderberghs Ensemble avanciert ist. Dieser schafft es, die Rolle des Jimmy Logans mit einer Mischung aus starker Männlichkeit, Verletzlichkeit und etwas Proletencharme perfekt zu verkörpern. Sehr gut funktioniert er auch als Gespann mit Adam Driver (bekannt aus “Star Wars 7 – Das Erwachen der Macht” (2015) und “Paterson” (2016)) und der sehr witzigen Riley Keough (*1989, zu sehen in “Mad Max: Fury Road” (2015)). Neben den vielen guten Darstellern fallen aber besonders noch die kleine Farrah Mackenzie als Jimmys Tochter und Daniel Craig als Joe Bang auf. Mit seiner blond gefärbten Bürstenfrisur spielt er so befreit, als hätte es niemals die steife James-Bond-Rolle gegeben. Das macht unglaublich Spaß und es ist, als sehe man Craig das erste Mal, wozu wunderbar am Ende des Film der Schriftzug “Introducing Daniel Craig” passt.

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Fazit: Der 25. Kinospielfilm – “Logan Lucky” – des amerikanischen Independent-Regisseurs Steven Soderbergh wirkt wie ein Cousin der “Ocean’s”-Reihe, sozusagen ohne viel Geld oder trickreicher Technologie. Das Heist-Movie nimmt sich dabei selbst nicht so ernst, aber macht sich auch nicht lustig über seine Antihelden, welche am unteren Ende der Gesellschaft stehen. Das bedeutet für die Zuschauer zwei Stunden Spaß, durch einen wunderbar austarierten Film, mit viel Herz, Hillbilly-Charme, Humor und einer wunderbar verzwickten Geschichte.

Bewertung: 8/10

Kinostart: 14. September 2017, DVD-Start: 25. Januar 2018

Der Trailer:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:


Das Œuvre Soderberghs im Blick:

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