Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
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Interview: Im Gespräch mit dem deutschen Dokumentarfilmer Julius Dommer konnten wir mehr über seine Kurz-Doku „Ascona“, die u.a. auf den 30. Bamberger Kurzfilmtagen lief, erfahren. Dabei berichtet er von der Entstehung, der Entscheidung auf 16mm zu drehen und von den Publikumsreaktionen.
Erzähl mir mehr zu den Ursprüngen Deiner Minigolf-Dokumentation „Ascona“. Was verbindet Dich selber mit Minigolf?
Diesen Film zu machen, hatte mehrere Gründe. Zum einen verbindet mich mit Minigolf das, was uns alle (oder fast alle) damit verbindet – die Erinnerung. Ich fand’s interessant sich so einem Kosmos anzunähern, den wir alle kennen, von verschlafenen Sonntagnachmittagen, in Ferienorten oder den Grünflächen der Städte. Die Plätze sehen deutschlandweit eigentlich immer gleich aus, man hat (meist) einen Jägerzaun, dann geht man über die schiefen Gehwegplatten zu einer Holzhütte, wo es Kaffee und Kuchen gibt, eine gemischte Süßigkeitentüte, ein Ed von Schleck und man setzt sich auf die Plastikgartenstühle, den Monoblock. Mit diesen Alltagsmythen der 50er/60er können wir uns alle gewissermaßen identifizieren, kennen diese Vertrautheit, dieses anachronistische und es findet so etwas wie ein kollektives Erinnern statt.
Zum anderen ist der Film autobiografischer als man denkt. Ich habe selbst unzählige Sonntagnachmittag in meiner Kindheit und Jugend dort mit meinem Vater verbracht. Im Laufe der Zeit haben wir uns selbst professionelle Schläger und Bälle gekauft, zwar nie im Verein gespielt, aber als sehr ambitionierte Amateure. Wir haben glaube ich fast zehn Jahre in Folge an dem jährlichen „Jedermann Turnier“ teilgenommen und ich wurde acht Jahre in Folge Stadtmeister von Bad Oldesloe. Man muss dazu sagen, dass ich in diesen Jahren auch einige Male der einzige in meiner Altersgruppe war und mir der Pokal bereits mit meinem Erscheinen sicher war. Als ich dann 18 wurde kam ich in die Gruppe der 18-45 Jährigen, konnte trotz meiner relativ guten Ergebnisse nicht mehr den Titel holen und meine Karriere endete abrupt.
Wie hast Du Deine Charaktere gefunden und wie haben Sie auf Dein Filmprojekt reagiert?
Aufgrund der jahrelangen Besuche des Platzes und den unzähligen Runden kannte man sich. Zwar (noch) sehr deutsch, distanziert mit „Sie“, aber mein Vater und ich waren schon so etwas wie Stammgäste. Als ich den beiden von dem Filmprojekt erzählte, stimmten sie sofort zu und das war eher so ein „mach du mal“. Mein allererstes Anliegen war, dass wir uns auf jeden Fall duzen müssen, wenn wir diesen Film machen. So haben wir uns nach mehr als zehn Jahre noch mal erneut kennengelernt und ich hatte eh einen sehr großen Vertrauensvorschuss von den beiden, da sie mich gewissermaßen durch alle Dekaden meiner Kindheit und Pubertät begleitet haben.
Kannst Du mir mehr zu den Dreharbeiten erzählen – wie lange habt ihr gedreht, gab es Unwägbarkeiten am Set und wie viel Material ist entstanden?
Da ich auf 16mm Film gedreht habe, war es recht überschaubar mit dem Material. Insgesamt hatte ich 18 Rollen á 122 m, was ein bisschen weniger als 3,5 Stunden Material ergaben. Wir waren im Zeitraum September bis Juni sechsmal als verlängerte Wochenenden dort, konnten bei meinen Eltern übernachten und die Drehs waren den Umständen entsprechend eher ruhig und entspannt, sehr Kaffee- und Kuchenlastig.
Unwägbarkeiten in diesem Sinne gab es eigentlich nicht, da trotz des Filmmaterials, wo man ja nie sofort weiß, ob’s geklappt hat sehr viele Sachen theoretisch reproduzierbar waren. Es waren eher die Kleinigkeiten, die mich zeitweise etwas nervöser gemacht haben beim Dreh: Das zum Beispiel Wolfgang im Winter einfach den Zaun ausgetauscht hat um Karla eine Freude zu machen, als Überraschung, und ich mir Sorgen machte, dass das ganze gedrehte Material jetzt nicht mehr passen würde.
Das ganze auf 16 mm zu drehen war natürlich schon eine Herausforderung, die ich aber auch haben wollte. Gerade das Beobachtende auf dem Turnier hat ein hohes Maß an Schnelligkeit, Planung und Überwindung gekostet. Überwindung, einfach die Kamera auszulösen und manchmal auch laufen zu lassen, da Filmmaterial mit Entwicklung und Abtastung ziemlich teuer ist und da einfach ziemlich viel Geld durch die Kamera rattert. Die Profis brauchen natürlich bei fast jeder Bahn nur einen Schlag und es geht unheimlich schnell. Da richtet man die Kamera ein, korrigiert vielleicht noch kurz was und dann ist es schon passiert und man hat gar nicht gedreht. Wir hatte vier Rollen, also ein bisschen ca. 45 Minuten Material und haben mit den letzten 15 Metern zum Glück noch die Pokalübergabe erwischen können.
Dein Film birgt viel Humor – war Dir von Anfang klar, dass Du das Projekt mit Leichtigkeit und humorvoll angehen willst?
Dass das ganze eher lakonisch, nordisch, humorvoll werden könnte, habe ich mir schon erhofft. Das Schöne ist ja gerade im professionellen Minigolf, dass die Leute das natürlich sehr ernst nehmen, aber auch immer mit einem kleinen Augenzwinkern. Ursprünglich dachte ich eigentlich, dass ich mich mehr auf das Vereinsleben konzentriere, gemeinsame Treffen, Training, Kegelabende etc.. Nun ist es so, dass die Mitglieder des MGC Bad Oldesloe fast alle nicht mehr dort leben und ein richtiges Vereinsleben gar nicht stattfindet. Dann dachte ich, konzentriere ich mich eben mehr auf den Platz, ein Turnierplatz der gewisse Anforderungen erfüllen muss, es gibt so etwas wie einen jährlichen TÜV. Das hat leider auch nicht funktioniert, da ein Spieler des Vereins, Thorsten Niemann, bei den Deutschen Meisterschaften angetreten ist und Wolfgang, unser Protagonist, mit ihm gewettet hat, dass wenn er den Titel holt, sich eine Bahn wünschen dürfe. Das ganze ist dann auch so passiert, Thorsten wurde Meister, hat sich eine Bahn gewünscht, die nicht in dem Bahnenkatalog des Miniaturgolfs verzeichnet ist und der Platz hat diesen Anspruch als Bundesliga-Turnierplatz gewissermaßen verloren, weshalb auch kein TÜV mehr kommt. Entstanden ist dann eher dieser portraitlastigere Film über die beiden.
Als der Film fertig war, wie waren die Reaktionen auf Festivals und vor allem wie hat es dem dokumentierten Ehepaar gefallen?
Die Reaktionen sind eigentlich sehr positiv. Bei der Premiere in der Lichtburg bei den Kurzfilmtagen Oberhausen hat das Kino gebebt. Es war sehr voll und die Leute haben wirklich bei fast jeder Szene lauthals gelacht, was man bei dem Film auch darf und soll, denke ich. Das ist nicht immer so, ich war auch schon bei Screenings, wo einfach niemand gelacht hat und im Ausland funktioniert dieser nordische, trockene, deutsche Humor glaube ich überhaupt nicht, da ist der Fokus dann wieder ein anderer.
Vor der Premiere habe ich Karla und Wolfgang natürlich den Film gezeigt. Den beiden hat es ziemlich gut gefallen, sie haben viel gelacht und die anfänglichen Klickzahlen auf Vimeo sprechen dafür, dass sie den Film auch gut weitergereicht haben. Bei den nordischen Filmtagen waren die beiden dann auch zum Screening, was glaube ich noch mal ziemlich krass war, sich auf so einer großen Leinwand selbst zu sehen.
Die schönste Anekdote ist eigentlich, dass eine Dame den Film beim KHM-Rundgang in Köln gesehen hat, daraufhin nach Bad Oldesloe gefahren ist, eine Nacht dort im Hotel verbrachte, um dann am nächsten Tag zwei Runden Minigolf dort zu spielen. Sie gab Karla dann den Katalog vom Rundgang und hat von dem Film erzählt.
Erzähl mir bitte zum Schluss noch ein bisschen mehr von Dir. „Ascona“ war Dein Abschlussfilm. Wie wird es jetzt weitergehen? Wirst Du dem Dokumentarfilm treu bleiben?
Dem Dokumentarfilm bleibe ich treu, da ich der Meinung bin, dass das „wahre Leben“ einfach unzählige filmische Situationen und Momente bietet, die man nicht re-inszenieren kann, oder wenn man das tut, das Ganze unglaubwürdig erscheint. Gerade bin ich noch in der Fertigstellung eines langen Dokumentarfilm, den ich auch im Laufe des Studiums in Kuba gedreht habe. Es ist wieder eine Ortserkundung, diesmal in der Ciudad Nuclear (Nuklear Stadt), die durch sowjetische Gelder zum Bau des nie fertiggestellten Atomreaktors errichtet wurde. Ich hoffe auf eine baldige Festivalpremiere. Ansonsten habe ich einige vage Ideen für längere und kürzere Filme. Eine davon versuche ich gerade in eine Projektmappe zu pressen, es wird um den größten interkulturellen und interreligiösen Mythos überhaupt gehen – den Weihnachtsmann.
Eine letzte Frage noch: Wann warst Du das letzte Minigolf spielen?
Während des gesamten Drehs haben wir nicht ein einziges Mal gespielt. Die letzte Runde war vergangenen Sommer, in Bad Oldesloe, mit meinem Vater, als ich meine Eltern mal besucht habe.