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Kannst Du mir mehr zum Ursprung Deines dystopischen Kurzfilms erzählen?
Der Autor Valentin Burkhardt kam mit einer frühen Fassung des Buchs auf mich zu und wir haben uns lange darüber unterhalten. Mich hat vor allem die zwischenmenschliche Beziehung der Protagonisten gepackt und ich mochte die groteske Welt die Valentin beschrieb auf Anhieb. Diese Mischung aus zarten Gefühlen und brutaler Welt war mein persönlicher Anreiz.
Ich lese klar die Kritik an der Lebensmittelindustrie heraus – lag Dir dies vor allem am Herzen?
Die Kritik ist dem Film aufgrund seines Themas sehr ersichtlich aber gerade deshalb war für mich viel spannender die beiden Männer in ihrer dysfunktionalen Beziehung zu erzählen. Dass wir Menschen einen üblen Umgang mit Lebensmitteln haben, ist ziemlich klar und dennoch sehr abstrakt, immerhin sehen wir unsere Lebensmittel nur als Endprodukt im Supermarkt. Die Liebesgeschichte, die zum Scheitern verurteilt ist – das kann man nachempfinden. So kann ich mich als Zuschauende auch mit beiden Figuren identifizieren. Diese Nahbarkeit war mir wirklich wichtig. Dadurch kommen wir davon weg, das Publikum zu belehren (da gibt es genug Filme, die genau das tun), sondern fühlen mit dem Arbeiter und seinem Zögling mit.
Für mich persönlich hat sich im Laufe der Produktion die Unmenschlichkeit, die auf hinter den Kulissen auf Schlachthöfen herrscht wirklich gezeigt — und das nicht ausschließlich in Bezug auf Tiere, sondern eben auch auf Seiten der Arbeiter.
In welchem Rahmen ist der Film entstanden – wie viele Drehtage hattet ihr Zeit? Wurde der Film während der Corona-Pandemie realisiert?
Da der Film im Rahmen des Atelier Ludwigsburg-Paris entstand, gab es konkrete zeitliche Vorgaben, wir hatten fünf Drehtage und Dank meiner Producer Alissa Aubenque und Joseph Sacuto hatte ich mit unseren Darstellern fünf Probentage, die wir wunderbar nutzen konnten.
Und ja, leider blieben auch wir nicht von Corona verschont und mussten Hygiene-Konzepte ausklügeln. Wir haben zum Beispiel durch die präzise gesetzte Kamera Nähe herstellen können auch wenn die beiden Schauspieler in Wirklichkeit weiter voneinander entfernt waren. Zusätzlich hat das Producerteam einen sehr guten Plan aufgestellt, um die Hygienevorgaben einzuhalten. (Und ganz ehrlich, die Lüftungspausen, die auch für die Kreativität nicht schlecht sind, können wir auch nach Corona gern beibehalten.)
Kannst Du mir etwas zum Setdesign und über die visuelle Ausgestaltung erzählen?
Unser Szenenbildner Simon Schabert hat zusammen mit Miriam Waldenspuhl, unserer Kostümdesignerin, diese andersartige Welt geschaffen, die man zeitlich und örtlich nicht ganz einordnen kann. Zuerst haben wir alle zusammen im großen Team ausführlich über die Welt gesprochen, wie sie sich anfühlen soll – mir war sehr wichtig, dass alle Teammitglieder mitreden – also auch Sounddesign, Musik, Kamera, Schnitt usw. Mit diesen Impulsen sind dann alle in ihre Departments, Simon hat tagelang das Set gebaut und Miriam die Kostüme entworfen und geschneidert. Mit Michael Throne, dem DOP, haben wir mehrmals den Film „vorgedreht“, um ein Konzept für die leicht schwebende Kamera zu finden. So haben wir alle die gemeinsame Vision umgesetzt.
Auch Deine Besetzung ist gut gewählt. Wie hast Du Deine DarstellerInnen gefunden? Was war Dir bei der Wahl wichtig?
Vielen Dank, das freut mich sehr. Meine Casterin Jessica Layher und ich haben uns vor allem viel über das Buch unterhalten. Dann hat sie Vorschläge gemacht und gemeinsam mit den Producern und Drehbuchautor haben wir evaluiert, was unsere Schauspieler mitbringen sollen. Immerhin müssen sie neben ihrer schauspielerischen Leistung auch mit ihrer Erscheinung die Welt und die Backstory erzählen.
Ich glaube, wir sind lustigerweise am Ende sowohl bei Anton als auch bei der Ärztin in eine ganz andere Richtung gegangen als ursprünglich gedacht. Aber als wir beim Casting Christian Holzmann und Gisela Aderhold erlebt haben, wusste ich, dass sie die richtigen für die Rollen sind. Die beiden haben mir sofort eine Geschichte erzählt und ihre Figuren intuitiv angenommen. Nachdem wir uns sehr schnell für Anton Nürnberg entschieden hatten, haben wir dann Christian und Anton noch einmal zusammen gecastet und man konnte direkt eine ganz spannende Dynamik zwischen den beiden spüren und damit war das Casting besiegelt.
Kannst Du mir am Ende noch etwas mehr über Dich erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?
Eigentlich bin ich ein Theaterkind (meine beide Eltern sind im Theater tätig und ich bin mittendrin aufgewachsen) aber Filme haben mich weitaus mehr fasziniert. Irgendwann in der Schulzeit hab ich einfach beschlossen Regisseurin zu werden und bin ganz zielstrebig den Weg gegangen und nach dem Abi ab auf die Filmhochschule. Natürlich wusste ich, wie schwer es ist, an eine Filmhochschule zu kommen und habe mit aller Mühe meinen ersten Film gedreht (und dabei direkt mein ganzes Erspartes verprasst) – das kann ich nicht wirklich empfehlen, aber es hat sich gelohnt und ich wurde in Ludwigsburg angenommen.
Ich glaube, ich habe wirklich nie eine bewusste Entscheidung für den Beruf getroffen, ich bin damals einfach meiner Intuition gefolgt. Das bestätigt sich jedes Mal, wenn ich am Set stehe und merke, hier fühl ich mich wirklich richtig. Danke, 12-jährige Carly für die random Entscheidung!
Sind bereits neue Projekte geplant?
Oh ja, ich bin jetzt mitten in der Vorbereitung meines Abschlussfilms „Cybercity Lovestory“ – dort trifft ein Marsmädchen in einem veraltetem und hoch kriminellen Videospiel auf einen Jungen von der Erde. Das Ganze ist ein Serienpilot, der aus einem filmischen und einem Video-Game Teil besteht. Klingt abgefahren, ist es auch und eröffnet viele neue Erzählmöglichkeiten, was mir großen Spaß macht.
Außerdem schreibe und entwickle ich nebenher Konzepte, die viel mit zwischenmenschlichen Beziehungen an verrückten Orten zu tun haben – das zieht sich also durch.
Und übrigens, für alle, die ihn noch nicht gesehen haben: „Artgerecht“ ist vom 10. April 2021 bis 16. April 2022 in der ARTE-Mediathek zu sehen. Schaut ihn euch an!
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Die Fragen stellte Doreen Matthei
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Artgerecht“