Fünf Fragen an Ronja Hemm

Doreen Kaltenecker
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Ronja Hemm

Interview: Im Gespräch mit der Regisseurin Ronja Hemm konnten wir mehr über ihre in Nepal gedrehte Kurz-Dokumentation „For Your Sake“ erfahren, die auf den 31. Bamberger Kurzfilmtagen zu sehen war, wie sie die Familie, welche sie portraitiert, kennenlernt und in welchem zeitlichen Rahmen und mit welchen visuellen Konzepten sie den Film umsetzen konnten. 

Kannst Du mir mehr zu der Entstehung Deiner Kurz-Doku erzählen?

Die Idee zu dem Film entstand, als ich 2018 zwei Monate in Nepal herumgereist bin. Ich war dort viel in den Bergen wandern, wollte das Land aber auch abseits der faszinierenden Natur und Landschaft kennenlernen. Deswegen hab ich den Kontakt zu Einheimischen gesucht und so die Familie kennengelernt. Diesen rasanten Generationswandel, den ich in der Familie aber auch überall sonst im Land erlebt habe, fand ich unglaublich spannend. Diesen Umbruch, der dort so schnell von statten geht, wollte ich unbedingt festhalten und weil ich zu dem Zeitpunkt vor meinem Abschlussfilm stand, war mir schnell klar, dass ich mein Thema gefunden habe.  

Wie bist Du mit der Familie in Kontakt getreten und wie haben sie auf das Filmprojekt reagiert?

Der Kontakt zu der Familie kam über den Onkel der zwei Töchter zustande. Ihn hatte ich bei meiner Reise in Kathmandu kennengelernt und er hat mich damals eingeladen, seine Familie und sein Dorf zu besuchen. Außerplanmäßig musste er dann allerdings in der Stadt bleiben und ich reiste alleine in das Dorf. Dort hat mich dann Namina (die Mutter im Film) empfangen und ich konnte bei ihr wohnen. Miteinander reden konnten wir nur über Gestik und Mimik, denn ich konnte kein Wort der Stammessprache Tamang, Namina und ihr Mann kein Wort Englisch – eine spannende Erfahrung. Namina und ich fingen über die Tage an uns gegenseitig Wörter beizubringen und wir haben unglaublich viel dabei gelacht. Ich lernte Manjaru (die Oma) und später dann die zwei Töchter kennen, die aus der Stadt zu Besuch kamen. Weil die beiden Englisch in der Schule gelernt hatten, wurde die Kommunikation leichter und sie haben mir von ihren Plänen erzählt, in Japan zu studieren. An dem Punkt begann der Film in meinem Kopf zu reifen – ich wollte allerdings nichts überstürzen und hab mir das alles bei meiner weiteren Reise beim Wandern durch den Himalaya erstmal durch den Kopf gehen lassen. Vor meiner Rückreise nach Deutschland habe ich in Kathmandu dann dem Onkel von meiner Idee erzählt und wir haben die vier Frauen gefragt, ob sie sich das vorstellen könnten. Ich hab mich riesig gefreut, dass da direkt ein Ja kam.

Wie lange warst Du vor Ort und wie viel Material ist bei der Familie entstanden? 

Mit unserem kleinen Team, das aus Jonathan Brunner (Kamera), Daria Somesan (Sound) und mir bestand, waren wir drei Wochen vor Ort – davon haben wir an 15 Tagen gedreht. Die meiste Zeit haben wir dabei im Dorf verbracht, die restlichen Tage dann in Kathmandu. Insgesamt sind dabei ca. 21 Stunden Rohmaterial entstanden. Das ist gar nicht mal so viel – um zu verhindern, dass wir hinterher in zu viel Rohmaterial und auch Übersetzungen versinken, haben wir schon beim Dreh stark darauf geachtet, was wir filmen wollen und was nicht. 

Hattest Du eine visuelle Leitlinie, an der Du Dich orientiert hast?

Wir hatten uns in der Vorbereitung ein Kamerakonzept überlegt, von dem wir manche Aspekte total gut umsetzen konnten, andere mussten wir über Bord werfen. Wichtig war mir, dass wir die zwei unterschiedlichen Welten, die ich in Nepal wahrgenommen habe, auch in Bild und Ton widerspiegeln. Das Dorf ist die alte Welt – klein, ruhig, beständig und vertraut. Die Aufnahmen dort sind deswegen zum großen Teil statisch und auch der Blickwinkel wird durch eher höhere Brennweiten eingeschränkt. Der Sound bleibt ruhig und ist von organischen Elementen geprägt. In Kontrast dazu überlagern sich in den Stadtszenen verschiedene Arten von Sounds, die Kamera öffnet sich und fast alles ist aus der Hand gedreht. Denn die Stadt als Sinnbild für die neue Welt ist dynamisch, laut, riesig und voller Möglichkeiten – gleichzeitig geht der einzelne Mensch schnell darin verloren. 

Haben die Portraitierten den Film schon gesehen? Wie fanden sie ihn? Und wie geht es ihnen jetzt?

Die Familie hat den fertigen Film direkt nach Fertigstellung gesehen. Sie haben mir erzählt, es sie emotional sehr berührt hat, ihre eigenen Geschichte in Form eines Films geschrieben zu wissen. Besonders die Oma war davon bewegt, dass sie durch den Film eine Stimme bekommt, mit der sie von ihrem Schicksal erzählen kann und ein kleiner Teil da draußen Anteil daran nimmt. Ich bin noch immer in Kontakt mit der Familie und derzeit geht es allen gut. Die beiden Töchter haben sich in Japan eingelebt und studieren und arbeiten dort. Natürlich vermissen sie aber ihre Familie und besonders auch sich gegenseitig sehr. Leichter wird es dadurch, dass es in Japan mittlerweile viele junge Nepalesinnen in der gleichen Situation gibt. 

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „For Your Sake

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