„Possessor“ (2020)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der kanadische Regisseur Brandon Cronenberg muss in große Fußstapfen treten. So werden seine Filme unweigerlich mit denen seines Vaters David Cronenberg, der u.a. „Die Fliege“ (1986) und „eXistenZ“ (1999) schuf, verglichen. Als 2012 sein Debüt-Spielfilm „Antiviral“ erschien, kam er noch nicht an die Qualität der Arbeiten seines Vaters heran, mit seinem zweiten Spielfilm „Possessor“ (OT: „Possessor“, USA, Großbritannien, Kanada, 2020) offenbart er aber sein Potential, dies zu erreichen.

Tasya Vos (Andrea Riseborough) arbeitet für eine Firma, die Auftragsattentate begeht und von Girder (Jennifer Jason Leigh) geführt wird. Doch statt dies selbst in die Hand zu nehmen, schlüpfen die Killerinnen in Menschen, welche dem Opfer ganz unauffällig nahe kommen können. Für ihren nächsten Auftrag übernimmt sie Colin Tate (Christopher Abbott), doch von Anfang an scheint er sich hier und da gegen die Übernahme zu wehren. So verläuft der Auftrag nicht wie geplant und auch die Ablösung vom Wirt funktioniert nicht, so bleiben die beiden vorerst in einem Körper.

In einem nahen Zukunft bekommen Auftragskiller eine ganze neue Möglichkeit ihre Opfer zu töten. Durch das Eindringen in einen anderen Menschen gibt es keine Zeugen, die zu dem eigentlichen Mörder führen, zudem kann man sich des Wirtes auch gleich entledigen. Hier steigt der Film „Possessor“ von Brandon Cronenberg (*1980), der auch das Drehbuch dazu geschrieben hat, gleich voll ein. Wir sehen Tasya bei ihrer Arbeit, sehen wie sie den Wirt übernimmt und die Tat vollführt. Dabei bleibt die Kamera nah an der Mörderin dran und hier zeigt sich bereits die Vorliebe Cronenbergs für deftige Splattereffekte. Seine geschaffene dystopisch angehauchte Zukunft unterscheidet sich dabei ansonsten kaum von der heutigen Welt. Die Science-Fiction-Elemente sind unauffällig eingebaut und schaffen die richtige Atmosphäre, die sich vor allem auf ihre Hauptfigur konzentriert. Um diese geht es auch im Kern der Geschichte: Was macht das mit ihr, wenn sie die Körper anderer Menschen übernimmt und so eine Zeit lang deren Leben lebt? Wie gut findet sie in ihr eigenes Leben zurück?  Wie ist es möglich, dabei eine Balance zu finden und was passiert, wenn der Wirt sich mehr wehrt als erwartet? Schon der nächste Auftrag funktioniert nicht reibungslos und wird zu einem spannungsgeladenen Thriller, bei dem man nicht voraus ahnen kann, welcher Bogen als nächstes geschlagen wird.

Cronenberg schildert seine Geschichte dabei sehr ruhig und unterbricht lange Phasen des Schweigens und Taktierens mit visuellen Einblendungen von Gewalttaten. Die Splatter-Einlagen sind einwandfrei umgesetzt und werden bis zum Ende konsequent fortgesetzt. Die Orte und Locations sind dabei eher düster und grau und spiegeln so das Innenleben der Protagonistin wieder. Aber genau dieses Innenleben ist der Knackpunkt, warum man schlussendlich nicht ganz mit dem Film mitgehen kann. Die Hauptfigur, gut gespielt von Andrea Riseborough („Birdman“ (2014)), bleibt zu verschlossen. Man schafft es nicht ihre Gedanken und Beweggründe zu verstehen. Stattdessen empfindet man eher Mitgefühl mit den Opfern. Auch wenn es so gedacht sein sollte, geht die Rechnung trotzdem nicht auf, weil dadurch ein großes Maß an Spannung verloren geht. Der restliche Cast ist auch gut besetzt mit u.a. Sean Bean („Der Herr der Ringe“ (2001-2003)) und Jennifer Jason Leigh („eXistenZ“ (1999), „Der Maschinist“ (2004)). Die Soundkulisse passt sich zudem gut dem Stil des Films an. So kann man dem zweiten Film von Brandon Cronenberg definitiv eine positive Entwicklung vor allem im Hinblick auf seinen ersten Film „Antiviral“ (2012) attestieren, doch leider schafft er es auch hier nicht eine Figur zu etablieren, welche sich gut genug für die BetrachterInnen erschließt, was auch nicht ausreichend durch eine dichte Atmosphäre und ordentliche Splattereffekte wettgemacht werden kann.

Andrea Riseborough

Fazit: „Possessor“ ist der zweite Spielfilm Brandon Cronenbergs, der sich wie sein Vater einer gelungene Mischung aus Horror-, Science-Fiction und Thriller-Elementen bedient und so eine ungewöhnliche Geschichte erzählt, diese aber durch die Unzugänglichkeit der Hauptperson dem Publikum des Films nicht nahbar macht, so dass sich der Spielfilm zwar handwerklich sehen lassen kann, aber an Spannung einbüßt. 

Bewertung: 6/10

Kinostart: 1. Juli 2021 / DVD-Start: 8. Februar 2021

Trailer zum Film „Possessor“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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