Sieben Fragen an Gabriel Böhmer

Interview: Im Gespräch mit dem britischen Filmemacher und Animationskünstler Gabriel Böhmer konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Push this Button if you begin to panic“, gesehen im Internationalen Wettbewerb des 33. Filmfest Dresden 2021, erfahren, warum er sich dafür entschied mit Papier zu arbeiten und welche Herausforderungen dieses Material birgt.  

The original english language interview is also available.

Kannst Du mir zur Ursprungsidee Deines Films zu erzählen. War zuerst die Geschichte oder das Material da?

Ich hatte eine persönliche Erfahrung mit einer MRT-Untersuchung, die der Ausgangspunkt für den Film war. Als ich in das Gerät geschoben wurde, sagte der Techniker: „Drücken Sie diesen Knopf, wenn Sie in Panik geraten.“ Ich fand, das war der schönste Satz, den ich je gehört hatte. Und so hat die Geschichte die Verwendung von Materialien und Design stark beeinflusst. Es gibt eine Zeile im Film, die besagt, dass sich „das Geflecht der Dinge auf wunderbare Weise auflöst“, weshalb wir dieses ständige Zerreißen und Auflösen von Materialien haben. Und die abstrahierten Gesichter entstanden aus der Vorstellung, auf einzelne Körperteile reduziert zu sein, im Gegensatz zu einem ganzen Menschen.

Die Papier-Animationen sind großartig. Kannst Du mir mehr zur Arbeit mit diesem Medium erzählen?

Ich danke dir sehr! Das Ganze erfolgte in zwei einfachen Schritten: 1. Ich habe gezeichnet. 2. Ich habe ausgeschnitten. Und dann gab es noch etwas digitales Compositing. Aber im Allgemeinen sind 90 % von dem, was du siehst, analog. Allerdings ist alles im A4-Maßstab gehalten, so dass ich manchmal sehr, sehr klein schneiden musste. Das war ziemlich schwierig. Vorwiegend in Weiß zu arbeiten, war auch eine Herausforderung – als würde man in einem Schneesturm laufen und versuchen, eine bestimmte Schneeflocke zu finden.

Welches visuelle Konzept hast Du verfolgt und warum hast Du Dich für die reduzierte Farbpalette entschieden?

Die weißen Schichten kamen direkt vom MRT – dessen Inneres ist komplett weiß ist und den Körper in Schichten abtastet. Und die Idee, dass diese Maschine in den Körper hineinschaut, spiegelte sich in dem Rahmen des Kopfes wieder, durch den wir ständig schauen. Ich habe mich auch von einem Künstler namens Ben Nicholson inspirieren lassen, insbesondere von seinen Reliefs, die aus weißen Formen auf weißem Hintergrund bestehen. Mir wurde klar, dass man sich am Ende auf die Schatten konzentriert. Und dieser Gedanke war reizvoll, wenn es um jemanden mit einer seltsamen oder versteckten Krankheit geht. Jemand, der gezwungen ist, im Dunkeln zu leben. Sobald man Farbe einführt, hört man auf, sich auf die Schatten zu konzentrieren. 

Wie lange hat die Realisierung des Films gedauert?

Ich habe zwei Jahre dafür gebraucht. Ich habe mit Unterbrechungen daran gearbeitet und mich gleichzeitig um meinen Sohn gekümmert, der zu Beginn der Produktion geboren wurde. Und dann hat die weltweite Pandemie alles verlangsamt, und ich musste die Geschichte ein wenig umschreiben. In einer früheren Version hatte mein Krankenhaus zum Beispiel Schilder, die die Leute aufforderten, zu Hause zu bleiben, bis sie kränker sind. Was in einer Welt vor der Pandemie absurd war, wurde dann aber plötzlich zum normalen Ratschlag. In gewisser Weise denke ich, dass der Film von den Überarbeitungen profitiert hat. Die Teile, die geblieben sind, sind die ehrlichsten Teile. 

War es schwierig war es, die richtige Stimme für das Voice Over zu finden?

Das war einfach, denn ich hatte Michael Paoli an Bord, bevor ich das Drehbuch schrieb. Der Text wurde quasi für ihn geschrieben. Er hat eine wunderbar melodische Art zu sprechen, und ich wusste, dass er das richtige Feingefühl hat, um die Geschichte effektiv zu erzählen. Aber er hat auch einige Dinge getan, die ich nicht erwartet hatte, was eine wunderbare Überraschung war. Es war eine wirklich schöne Zusammenarbeit.

Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen und wie Du zum Film und im Speziellen zur Animation gekommen bist?

Das ist alles ein bisschen ein Zufall! Ursprünglich war ich in der Unternehmensberatung tätig, die ich nach der Veröffentlichung eines Romans im Jahr 2013 verließ. Dann habe ich 2015 meine Kunstwerke verkauft und als Musiker gearbeitet. Meine Band wollte ein Musikvideo machen, also habe ich versucht, mit meiner Kunst eine Animation zu erstellen. Mit diesem Musikvideo (mit dem Titel „The Singing Gate“) nahm ich an einem Filmfestival teil und war sehr inspiriert, einen Kurzfilm zu drehen, der auf dem Buch basiert, das ich geschrieben hatte. Daraus wurde ein Film namens „Beetle Trouble“, mit dem ich zu einigen wunderbaren Festivals reiste, darunter Message to Man, Indielisboa und Clermont-Ferrand. Und seither geht es immer weiter. Ich mag Animationsfilme sehr, weil sie all die Dinge vereinen, die ich gerne mache.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ich arbeite an einer Serie von drei Kurzfilmen, die den Titel „Brouhaha“ tragen wird. Inspiriert wurde ich durch eine Geschichte, die ich gelesen habe, in der es um fromme Bergleute geht, die ein Päckchen gepackt haben, in dem sie beim Betreten des Bergwerks nicht mehr Gott, sondern den Teufel anbeten. Von dort aus geht es zu vielen anderen Orten, aber das war der Ausgangspunkt für die Idee. Am Ende hoffe ich, dass sich das Ganze zu einem Spielfilm zusammenfügen wird. 

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Push this Button if you begin to panic


Interview: In a conversation with British filmmaker and animation artist Gabriel Böhmer, we were able to learn more about his short film “Push this Button if you begin to panic“, seen in the International Competition of the 33rd Filmfest Dresden 2021, why he chose to work with paper and what challenges this material holds.  

Can you tell me about the original idea of your film? Was it the story or the materials you used that came first?

I had a personal experience with an MRI scan, which was the starting point for the film. As I was being fed into the machine, the technician said, “push this button if you begin to panic.” I thought it was the most beautiful sentence I’d ever heard. And so, the story very much informed the use of materials and design. There is a line in the film that goes, “the fabric of things is unravelling quite beautifully,” which is why we have this constant tearing and unravelling of materials. And the abstracted faces came from the idea of being reduced to individual body parts, as opposed to a whole human being.

The paper animations are great. Can you tell me more about working with this medium?

Thank you so much! It all followed two simple steps: 1. I drew. 2. I cut out. And then there was some digital compositing. But, generally 90% of what you see is analog. Everything is on an A4 scale though, so at times I was cutting very very small. Which was quite difficult. Working predominantly in white was also challenging – like walking in a snowstorm and trying to find a specific snowflake.

What was your visual concept and why did you choose the reduced color palette? 

The white on white layers came directly from the MRI – which is completely white on the inside, and scans the body in layers. And the idea of this machine looking inside the body, was reflected in the frame of the head that we are constantly peering through. I was also inspired by an artist called Ben Nicholson, and in particular his relief pieces, which are white shapes on a white background. I realised that you end up focusing on shadows. And this idea was appealing in light of discussing someone with a strange, or hidden, illness. Someone who is forced to live in the shadows. Once you introduce colour, you stop focusing on shadows. 

How long did it take to make the film?

It took me two years. I was working on it on-and-off while also looking after my son, who was born at the beginning of production. And then the global pandemic slowed everything right down, and I had to rewrite the story a bit. For example, in a previous version my hospital had signs urging people to “Stay Home Until You’re Sicker.” Which was absurd in a pre-pandemic world, but then suddenly became normal advice. In a way, I think the film benefited from the rewrites. The parts that remained are the honest bits. 

Was it difficult to find the right voice for the voice over?

It was easy, because I had Michael Paoli on board before I wrote the script. The text was kind of written for him. He has a beautifully melodic way of speaking, and I knew he had the right sensitivity to deliver the story effectively. But, he also did some things I didn’t expect, which was a wonderful surprise. It was a really lovely collaboration.

Finally, can you tell me a bit more about yourself and how you came to film and animation in particular?

It’s all been a bit of an accident really! My original background was in management consulting, which I left after putting out a novel in 2013. Then I was selling my artwork and working as a musician in 2015. My band wanted to create a music video, so I tried using my art to make an animation. I went with that music video (called “The Singing Gate”) to a film festival, and was very inspired to make a short film based on the book I’d written. That ended up being a film called “Beetle Trouble”, with which I travelled to some wonderful festivals, including Message to Man, Indielisboa, and Clermont-Ferrand. And it’s just kept going since then. I really like animation because it’s a meeting point of all these things I enjoy doing.

Are there any new projects planned?

I’m working on a series of three short films that will be called “Brouhaha”. It was inspired by a story I read about these devoutly religious miners, who have packt that when they enter the mine they no longer worship God, but the devil instead. It goes to many other places from there, but that’s what started the idea. In the end I’m hoping it will stitch together to form a feature film.

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm “Push this Button if you begin to panic

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