Zehn Fragen an Paula Knüpling und Marina Prados

Doreen Kaltenecker
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Anna Tiessen

Interview: Im Gespräch mit den beiden Regisseurinnen Paula Knüpling und Marina Prados konnten wir mehr über ihren Spielfilm „Ladybitch“ erfahren, der auf dem 43. Filmfestival Max Ophüls Preis seine Premiere feierte und den Max Ophüls Preis für den gesellschaftlich relevanten Film gewinnen konnte. Sie erzählen darüber, wie eigene Erfahrungen die Geschichte geprägt haben, wie ihre Zusammenarbeit funktioniert und warum sie sich für eine humoristische Mockumentary statt für ein Drama entschieden.

Euer Spielfilmdebüt „Ladybitch“ speist sich aus eigenen Erfahrungen, richtig? Könnt ihr mir mehr zur Entstehung eures Films erzählen?

Richtig, der Film basiert auf unseren Erfahrungen mit dem Thema, vorrangig aus unserer Zeit als Schauspielerinnen. Mit dem Lockdown 2020 hatten wir viel Zeit, uns mit einigen Themen aus unserer Vergangenheit näher auseinander zu setzten. Dabei ist uns immer deutlicher geworden, wie wichtig uns das Thema ist und als wir dann die Chance bekamen, aufgrund von Corona-Einschränkungen unsere Theatergelder für ein Filmprojekt zu nutzen, wollten wir sofort diese Geschichte erzählen. Unser Anspruch war es immer, dass möglichst viele Menschen diese Geschichte sehen können. 

Ihr holt die #MeToo-Debatte an die deutschen Theater – habt ihr aus dieser Branche schon Feedback bekommen?

Es gibt diese Debatte ja jetzt endlich an den deutschen Theatern. Wir haben von vielen Theatermacher:innen viel bestätigende Rückmeldung bekommen. Von (Stadt-)Theatern allerdings noch nicht. Mal gucken, was da noch kommt. 

Was denkt ihr, ist notwendig, um solche Strukturen, wie sie ihr zeigt, zu durchbrechen?

Celine Meral

Das ist eine wichtige Frage und die Komplexität der Antwort werden wir wohl in den paar Sätzen jetzt nicht durchdringen können. Das Problem liegt nicht nur an einzelnen Menschen, sondern an gesamten Strukturen, die es gilt immer wieder aufzuweichen. Das findet im Ansatz, z.B. mit Kollektive-Spitzen, schon statt. Ein Regie-Duo zu sein, hat uns persönlich auf jeden Fall schon oft geholfen. Sich einer anderen Person gegenüber erklären zu müssen und keine alleinige Entscheidungsmacht zu haben, hilft. Respektvolle Kommunikation und die Wertschätzung bis hin zur Gleichstellung des Prozesses gegenüber des Ergebnisses sind unserer Meinung nach auch sehr wichtig. 

Warum habt ihr euch dafür entschieden, die Geschichte nicht als Drama zu erzählen?

Wir haben früh gemerkt, dass wir das Lachen gerne als Therapie benutzen wollen. Wenn Geschichten über #MeToo immer ausschließlich bedrückend und dunkel sind, kann man sich diesen Gefühlen auch nie entziehen. Uns hat das Lachen über die Absurdität der Situationen und über die Unbegreiflichkeit der Situation oft geholfen. Außerdem haben wir in dem Film teilweise epische Elemente verbaut, um über die Hauptcharaktere hinaus, auf das ‚System Theater‘ gucken zu können. 

Wie kam die Darstellungsform – die Mockumentary – ins Spiel?

Es ging schnell um die Frage der Beweislast für die Betroffenen. Eine der ersten Fragen, die man oft immer noch gestellt bekommt, sind: „Kannst du das denn beweisen?“ Aber Grenzen verschwimmen. Wir haben uns gefragt: „Was würde passieren, wenn an diesem Ort eine Kamera (die von den Akteur:innen auch wahrgenommen werden kann) anwesend ist?“ Zudem lag es auch einfach an einem kleinen Budget und unserer Entscheidung, das Format möglichst offen für technische Fehler zu gestalten. Mikrofon-Schatten oder Anschlussfehler sind so leichter zu entschuldigen und wir konnten uns mehr auf das Schauspiel konzentrieren. 

Daraus resultieren auch viele bildgestalterische Entscheidungen – könnt ihr mir trotzdem etwas genauer erzählen, was euch visuell am Herzen lag?

Klar war das visuelle Konzept durch das Format sehr geprägt. Aber auch aus rein künstlerischer Sicht hat uns diese Bildsprache sehr gut gefallen. Die, beinahe, hektischen Kamerabewegungen und die Sprünge zwischen sehr dunklen und sehr hellen Räumen haben uns gereizt. Ela, die Hauptfigur, bewegt sich ständig zwischen Gegensätzen in ihrem Umfeld und auch in sich selbst. Dabei lebt sie allerdings in einer ständigen Überforderung. Dinge scheinen zu passieren, ohne, dass sie wirklich Einfluss nehmen kann. Die Situationen entwickeln sich rasant und wir hecheln hinterher. So sind wir, trotz der großen Distanz zur Hauptdarstellerin, eigentlich in genau der gleichen Position. Beobachtende, die versuchen, mit dem Moment klarzukommen. 

Natürlich ist der Cast sehr wichtig für den Film – wie habt ihr und nach welchen Kriterien eure Besetzung zusammengestellt? Habt ihr auch überlegt selbst Rollen zu übernehmen?

Celine Meral

Das Casting war eines der wichtigsten Elemente für diesen Film. Alle Darsteller:innen haben in der Vorarbeit und auch während der Dreharbeiten so viel angeboten und die Charaktere mit Leben gefüllt. Wir haben viel mit Menschen im Kopf geschrieben und hatten das große Glück, dass die meisten dann die Rolle auch zugesagt haben. Das ging aber größtenteils nach Bauchgefühl und weniger geplant oder kalkuliert. Wir haben nur überlegt, welche Menschen spannend zusammen wären. Selber wollten wir nicht spielen. Da wären dann vielleicht doch zu viele Positionen durch uns besetzt gewesen. 

Wo wird man euren Film in Zukunft sehen können?

Das ist eine tolle Frage, auf die es gerade noch keine Antwort gibt. Wir arbeiten fleißig daran, den Film noch auf ein paar Festivals in Deutschland und auch im Rest der Welt zu zeigen. Vielleicht findet sich noch ein Verleih, der Lust hast, diesen wichtigen Film in einer kleinen Kinotour auszuwerten. Also konkrete Daten gibt es leider noch nicht, aber wir sind guter Dinge, dass da noch was kommt! 

Wie kamt ihr als Regie-Duo zusammen und gibt es bei euch eine Arbeitsaufteilung im Vorfeld oder am Set?

Christoph Gawenda

Wir sind auch zusammen und haben nach ca. einem Jahr der Beziehung einen immer stärkeren Wunsch danach verspürt unsere Geschichten selbst und gemeinsam zu erzählen. Das haben wir seit 2018 auch in der Theaterwelt schon gemacht. Seitdem haben wir viel Zeit und Arbeit in unsere gemeinsame Arbeit gesteckt, wie wir arbeiten wollen und wie wir dem Team gegenüber treten. Wir arbeiten wirklich sehr eng miteinander und haben eine 50/50 Entscheidungskraft in fast allen Produktionsschritten. Nur am Set teilen wir uns in Zuständigkeitsbereiche auf, um effektiver und schneller am Set zu arbeiten und klare Ansprechpartner fürs Team zu definieren. Bei „Ladybitch“ war Marina eher hinter der Kamera und Paula eher bei den Darsteller:innen. Beide haben immer Mitspracherecht beim Anderen, aber jede hat das letzte Wort für den eigenen Zuständigkeitsbereich. Das klappt für uns ganz gut. 

Sind bereits neue Projekte geplant?

Auf jeden Fall. Wir schreiben gerade an einem neuen Buch. Ein queeres Coming-of-Age-Spielfilmprojekt über Schönheitsideale und Selbstliebe. Wir freuen uns schon sehr auf alles, was da kommt!  

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Ladybitch

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