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Wie kamt ihr auf die Idee zu eurem Kurzfilm „Digital Investigations“? Gab es wahre Vorfälle, die euch inspiriert haben?
Junus: Ich kam mit dem Wunsch auf Olivia und Jonathan zu, für mein Diplomprojekt so etwas wie die „Drei Fragezeichen“, also junge Detektive zu machen, aber in heutiger Zeit und mit heutigen Mitteln: Smartphones, Internet etc.. Unsere individuellen Erlebnisse und Erfahrungen brachten schließlich verschiedene Aspekte mit in die Geschichte. Olivia ist beispielsweise in einem kleinen Hotel aufgewachsen – hat aber auf keinen Fall in den Hotelzimmern der Gäste rumgeschnüffelt ;). Wir ließen uns zudem von Pizzagate inspirieren, dem Vorfall in Washington, bei dem jemand aufgrund einer Verschwörungstheorie in einer Pizzeria eine Schießerei losbrach. Und wir beschäftigten uns schließlich mit unseren eigenen Sorgen aufgrund des Covid-Lockdowns, des Klimawandels und den aufkommenden Kriegen und kombinierten dies mit dem Weltschmerz der jüngsten Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, die jetzt eigentlich nach der Schule am Absprung ins Leben stehen sollten, aber eher vor einem Abgrund stehen, da sie den Problemen dieser Welt nicht entfliehen können.
Wie viel Kritik verbirgt sich in eurem Film an den Sozialen Medien?
Natürlich gibt es viel an Social Media zu kritisieren, was jedoch nichts daran ändert, dass es Teil unserer Lebensrealität ist. Selbst wenn wir uns entscheiden, dort nicht angemeldet zu sein, werden die Dinge, die dort passieren, unser Leben trotzdem beeinflussen.
Wenn man die digitale Welt als Teil unserer Realität begreift, dann kommt man letztlich zu der Frage, wie man sich dort verhalten kann, welche Ziele man dort verfolgt und welche Auswirkungen unser digitales Verhalten nach sich zieht.
In welchem Rahmen und Zeitraum habt ihr den Film realisieren können?
Junus: Der Film entstand im Rahmen des Serienkurses der Filmakademie Baden-Württemberg. Es war mein Diplomprojekt. Wir begannen die Entwicklung 2020 während der aufkommenden Covid-Pandemie, der Dreh fand im Sommer 2021 statt. Wir verbrachten eine sehr anstrengende Woche im Südschwarzwald, wo wir die Autofahrten, die Tankstelle, den Bauernhof und das Hotel drehten. Die zweite Drehwoche waren wir in Ludwigsburg im Studio der Filmakademie, wo wir einige Sets gebaut hatten: beispielsweise die verwirrende Wohnung von Nadia Andrej und Biancas Zimmer. Der Rahmen des Projekts war komplett studentisch. Wir hatten Nachwuchstalente in allen Gewerken des Films aus ganz Deutschland dabei, die das Projekt genutzt haben, um dazuzulernen und gemeinsam etwas Tolles auf die Beine zu stellen.
Der Stil des Films ist einfach großartig. Erzählt mir bitte mehr zu eurem visuellen Konzept.
Beeinflusst wurden wir beim visuellen Stil sehr von digitaler Kunst, insbesondere der Neo-Noir-Ästhetik, die häufig einen Weltschmerz verarbeitet, mit dem auch unsere Figuren zu kämpfen haben.
Um die Grenzen zwischen der analogen und digitalen Welt aufzulösen, haben wir dann versucht, eine analoge Entsprechung des digitalen Neo-Noir-Stils zu finden und kamen letztlich zu Edward Hopper und Gregory Crewdson, die sich in ihren Bildern ebenfalls mit dem Thema Einsamkeit und Verlorenheit auseinandergesetzt haben. Unsere Szenenbildnerin Sonja Schreiber und ihr Team haben dann diese beiden Welten ausgearbeitet und mit extrem viel Arbeit im Studio und On-Location erschaffen.
Um die Übergänge zwischen den beiden Welten quasi unsichtbar werden zu lassen, haben wir uns viel mit analogen In-Camera-Tricks beschäftigt. Besonders unser Kameramann Bo Riedel-Petzold kam hier immer wieder mit genialen Einfällen um die Ecke, von forced-perspective-shots oder sich bewegenden Scheinwerfern, die in 10m Höhe im Wald an Bäume gerigged wurden, bis zu Autos, die in einer Plansequenz heimlich aus dem Studio geschoben wurden.
Durch diese Ideen, die dann von Olivia wieder ins Drehbuch eingearbeitet wurden, konnten wir letztlich die traumartige Filmerfahrung schaffen, die dann im Schnitt von Andrea Grumbt nochmal verfeinert wurde.
Fantastisch sind auch die Darsteller:innen. Wie habt ihr sie gefunden?
Jonathan: Vielen Dank, da kann ich mich nur anschließen :) Zuallererst haben wir da sehr viel unseren beiden Casterinnen zu verdanken: Mit Juliane Voigtländer und Jessica Layher habe ich mittlerweile über fünf Filme gecastet und dadurch auch ein sehr gutes Vertrauensverhältnis. In der Vorbereitung haben wir uns außerdem viele junge deutsche Formate angesehen. „Druck“ ist zum Beispiel fantastisch gecastet und ich bin immer wieder beeindruckt, welche Talente dort entdeckt werden.
Insgesamt hatten wir dann einen langen und intensiven Casting-Prozess, der (passend zum Thema des Films) komplett über Zoom gelaufen ist. Teilweise kamen uns dann durch die Castings neue Ideen, die wir ins Buch einfließen lassen und somit die Figuren und Schauspieler:innen weiter verschmelzen lassen konnten.
Der Film wirkt wie ein Auftakt – habt ihr da weiterführende Pläne?
Junus: Der Film fungiert nicht nur als Kurzfilm, sondern er ist ein ‚Teaser‘, an der Filmakademie nennen wir das ein ‚Testimonial‘, also ein szenisch inszenierter Einblick in das gleichnamige Serienkonzept. Für uns war das ein ‚Proof of Concept‘, wie man das Internet visualisieren könnte, wie der Stil, die Stimmung und die Figuren sich anfühlen könnten. Im Serienkonzept decken wir in acht Folgen gemeinsam mit den Figuren, die wir schon kennengelernt haben und einigen neuen Figuren das Geheimnis um die Verschwörung ‚Y‘, die verschwundenen Kinder, Nadia Andrej und Biancas Verbindung zu all dem auf. Aktuell stellen wir das Konzept interessierten Sender- und Streaming-Partnern vor und hoffen, das ganze Projekt umsetzen zu können.
Wie kam es zu euer Zusammenarbeit und könnt ihr euch vorstellen, weiter als Team zu arbeiten?
Olivia: Das Konzept entstand wie schon erwähnt im Serienkurs, da fanden sich zunächst Producer:innen und Autor:innen zusammen, in diesem Fall Junus und ich. Wir haben bereits davor Serienkonzepte entwickelt und Junus und Jonathan haben auch ein Projekt gemeinsam realisiert – das hat sich also super ergänzt.
Dazu kam, dass uns alle drei zu Beginn der Pandemie ähnliche Themen beschäftigt hatten, auch das hat uns connected. Und nicht zuletzt sind wir natürlich alle gute Freunde! Während der Entwicklung hatten Jonathan und ich sogar in derselben WG gewohnt!
Wir haben uns ganz gut als Creator-Trio eingegrooved und könnten uns vorstellen, in der Konstellation weiter zu arbeiten, an „Digital Investigations“ oder anderen Projekten.
Sind bereits neue Projekte – allein oder zusammen geplant?
Olivia: Aktuell arbeitet Junus mit mir und Jonathan an unterschiedlichen Projekten, darunter sind ganz frische Ideen und schon weiter ausgereifte Konzepte, die wir gern an den Mann/an die Frau bringen würden. Jonathan und ich haben gerade tatsächlich kein gemeinsames Projekt, aber niemand von uns wäre böse wenn sich das in naher Zukunft ändern würde. :)
Wir sind ganz glücklich, dass wir, ‚obwohl‘ wir alle befreundet – und Junus und ich auch schon länger ein Paar sind, sehr sehr gut miteinander arbeiten können! Hoffentlich kriegen wir dazu nochmals die Chance auf dem Markt, denn im geschützten Rahmen des Studiums in der Filmakademie war das natürlich leichter.
Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Digital Investigations“