Sieben Fragen an Luis Schubert

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Interview: Im Gespräch mit dem Regisseur Luis Schubert konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Vic“, der auf dem 44. Filmfestival Max Ophüls Preis 2023 seine Premiere feierte und auch auf anderen Festival, wie dem 23. Landshuter Kurzfilmfestival 2023 lief, erfahren, wie er auf die Idee kam, die Geschichte als Desktop-Film zu realisieren und welche Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten, die Arbeit an diesem Film mit sich brachten.

Erzähl mir bitte mehr, wie die Geschichte zu „Vic“ entstand?

Die Ursprünge von „Vic“ sind auf eine frühe Drehbuchfassung von den Autor:innen Yashi Freitag und Gordon Dohle zurückzuführen. Darin ging es bereits um die Kernthemen: Influencerin und Deep Fakes. Da beide Elemente vor allem in der digitalen Welt vorkommen, kam mir die Idee, den Film in einen Desktopfilm umzuschreiben. Wichtig waren mir dabei verschiedene Fragen: Was sind die Dynamiken des Internets im Jahr 2023? Wem glauben wir online? Wie weit gehen Influencer:innen für Aufmerksamkeit?

Es gibt bereits einige gute Desktop-Filme – lang wie kurz – wie weit haben sie euch beeinflusst?

Mein erster Berührungspunkt mit dem Format war auf der Berlinale 2018. Im Kino International lief „Profile“ von Timur Bekmambetov. Die neuen erzählerischen Möglichkeiten des Formats beeindruckten mich. Aus dieser Seherfahrung resultierte der Wunsch mich selbst darin auszuprobieren. Als es dann konkret um die Produktion von „Vic“ ging, haben mein Team und ich weitere Desktopfilme gesichtet. Wir wollten begreifen, welche Elemente des Formats bereits genutzt wurden. Einerseits um uns gewisse Dinge abzugucken – andererseits um Neues auszuprobieren: Auf einen Desktopfilm, der Laptop- und Smartphone-Screen kombiniert, sind wir beispielsweise nicht gestoßen.

Kannst Du mir zur Arbeit am Set erzählen? 

In vielen Hinsichten unterscheidet sich der Dreh eines Desktopfilms zu dem eines herkömmlichen Films. „Vic“ wurde beispielsweise mit GoPros und nicht mit schwerem Kamera-Equipment gedreht. Die kleinen Apparate wurden an Smartphones oder Laptops geschnallt und den Schauspielenden überlassen. Wenn Agentin Leo (Elaine Cameron) also während eines Videocalls durch den Berliner Hauptbahnhof rennt, übernimmt sie einen Teil der Bildgestaltung. Die GoPro an ihrem iPhone ist dabei so winzig, dass der Öffentlichkeit kaum auffällt, dass gerade ein Film entsteht. Die fiktive Figur infiltriert sozusagen die reale Welt. Eine weitere Besonderheit des Drehs war das Aufteilen der Crew, denn die Videocalls wurden zeitgleich gedreht: die Hälfte des Teams befindet sich also bei Influencerin Vic (Luise Emilie Tschersich) auf einer Neuköllner Dachterrasse, während die andere Hälfte bei Agentin Leo (Elaine Cameron) am Berliner Hauptbahnhof steht. Somit müssen gewisse Positionen (Kamera, Ton, Requisite, Kostüm, Maske) doppelt besetzt werden. Zuletzt bestand die Arbeit am Set durch das besondere Format nicht nur aus Filmaufnahmen, sondern auch aus Fotoaufnahmen, die wir für den Online-Content von Vic und Mike in der Postproduktion benötigten.

Ich habe den Film mittlerweile dreimal gesehen und immer wieder fielen mir andere Details auf. Wie habt ihr diese ganzen kleinen Details eingebaut? Welche visuelle Entscheidungen haben bei der Ausgestaltung auch eine Rolle gespielt?

Das Interface-Design von „Vic“ hat im Herstellungsprozess am meisten Zeit eingenommen. Die Arbeit, die man sich bei dem Dreh durch den geringeren technischen Aufwand einspart, investiert man in die Desktopgestaltung. Jedes einzelne Element haben wir nachgebaut: ihren Desktop, ihr Insta-Profil, die Kommentare in ihrem Feed, die Webseiten usw. Da wir Kontrolle über all das hatten, konnten wir sehr präzise vorgehen und viele kleine Elemente in dem Film verstecken. Das hat großen Spaß gemacht. Auch ästhetische Fragen kamen auf: wie sieht der Desktop einer Influencerin aus? Was für einen Bildschirmhintergrund hat sie? Wir haben viel Zeit auf Instagram verbracht und mit Agenturen für Influencer:innen gesprochen.

Die Besetzung ist großartig – wie hast Du Deinen Cast zusammengestellt.

Für Vic und Mike war mir wichtig, dass die Figuren den Sprech von Influencern beherrschen und die Kamera in ihr Spiel integrieren können. Anstelle einer klassischen Castingszene, bat ich Luise Emilie Tschersich verschiedene Videonachrichten aufzunehmen, die sie als Vic an Mike adressiert. Das war sehr überzeugend. Als unsere Zusammenarbeit feststand, begann ich nach einem passenden Mike zu suchen. Marc Schöttner schickte mir ein paar improvisierte Aufnahmen als Fitness-Influencer aus New York.

Kannst Du am Schluss noch ein bisschen mehr zu Dir sagen und wie Du zum Film gekommen bist?

Ich studiere Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin und der Film ist in einer Partnerschaft zwischen meiner Hochschule und dem rbb entstanden. Weitere Informationen und ein paar Teaser zu meinen anderen Arbeiten sind auf meiner Website zu finden.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Im September dieses Jahres plane ich den Dreh eines Kurzfilms. Er handelt von einer missglückten Protestaktion während einer Live-Talkshow. Und darüber hinaus beschäftige ich mich langsam mit dem Drehbuch meines Abschlussfilmes. 

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Vic

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