Sieben Fragen an Daniil Lebedev

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit dem Filmemacher Daniil Lebedev konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Heaven and Home“ erfahren, der auf dem 66. DOK Leipzig 2023 seine Weltpremiere feierte. Er erzählt darin, wie er schlussendlich zum Film kam, wie seine Aufnahmen für den Film entstanden sind und warum er sich für die Essayform entschieden hat.

The original english language interview is also available.

Dein Dokumentarfilm erzählt Deine persönliche Geschichte. Wann hattest Du dich entschieden, dass Du aus eurem Umzug und dem neuen Leben einen Film machen willst?

Als wir auf der Insel Heybeliada ankamen und all die Schönheit der Umgebung sahen, begann ich über die Idee des Exils im Paradies nachzudenken, darüber, dass man nicht in der Lage ist, selbst die beste Umgebung voll auszunutzen, wenn sie einem aufgezwungen wird. Das brachte mich dazu, über die Heimat als etwas Vergleichbares nachzudenken, etwas, das man nicht mit Komfort oder Vergnügen oder gar einem Gefühl der Zugehörigkeit beschreiben kann. In gewissem Sinne ist die Heimat das erste, grundlegende Exil, das erste Gefängnis, und es ist die tägliche Routine dieses Gefängnisses, seine Sprache, die ein Gefühl der Zugehörigkeit schafft.

Wie haben die anderen auf das Filmprojekt reagiert?

Ich glaube, sie waren sich nicht ganz im Klaren darüber, was ich da tat. Ich habe hier und da gefilmt, ohne zu erklären, auch nicht Frida, wofür das alles war. Denn ich glaube, dass es auch mir selbst nicht ganz klar war, bis zu den letzten Phasen der Dreharbeiten. Ich habe einfach Finns Eltern gefragt, ob ich Finn filmen darf, und ich habe Yu gefragt, ob ich ihn filmen darf. Und dann habe ich ihnen den Film gezeigt. Yu konnte ich ihn erst vor kurzem zeigen, denn er hatte ein Jahr in einem amerikanischen Gefängnis verbracht, nachdem er versucht hatte, die Grenze zu überqueren.

Du wählst Dir Form eines Essayfilms – welche inhaltlichen Aspekte wolltest Du speziell vermitteln?

Der Titel spricht schon für sich selbst. Die Hauptkonzepte sind diese beiden Orte – der Himmel als imaginäres Zuhause und das Zuhause als imaginärer Himmel.

Was lag Dir bei den Bildern am Herzen? 

Wie gesagt, es war alles sehr intuitiv, es gab kein Drehbuch und auch keine klare Struktur. Ich habe nur mit meinem Handy gefilmt und dann einige Aufnahmen mit einer professionellen Kamera gemacht, um eine Art Übergang zwischen den beiden Teilen des Films zu schaffen.

Wie lange hast Du Material gesammelt und über welchen Zeitraum ist der Film entstanden?

Es hat mehrere Monate gedauert. Aber ich habe tatsächlich einige Aufnahmen verwendet, die ich gemacht habe, als ich noch in Sankt Petersburg war, bevor wir in die Türkei gezogen sind. Die Sequenz mit den Gebäuden ist dort gedreht worden. Ich fand, das passte gut, und es war auch lustig, dass diese Bilder, Bilder von leeren Häusern, die einzigen Bilder im Film sind, die in Russland aufgenommen wurden.

Kannst Du mir noch ein bisschen mehr zu Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?

Ich war eine Zeit lang Übersetzer und Literaturwissenschaftler. Aber irgendwann hatte ich begriffen, dass ich wegen meines schlechten Gedächtnisses nicht wirklich für die wissenschaftliche Forschung geeignet war und dass ich keine Leidenschaft für das Übersetzen habe. Während meines Studiums in Paris begann ich, Artikel über Filme für eine Filmzeitschrift namens East European Film Bulletin zu schreiben. Nicht so sehr wegen dieser Tätigkeit (ich sehe mir nicht viele Filme an, bin also kein sehr guter Filmkritiker), sondern eher wegen der Leute, die ich dabei kennenlernte, begann ich mich für Filme zu interessieren. Ich habe mich sogar an einer Filmschule eingeschrieben, aber das war eine wirklich schreckliche Idee.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Ich arbeite an zwei kurzen Drehbüchern für Spielfilme. Hoffentlich finde ich einen Weg, sie zu produzieren.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Heaven and Home


Interview: In our interview with filmmaker Daniil Lebedev, we were able to find out more about his short film „Heaven and Home„, which celebrated its world premiere at the 66th DOK Leipzig 2023. He tells us how he ended up making the film, how his footage for the film was shot and why he chose the essay form.

Your documentary tells your personal story. When did you decide that you wanted to make a movie about your journey and your new life?

When we arrived on the Heybeliada island, seeing all the surrounding beauty I started wondering about this idea of being exiled to heaven, of being unable to fully take advantage of even the most favorable environment when it is imposed on you. This made me think of home as something similar, something which really couldn’t be described in terms of comfort or pleasure or even a sense of belonging. In a sense, home is the first, fundamental exile, the first prison, and it is the daily routine of this prison, its language, that creates a sense of belonging.

How did the others react to the film project?

I think they weren’t fully aware of what I was doing. I filmed here and there, never describing, not even to Frida, what it was all for. Because I think it was not very clear to myself either, until the very last stages of filming. I just asked Finn’s parents if I could film Finn, and I asked Yu, if I could film him. And then I showed them the film. Well, I couldn’t show it to Yu until very recently, because he had spent a year in an American prison after trying to cross the border.

You chose the form of an essay film – what themes or aspects did you specifically want to convey?

The title speaks very much for itself. The main concepts are these two places – heaven as an imaginary home, and home as an imaginary heaven.

What was important to you in the images? 

As I said, it was all very intuitive, there was no script or even no clear structure. I just filmed on my phone, and then took some shots on a professional camera, to create a kind of a transition between the two parts of the film.

How long did you collect material and over what period of time was the film made?

It took several months. But I actually used some shots I did when I was still in Saint-Petersbourg, before we moved to Turkey. The sequence with buildings is shot there. I thought it fitted well, and also it was funny that those images, images of empty homes, are the only images in film taken in Russia. 

Can you tell me a bit more about yourself and how you came to film?

I was a translator for some time, and a literary scholar. But at one moment I had understood that I was not really fitted to scientific research because of my bad memory, and that I am not passionate about translation. During my studies in Paris, I started writing articles about films for a film journal called East European Film Bulletin. It is not so much because of this occupation (I don’t watch many films, so I am not a very good film critic), but rather because of the kind of people I met along the way, that I became interested in doing films. I even enrolled in a film school, but this was a really horrible idea.  

Are there any new projects planned?

I am working on two short feature scripts. Hopefully, I’ll find a way to produce them.

Questions asked by Doreen Kaltenecker

Read on the german review of the short film „Heaven and Home

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