„Hausnummer Null“ (2024)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Die Dokumentation „Hausnummer Null“ (Deutschland, 2024) von Lilith Kugler, die ihre Premiere auf dem 45. Filmfestival Max Ophüls Preis 2024 feierte, ist die Langzeitbeobachtung eines drogenabhängigen Obdachlosen, vermeidet dabei aber Klischees und Stereotypen und wirft einen frischen Blick auf dieses Thema. 

Chris lebt seit seiner Jugend auf der Straße und ist seit vielen Jahren drogenabhängig. Er hat sich seit geraumer Zeit mit Alex am S-Bahnhof Friedenau in Berlin niedergelassen und ist dort auch mit den Bewohner:innen bekannt. Als die Regisseurin Kugler in die Stadt zieht, ist Chris einer der ersten Menschen, mit dem sie Kontakt hat. Mit der Zeit reden sie immer wieder miteinander und sie beschließt, sein Leben filmisch festzuhalten. Sie begleitet ihn dabei durch die verschiedenen Jahreszeiten, durch die Corona-Zeit, erlebt gute und schlechte Tage und sein Bemühen, einen Wohnplatz zu finden, um ein neues Leben zu beginnen.

Lilith Kugler kam für ihr Studium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf nach Berlin. Dort lernte sie Chris kennen und mit der Zeit kam die Idee, ihn filmisch zu begleiten. Da es aufgrund von Corona gerade kaum eine Möglichkeit gab, Filme anders auf die Beine zu stellen, hatte sie zwar keine finanziellen Mittel, aber viele Freiheiten, da es außerhalb des Uni-Betriebs gestemmt werden musste. Für eine Beobachtung über einen längeren Zeitraum war das ein Geschenk und so konnte sie über die Jahre Material sammeln, die Veränderungen erleben und ab einem Zeitpunkt auch gleich sortieren und schneiden. Wunderbar ist Kugler der Zugang zu dem Thema gelungen. Sie holt es aus seiner stigmatisierten Ecke, bringt uns den Menschen näher und ergründet zusammen mit Chris auch Hintergründe, aber vor allem fängt sie die Hürden eines Lebens auf der Straße ein. Darüber hinaus zeigt sie auch Freundschaft, Solidarität und dass es wichtig ist, offen zu sein und über seinen eigenen Tellerrand zu blicken. Die Bilder, welche die Regisseurin und ihr Kameramann Stephan M. Vogt dafür finden, sind keine typischen TV-Dokumentations-Bilder, wo einfach nur draufgehalten wird. Es wurde im Scope-Format gedreht und war von Anfang an cineamatisch gedacht. Es sind respektvolle Bilder, die auch auf Abstand gehen, ohne dabei zu beschönigen. Nach dem Film blickt man anders auf das Thema Obdachlosigkeit und das ist ein Geschenk für die Zuschauer:innen.

Fazit: „Hausnummer Null“ ist eine Dokumentation von Lilith Kugler, bei der die Zuschauer:innen über einen längeren Zeitraum den Obdachlosen Chris begleiten. Mit nicht stereotypisierenden Bildern und einem stets offenen Ohr und Blick für seinen Protagonisten entstand so ein Dokumentarfilm, der Sichtweisen durchbrechen kann und gleichzeitig eine gute Mischung und Nähe und Beobachtung besitzt, die man bei diesem Thema leider selten sieht. 

Bewertung: 8,5/10

Kinostart: unbekannt 

„Hausnummer Null“ läuft auf dem Festival Achtung Berlin am 15.4. (19:45 Uhr im Babylon Kino Berlin).

Trailer zum Film „Hausnummer Null“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

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