“Girl on the Train” (2016)

Doreen Kaltenecker
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 © 2016 Constantin Film Verleih GmbH

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Filmkritik: Der Spielfilm “Girl on the Train” (OT: “Girl on the Train”, USA, 2016) entstand nach dem gleichnamigen Roman der britischen Schriftstellerin Paula Hawkins (2015). Das Buch war ihr Erstlingswerk. Dieses wurde weltweit 15 Millionen verkauft und feierte internationale Erfolge. Der amerikanische Regisseur Tate Taylor (*1969) verarbeitete nun den Romanstoff in adäquater Weise und schuf einen sehr spannenden und psychologisch packenden Thriller.

Jeden Tag nimmt Rachel (Emily Blunt) den Pendlerzug nach Manhattan. Nachdem ihre Ehe mit Tom (Justin Theroux) zerbrochen ist, ist Rachel mit den Nerven am Ende und dem Alkohol mehr zugeneigt. Auf ihrem Weg zur Arbeit beobachtet sie am liebsten das Pärchen Megan (Haley Bennett) und Scott (Luke Evans), die für sie das perfekte Leben leben. Ganz in der Nähe wohnt auch Tom mit seiner neuen Frau Anna (Rebecca Ferguson), die vor der scheinbar sehr anhänglichen Ex-Frau Rachel viel Angst hat. Eines Tages sieht Rachel Megan mit einem anderen Mann (Edgar Ramírez) und kurz darauf ist Megan verschwunden. Durch die Untersuchungen der Polizistin Riley (Allison Henley) ergeben sich immer weitere Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen den einzelnen Protagonisten, so dass Rachel auf einmal unter Mordverdacht steht.

 © Metropolitan FilmExport

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Der bisher berühmteste Film des Regisseurs Tate Taylor ist “The Help” (2011), welcher erst sein zweiter Langfilm war. Auch bei diesem FIlm übernahm er die Drehbuchumsetzung des Romans und bekam damit internationale Aufmerksamkeit. “Girl on the Train” ist sein fünftes Regiewerk, dessen Drehbuch aber die Autorin Erin Cressida Wilson schrieb. Der 112 Minuten lange Spielfilm besitzt überhaupt keine Längen und bietet spannendes, psychologisches Kino. Das liegt vor allem an den gelungenen Perspektivwechseln, durch die der Zuschauer immer die Sicht einer der drei Frauen einnimmt. Dabei blickt der Betrachter oft durch Rachels benebelte Augen und weiß so nie richtig, was real ist und was nicht. Ihre Verwirrung und ihre Paranoia sind spürbar. Zudem lässt sich der Täter kaum vor der Auflösung entlarven. Der Thriller ist nicht nur in klassischer Hinsicht spannend, sondern vor allem auch als Charakterportrait dreier sehr unterschiedlicher Frauen. Es geht in dem Film viel um die Themen Abhängigkeit (nicht nur vom Alkohol) und Einsamkeit. Alle drei Frauen leiden auf ihre Art und der Film schafft es, dies treffend einzufangen und spürbar zu machen. So sind die Sympathien auch nicht nur einseitig verteilt, was es noch schwerer macht, den Schuldigen in diesem Film auszumachen.

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Die Geschichte wird treffend untermalt mit der Musik von Danny Elfman und perfekt arrangiert durch die Kameraarbeit von Charlotte Bruus Christensen. Diese passt die Kamerabewegungen an die einzelnen Protagonisten an. So wurden für die Hausfrau Anna fast immer statische Kameraaufnahmen verwendet, wohingegen Rachel meist von einer unruhigen Handkamera begleitet wurde. Dies ist eine gelungene und unaufdringliche Bildsprache. Auch die Ortsverlagerung von London in die Vorstädte von New York hat nicht geschadet. Der Zug – die Hudson Line – verbindet die scheinbar perfekten Vororte mit der quirligen Stadt New York und kann so wunderbar die Stimmung von Rachel einfangen, wenn sie täglich diesen Pendlerzug nimmt.

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Getragen wird der Film neben der treffenden, formalen Ausgestaltung von seinem herausragenden Ensemble. Emily Blunt (bekannt durch “Der Teufel trägt Prada” (2008), “Into the Woods” (2014) und “Sicario” (2015)) gibt der Alkoholikerin Rachel das perfekte Gesicht einer Verzweifelten und Verwirrten. Ihr zuzusehen tut fast körperlich weh. Rebecca Ferguson (zu sehen in “Mission: Impossible – Rogue Nation” (2015) und “Florence Foster Jenkins” (2016)) geht in der verunsicherten Hausfrau Anna komplett auf und kann all ihre Facetten von Eifersucht bis Angst hervorragend einfangen. Die dritte Frau im Bunde ist die Schauspielerin Haley Bennett (zuletzt gesehen in “Die glorreichen Sieben” (2016)), welche das gelangweilte mit Männer spielende Püppchen perfekt verkörpert. Aber auch die männlichen Rollen mit ihren unterschiedlichen emotionalen Ausrichtungen können überzeugen und stellen so den perfekten Gegenpart dar. Zudem besitzen sie alle eine Aura, die gefüllt ist mit Geheimnissen, welche die Zuschauer nur schwer greifen können.

Fazit: Im Gesamten kann der neueste Film von Tate Taylor – “The Girl on the Train” – auf allen Ebenen überzeugen. Die Schauspieler sind hervorragend ausgewählt und geben den Figuren emotionale Tiefe. Gerade dies verstärkt den Thriller ungemein und so ist “The Girl on the Train” nicht nur eine simple Mordfall-Geschichte, sondern ein spannendes Portrait von zwischenmenschlichen Beziehungen, Abhängigkeiten und Einsamkeit.

Bewertung: 8/10

Kinostart: 27.10.2016

DVD-Start: unbekannt

geschrieben von Doreen Matthei

Quelle: Pressematerial Constantin Film

3 Gedanken zu ““Girl on the Train” (2016)

  1. Sehr schöne Kritik zu einem Film, der meiner Meinung nach bei Publikum und Kritikern viel zu schlecht wegkam. Insgesamt vielleicht ein bisschen zu viel Seifenoper. Aber dennoch wirklich spannend und interessant gemacht.

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