“Das letzte Abteil” (2016)

Doreen Kaltenecker
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© Das letzte Abteil

Filmkritik: Der dritte Spielfilm des gebürtigen Oldenburger Regisseurs Andreas Schaap – “Das letzte Abteil” (Deutschland, 2016) – benutzt den Genrefilm, um über das Thema Sterbehilfe zu sprechen. Dieser liefert eine ungewöhnliche Mischung ab, welche auf der Genrenale ins Augenmerk fiel.

Auf dem Weg zu ihrer im Koma liegenden Mutter (Annelinde Gerstl) wird der Zug, in dem Greta (Anna Fischer) sitzt, von einer Lawine überrascht. Das letzte Abteil, in dem sie sich mit fünf weiteren Passagieren befindet, wird dabei verschüttet. Während die Temperatur unaufhörlich sinkt, versuchen sie, der Besserwisser Carl (Tim Sander), ein Schaffner (Ernst-Georg Schwill), der Schnösel Andre (Nic Romm) und das ukrainische Pärchen Bjanka (Barbare Prakopenka) und Drago (Andreas Hilscher) einen Ausweg zu finden. Doch nach und nach dämmert Greta, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Der deutsche Genre-Langfilm beginnt sehr klassisch. Eine Gruppe von Menschen wird in eine ausweglose Situation gebracht, in der es ums nackte Überleben geht. Dabei zerfleischen sich die Menschen typischerweise untereinander statt zusammenzuarbeiten. In diesem Teil des Films kann der Regisseur Andreas Schaap, der auch das Drehbuch schrieb, Spannung erzeugen. Diese verliert sich aber recht schnell, sobald dem Zuschauer (sogar eher als der Hauptfigur klar) wird, was eigentlich vor sich geht. Danach wandelt sich die Geschichte in ein Drama um, welches wichtige Themen anspricht. Doch der Prozess der Umwandlung, die Zwischenzeit in der beide Genres bedient werden, ist zu zäh. Da der geübte Betrachter sehr schnell den Clou erfasst hat, ergeben die Genreelemente weniger Sinn und stören die eigentliche Handlung. Hier hätte der Regisseur entweder kürzen können oder sich auf eine der beiden Situation mehr fokussieren sollen. Handwerklich ist der Film sehr gut gemacht und kann über die gesamte Länge überzeugen. Auch die Darsteller sind passend ausgewählt. Vor allem die Hauptdarstellerin Anna Fischer ist eine Bereicherung für den Film, da sie beide Rollen mit Bravour spielt. Andreas Schaap, der kurze Zeit nach der Entstehung des Films selber entscheiden musste, ob er seine Mutter künstlich ernähren lässt, setzt sich hier mit dem schweren Thema der Sterbehilfe auseinander. Dies verknüpft er mit dem Horror-Genre und schafft dadurch eine einzigartige Mischung, die über weite Strecken funktioniert. Durch diese Mischung produziert er auch keine billige Genrekost und kann so ein breites Publikum ansprechen, welches offen für das Vermischen zweier Genre ist.

Fazit: Der Spielfilm “Das letzte Abteil” fängt klassisch mit einem Horror-Locked-In-Szenario an und offenbart dann mit einer Wendung, welches Thema dem Regisseur und Drehbuchschreiber Andreas Schaap wirklich am Herzen liegt. Diese Mischung ist auf dem deutschen Genremarkt neu und kann so unbekannte Perspektiven bieten. Handwerklich überzeugend und mit guten Darstellern bestückt, ist der Film solide Unterhaltung, die mehr bietet als das Einer-nach-dem-Anderen-Prinzip.

Bewertung: 6/10

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:


Festivals auf denen “Das letzte Abteil” gezeigt wurde:

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