Fünf Fragen an Johannes Bachmann

Doreen Kaltenecker
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Regisseur Johannes Bachmann

Interview: Im Gespräch mit dem Regisseur Johannes Bachmann erzählt er mehr von seinem Kurzfilm „Stilles Land Gutes Land“, welcher im Masterstudiengang an der Zürcher Hochschule der Künste entstanden ist, und wie er zusammen mit Drehbuchautorin Lea Pasinetti einen politischen Stoff entwickelt und wie nah das Ganze an der Realität dran ist.

Der Kurzfilm „Stilles Land, Gutes Land“ ist ein äußert politischer Film. Kannst Du mir erzählen, wie das Drehbuch dazu entstand?

Das Drehbuch habe nicht ich selber geschrieben, sondern meine Studienkollegin Lea Pasinetti, die mit mir zusammen im Master an der Zürcher Hochschule der Künste studiert: Ich Regie und sie Drehbuch. Die Aufgabe war es im Seminar für den zweiten Film, ein Drehbuch zu schreiben zum Thema Fake-News. Generell ist es natürlich ein Anliegen auch auf Seiten der Dozenten, dass wir politische Filme machen und dass man mit Filmen, egal ob kurz oder lang, ein Statement ausdrückt.

Poster des Kurzfilms “Stilles Land Gutes Land”

Das haben wir uns sehr zu Herzen genommen bei diesem Projekt. Lea ist bei dem Thema Fake-News auf die Idee gekommen, dass sie als Aufhänger für die Geschichte die populistische Politik nimmt und dass dort die Fake-News beispielsweise eingesetzt werden können, als Mittel für Propagandazwecke oder als Verteidigung. Das ist vielleicht häufig in Amerika so, aber auch in der Schweiz kommt das vor. Und so ist sie dann relativ schnell auf eine rechte Politikerin als Hauptfigur gekommen und hat dazu ein Drehbuch verfasst. Ich bin dann erst dazu gestoßen, als das Drehbuch bereits fertig war und habe dann mit ihr noch eine finale Drehbuchfassung geschrieben.

Dass der Film so politisch ist, hat natürlich mit der politischen Gesinnung von Lea und mir zu tun. Was mich extrem interessiert, ist es eine Hauptfigur zu haben, die man auf den ersten Blick nicht sympathisch findet, da sie als rechte Politikerin populistische Politik macht. Das war der größte Reiz. Letztendlich hat der Film nicht mehr so viel mit dem ursprünglichen Thema Fake-News zu tun, aber man muss ja nur überlegen, woher er eigentlich kommt und wie er entstanden ist.

Deine Einblicke in die Welt der Kommunalpolitiker wirkt erschreckend realistisch. Hast Du Recherchen betrieben, auf denen diese Darstellungen beruhen?

Ja. Zum einen hat Lea Recherche betrieben, hat sich Vorbilder genommen, nicht nur aus der Schweiz, die in der Politik tätig sind. Da gibt es große Volksparteien, die rechts sind und in denen Frauen große Rollen einnehmen und ganz vehement die rechte Politik betreiben. Aber wir fanden natürlich auch Vorbilder aus Deutschland.

Als Quelle verwendeten wir Zeitungsartikel und Interviews und bauten teilweise auch Originalzitate von Politikern mit in das Drehbuch ein. Und auch als wir die Recherche für den Drehort gemacht haben, habe ich einen tieferen Einblick in die Kommunalpolitik bekommen. Wir haben in einem realen Gemeindehaus gedreht und die echten Urnen bei den Abstimmungen verwendet. Das ist alles relativ realistisch. Sowohl die Gemeindeversammlung als auch die Parteisitzungen im Restaurant sind an Originalorten entstanden. Im selben Restaurant finden die Sitzungen der rechten Partei wirklich statt. Von daher ist das rein politisch gesehen relativ realistisch, außer natürlich, dass für den Film alles etwas extremer inszeniert wurde. Aber das macht es anschaulicher.

Du verknüpfst für dein Drama ein politisches und gesellschaftskritisches Thema. Doch welchen Schwerpunkt wolltest Du vor allem setzen?

Ja, gesellschaftliches Thema hat schnell etwas mit Politik zu tun und dass dann auch noch diese Mutter-Sohn-Beziehung dazu kommt, das war tatsächlich auch, weil wir Angst hatten, dass wir, wenn wir nur politisch erzählen, zu wenig Empathie erzielen können. Wir wollten auch eine Seite der Hauptfigur zeigen, die sie nicht nur ganz kalt und unsympathisch erscheinen lässt, sondern in der wir uns alle doch wiederfinden können. Sie steckt mit der Situation ihres Sohnes in einem Dilemma und an diesem Punkt kann man sich auch mit dieser Hauptfigur identifizieren. Generell finde ich es natürlich spannend, dass ein Film umso interessanter wird, je mehr verschiedene Stränge und Konflikte zusammenkommen.

Wenn sich das alles nur auf einen Konflikt reduziert, kann man sich vielleicht ganz genau darauf fokussieren, doch wir haben uns für ein verschlungenes Muster von verschiedenen Strängen, die da zu Konflikten führen, entschieden. Umso mehr, umso besser, sagte mir mein Gefühl bei diesem Film.

Von den Dreharbeiten selbst würde ich auch gern mehr erfahren. Wo hast Du Deinen Film realisieren können?

Wo genau, in welchem Dorf, ich den Film gedreht habe, will ich aus Fairnessgründen nicht sagen. Es war ja sehr nett von der Gemeinde, dass wir dort drehen durften und die Gemeinde hat ja nichts mit dem Inhalt des Films zu tun. Tatsächlich kann man aber auch sagen, dass sehr viele Gemeinden in der Gegend einen sehr hohen Anteil an rechten Wählern haben. Das ist vielleicht eine Gemeinsamkeit, die es mit dem Film hat, aber dass jetzt genau dort populistische Politiker ihr Unwesen treiben, das wäre eine pure Behauptung.

Was aber tatsächlich sehr interessant war, als wir vor Ort waren, um die Locations anzuschauen, dass dort eine Zeitung herumlag mit der Schlagzeile „In dieser und jener Gemeinde gab es einen Übergriff in einer Schule von einem Lehrer auf einem Schüler“. Da haben wir auch gedacht, sowas Ähnliches haben wir tatsächlich geschrieben. Da merkt man dann, wie nah Fiktion und Realität beieinander liegen.

Nochmal zu den Dreharbeiten: Wir haben in vier Tagen gedreht und im Schulhaus haben wir nur am Wochenende gedreht. Wir haben alles tatsächlich – die Schule, das Gemeindehaus, das ganze Dorf, die Straße – in einer Gemeinde gedreht, die extrem nett und offen dafür war. Wir hatten extrem tolles Wetter und eine tolle Crew und es war eine sehr gute Stimmung in dieser kleinen hübschen Gemeinde.

Wir haben sie gefunden, indem wir bei Google Maps (in der Nähe von Zürich) nach einem Ort gesucht haben, wo alle Häuser exakt gleich aussehen und wo in einem ganzer Häuserzug so ein Modellhäuschen neben dem anderen steht, Wir haben rein geometrisch festgestellt, dass wir in dieser Gemeinde drehen wollten. Unser ganzer Film sollte ein stilistisch etwas Extremes besitzen, dass hier dann auch dieses Bünzlige [Anm. d. Red. Spiessbürgerliche], was auch die Schweizer haben, zum Ausdruck bringt. Es ist in der Vorstellung hier sehr bünzlig, aber die Bewohner der Gemeinde waren extrem offen und sympathisch und sollen nicht ins falsche Licht gerückt werden.

Deine Hauptdarstellerin Anna Katharina Müller spielt ihre Rolle ganz wunderbar. Wie hast Du sie gefunden?

Sie ist tatsächlich eine supertolle Schauspielerin. Sie ist eine freischaffende Schauspielerin in Zürich und spielt dort in kleinen und großen Theatern. Ich kenne sie vor allem aber durch eine Serie und aus Schweizer Kinofilmen, wo sie immer wieder kleine und große Rollen hat. Tatsächlich hat sie in der Serie [Anm. d. Red.: „Die Lehrer“, 2016], realisiert durch einen Kollegen, die Hauptrolle, eine Schulleiterin, gespielt. Und ich weiß nicht wieso, aber es beeinflusst natürlich schon extrem, wenn man diese Schulleiterin da vor sich hat. Sie spielt zwar eine ganz andere Schulleiterin, aber da hat sie mir extrem gut gefallen und dann habe ich sie tatsächlich schon wieder für eine Schulleiterin gecastet. Ich habe mich mit ihr getroffen und habe sofort gewusst, dass sie diese Rolle super spielen würde. Das hat sie dann tatsächlich getan und ich bin sehr dankbar, dass ich sie gefunden habe.

Die Schweiz und Zürich sind ja extrem klein und es gibt nicht so viele Schauspieler, man kennt relativ schnell alle Gesichter, wenn man sich in der Szene umschaut. Es ist auch noch eine große Einschränkung in der Schweiz mit den Dialekten, dass man da schauen muss: Zürcher Dialekt für Filme, die in Zürich spielen, da kann man nur aus dem Züricher Schauspieler-Pool auswählen genauso in Bern, Basel, Luzern. Es sind so viele Dialekte, dass dies allein schon eine starke Einschränkung ist. Und dieser Film hat eben in der Nähe von Zürich gespielt, daher diese kleine Auswahl. Aber es hat sich ja sehr gut bewährt.

Die Kinderdarsteller sind auch alle frei gecastet aus Zürich. Es ist für alle ihr erster Film. Es gab eine Ausschreibung und ich habe ganz viele Leute eingeladen und mit ihnen Szenen durchgespielt und angeschaut. Durch Zufall bin dann auf die beiden jungen Darsteller gestoßen, die ihre erste Rolle absolviert haben und das auch supertoll gemacht haben.

Kannst Du mir zum Schluss ein bisschen mehr über dich erzählen und welche nachfolgenden Projekte anstehen?

Ich selber komme aus München, wurde dort geboren, und bin dann zum Studium nach Zürich gegangen und habe erst meinen Bachelor in Film gemacht und jetzt eben noch meinen Master in Filmregie. Das war der zweite Film des Master-Studiengangs und jetzt realisiere ich gerade meinen Master-Abschlussfilm und das ist auch wieder ein Kurzfilm, der bereits abgedreht ist. Es geht um einen jungen Mann, der einen Propellerhut findet und mit ihm in die Luft fliegt. Das ist ein extrem unpolitischer Film und eher eine Komödie. Ich mag die Abwechslung und verschiedene Genres beim Filmemachen. Ich könnte jetzt nicht sagen, ob es einen roten Faden gibt, der sich durch mein Œuvre und Genreauswahl zieht. Ich bin noch extrem in der Experimentierphase und mache möglichst unterschiedliche Filme. Im Sommer bin ich dann fertig und offiziell arbeitslos, denn als Filmregisseur wird man ja nie angestellt. Da muss ich mich um meine eigenen Projekte kümmern, aber ich sehe das ganz positiv. Da kommt sicher irgendwas auf mich zu. Das ist ja das Spannende.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Films „Stilles Land Gutes Land

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