Vier Fragen an Siegfried A. Fruhauf

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Regisseur Siegfried A. Fruhauf
© Katharina Müller

Interview: Im Gespräch mit dem österreichischen Künstler und Filmemacher Siegfried A. Fruhauf erzählt er von den Ursprüngen seines Kurzfilms „Where do we go“, welcher die 25. Regensburger Kurzfilmwoche mit eröffnet hat, wie die aktuelle Flüchtlingskrise damit hineinspielt und wie er ihn technisch umgesetzt hat.

In der Eröffnung der 25. Regensburger Kurzfilmwoche konnte man Deinen Kurzfilm „Where do we go“ sehen. Wie kam es zu diesem Experimentalfilm? Welche Idee steht dahinter?

Die Idee für die visuelle Ebene hatte ich bereits vor über 14 Jahren. Ich musste damals täglich mit dem Zug zu meiner Zivildienststelle fahren. Um mir die allmorgendliche und allabendliche Langeweile während der Fahrt zu vertreiben hab ich angefangen zu fotografieren.

Generell sind Fotografien aus dem fahrend Zug ja etwas Inflationäres und häufig auch recht unspektakulär. Allerdings hat die Entwicklung der Eisenbahn historisch betrachtet ein filmisches Sehen vorbereitet und die ersten Kamerafahrten wurden auf fahrenden Zügen durchgeführt. Das beschäftigt mich immer noch.

Diese sogenannten „Phantom Rides“ waren beim Publikum sehr beliebt und haben ein Erlebnis generiert, das nur der Film und kein Medium zuvor hervorbringen konnte. Auf dieser Basis begann ich mit der Lomo Supersampler zu experimentieren. Diese Kamera nimmt auf einem Bild eine Bewegung in vier Phasen auf.

Das fand ich sehr spannend, da mich der Prozess vom Einzelbild zum Bewegtbild interessiert. Diese Kamera ist verwandt mit den vorfilmischen Apparaten von Muybridge und seiner Serienfotografie. Von diesem Punkt ist es natürlich nicht mehr weit zum bewegten Bild zu kommen.

Es musste nur noch eine Weise gefunden werden, wie die Bilder wieder animiert werden. Diese Animation bestand in meinem Fall ganz einfach darin, die einzelnen Bilder in jeweils vier Schritten über die Leinwand wandern zu lassen. Diese ersten rein formalen Experimente blieben dann mal liegen und warteten auf den entscheidenden Impuls um zum Einsatz zu kommen.

Ich finde, Dein Film vermittelt ein fast nostalgisches Gefühl von Reisen. War das beabsichtigt? Was bedeutet es Dir selber unterwegs zu sein und zu reisen?

Der entscheidende Impuls, um den oben beschriebenen Ansatz wieder aufzugreifen, kam dann eigentlich erst zum Zeitpunkt der einsetzenden Flüchtlingsbewegungen. Insofern ist für mich das einzig nostalgische Gefühl an den Bildern zu „Where do we go“, dass es mal Zeiten gab, in denen man unbeschwerter gereist ist als heute.

Es gibt diese unglaublich reaktionäre Tendenz in der Gesellschaft, die wieder überall Grenzen haben will. Sich selbst einsperren, damit Menschen, die wirklich Hilfe brauchen uns auf keinen Fall zu nahe kommen können. Das finde ich schrecklich und löst in mir Befürchtungen aus, dass hier große europäische Errungenschaften einfach wieder zerstört werden. Filmisch ist es für mich nun nicht so, dass ich diese Inhalte explizit darstellen muss, es ist mir künstlerisch schon sehr an einer assoziativen Freiheit gelegen. Es geht mir, wie im Thema der Grenzen angesprochen, auch um physische Freiheit. Diese Freiheit hab ich beim Filmemachen, in dem ich einen realen Raum zerlegen, und durch Drehungen und Spiegelungen, auflösen kann. Es geht mir nicht nur um die Re- und Dekonstruktion von Landschaft, sondern vielleicht auch um eine neue, freiere Konstruktion von Land, im Sinne von Staat. Insofern hab ich nichts dagegen, wenn solche Gedanken in meiner Arbeit interpretierbar bleiben, auch wenn sie einen nicht vordergründig anspringen, aber eventuell und hoffentlich kann die unkonventionelle intensive Form etwas dazu beitragen, die persönlichen Horizonte, durch den ins Wackeln geratenen Horizont auf der Leinwand, etwas zu erweitern. Das ist es, was mir bei einer Reise, sei diese nun im Kino oder im Zug, mit dem ich sehr gerne reise, wichtig ist!

Die Bilder funktionieren in der Kombination mit der Musik von Jörg Mikula besonders gut. Kannst Du mir mehr zu dem Musikeinsatz und eurer Zusammenarbeit erzählen?

Ich bin mit Jörg Mikula befreundet. Er ist ein unglaublich guter Musiker und spielt in unterschiedlichsten Konstellationen und Bands. Für einen Schlagzeuger ist es vielleicht etwas ungewöhnlich ein Soloalbum aufzunehmen, aber er hatte diese grandiose Idee mit seinen selbst komponierten „Drumsongs“ eine CD zu machen.

Wir waren zur Präsentation dieser CD eingeladen und bei der dortigen Live-Performance hab ich sofort den Entschluss gefasst, dass ich eine filmische Arbeit mit einem seiner Songs mache will. Als ich nun auf der Suche nach einer Vertonung für meine Bilder war, hab ich mir die CD von ihm wieder angehört und ausprobiert.

Song Nummer 5 auf dem Album trägt den Titel: „Where do we go?“. Ich hab mein Rohmaterial mit den Song getestet und es war sofort klar, dass das funktioniert. Mit dem Song war nun auch die Struktur für meine Arbeit gefunden und ich montierte die Bilder nach dem Rhythmus. Außerdem fand ich den Titel von Anfang an sehr schön mehrdeutig.

Er kann zum einen eine ganz lapidare Frage sein, wohin man an einem angebrochenen Abend vielleicht noch schnell auf einen Drink gehen soll, oder aber es kann auch eine viel größere Frage dahinter stehen, nämlich wohin wir uns als Gesellschaft in Zukunft entwickeln werden.

Kannst Du mir am Ende noch ein bisschen mehr über Dich erzählen: Du machst schon sehr lange Kurzfilme. Welche nachfolgende Projekte stehen an und wird es auch Langfilme oder andere Kunstprojekte geben?

Mein künstlerische Auseinandersetzung zielt sehr häufig auf eine Präsentation im Kino ab. Darin schaffe ich meist sehr verdichtete Arbeiten. Weil ich, wie ich immer betone, eine Art filmisches Destillat erzeuge, sind die Filme und Video sehr hoch konzentriert. Bestimmt ist das der Grund, warum ich deshalb auch das kurze Format bevorzuge.

Ich bin aber auch nicht dogmatisch und es kann sich schon auch mal ein Langfilm ergeben. Es gibt mittlerweile eine Idee zu einem Dokumentarfilm, den ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin, der Radioautorin Anna Katharina Laggner irgendwann realisieren möchte.

Im Moment versuche ich mich auch mit Arbeiten im Kontext der bildenden Kunst zu beschäftigen. Auf Grund der Nähe des Experimentalfilms zur bildenden Kunst war dies ein Bereich, der mich auch immer interessiert hat. Dieses Changieren zwischen den Kunst-Genres kann seine Vor- aber auch Nachteile  haben. So eine Arbeitsweise zwischen White Cube und Black Box bietet künstlerisch größtmögliche Freiheit. Wenn ich mich bespielsweise auch mal in Malerei versuche, gehört meine Leidenschaft aber sicher vorrangig dem Kino.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Where do we go

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