Sechs Fragen an Marc Zimmermann

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit dem Künstler und Filmemacher Marc Zimmermann konnten wir mehr über seinen 13-minütigen Virtual-Reality-Film „Conscious Existence“, gesehen auf dem 20. Landshuter Kurzfilmfestival, erfahren, warum er sich für diese Art der Inszenierung entschied und was ihm bei der Umsetzung am Herzen lag.

Dein Kurzfilm „Conscious Existence“ gehört zu der recht jungen Bewegung der Virtual Reality-Filme. Erzähl mir mehr zu der Entstehung der dahinter stehenden Geschichte.

Conscious Existence“ ist im Prinzip eine Art Kulmination meiner vergangenen persönlichen Arbeiten, bei denen es vor allem um die Schönheit und Anmut der Natur, des Universums und des Lebens an sich geht, sowie um unsere Wahrnehmung und Wertschätzung dessen. In einem meiner ersten Projekte „Start Watching“ wird der Zuschauer aus einem matt beleuchteten Raum mit einem flackernden TV-Bildschirm nach draußen in die angenehme Wärme des natürlichen Lichtes befördert. In meinem Kurzfilm „Inner Space“ visualisiere ich die Reise von Klängen von der Schallquelle bis in unser Gehirn und den emotionalen Effekt, welchen Musik auf unser Inneres haben kann. Bei meinem Stillleben „Feel Secure“ geht es darum, dass unser Geist von der Anmut Mutter Naturs genährt wird. Und das Gemälde “Mindful of Beauty” bringt zum Ausdruck, dass wir mit einem bewussten Geist beschenkt sind, der es uns ermöglicht, die gesamte Schönheit des Universums wahr- und in uns aufzunehmen. Beim Schreiben des Off-Textes für Conscious Existence haben sich all diese Einflüsse ganz natürlich ergänzt und verflochten mit dem Ergebnis dieser virtuellen inneren Reise zum Bewusstsein.

Kannst Du uns mehr von der technischen Seite erzählen?

Virtual Reality ist in technischer Hinsicht ein breites Feld, sowohl was die Wiedergabe angeht, als auch die Technik für die Erstellung der Inhalte. Eine Möglichkeit ist die Unterteilung in vorberechnete (pre-rendered) und in Echtzeit berechnete (realtime) Inhalte, wobei ich mich mit der Erstellung von stereoskopischen 360° Videos bisher für ersteres entschieden habe. Das hat den Hintergrund, dass ich dabei mehr Möglichkeiten sehe, um mich kreativ auszudrücken und die gewünschte Qualität umzusetzen, im Rahmen meiner gewohnten Arbeitsweise, darüber hinaus spielt Interaktivität vorerst eine untergeordnete Rolle in meinen Projekten. Bei der Art meiner Projekte hat Qualität und Realismus einen großen Einfluss auf die Emotionalität, die potentiell auf den Betrachter überspringt, und wie stark man jene entsprechend berühren kann, was ich als wichtigsten Aspekt meiner Arbeiten sehe.

Allgemein hat Virtual Reality das Potential den Zuschauer durch das maximale Ausblenden störender Umgebungseinflüsse, stereoskopische Bildeindrücke, High-Framerate Playback, räumlichen Klang usw. in verschiedene Stimmungen und Gemütszustände zu versetzen.

Darüber hinaus spielt das Wiedergabe-Equipment eine große Rolle. Ein zu schweres oder schlecht sitzendes Headset, unscharfes Sehen, beschlagene Linsen, bescheidene Kopfhörer, zu kurze Kabel, niedrige Display-Auflösung, eingeschränktes Sichtfeld etc. sind alles Faktoren, welche das Erlebnis trüben können. 

Effektiv ist es auch, möglichst viele Sinne anzusprechen, wie es z.B. in den Sensory Reality Pods von Sensiks der Fall ist, in denen „Conscious Existence“ ebenfalls mit Hitze, Wind und Gerüchen erlebbar ist.

Welche Wirkung möchtest Du mit dem Film evozieren?

Generell soll die Experience den Zuschauer für einen kurzen Moment in eine andere Gedankenwelt eintauchen und abdriften lassen. Im Idealfall reflektiert der Betrachter die Worte des Voice-Overs, die möglicherweise noch im Anschluss der eigentlichen Experience nachhallen. Dabei bin ich der Meinung, dass es nicht nötig ist den Blick des Zuschauers ununterbrochen zu lenken, vielmehr ist es sinnvoll neben Momenten mit stark choreographierter Blicklenkung, Phasen zu haben, in denen man dem Betrachter Raum und Zeit gibt, ganz frei und unforciert die Umgebung zu erkunden und sich dabei selbst, sowie das eigene Befinden für einen Augenblick zu spüren. Bei meinen Werken ist dies besonders von Bedeutung.

Hattest Du mal drüber nachgedacht für ein deutsches Publikum den Off-Kommentar auch deutsch einsprechen zu lassen? Kannst Du mir mehr zu dem Text erzählen?

Auch eine deutsche Variante habe ich in Erwägung gezogen, da allerdings der Markt für den Vertrieb von VR-Content generell noch recht klein ist, habe ich mich dafür entschieden lediglich eine englische Version zu produzieren. Darüber hinaus fühle ich mich im Englischen recht wohl, auch was den poetischen Ausdruck angeht. Die Nachbearbeitung der Stimme, für welche ich unbedingt die eines Kindes wollte, war dazu recht aufwändig, um den gewünschten Effekt, Ausdruck, die Qualität und das Timing zu erreichen. Aus diesen Gründen habe ich auch Anfragen nach einer portugiesischen und chinesischen Version vorerst abgelehnt.

Wie weit folgen Deine Bilder einem roten Faden. Hast Du bei der Umsetzung auch assoziative Bilder zugelassen?

Für die erste Hälfte des Filmes hatte ich eine ganz klare Vorstellung, welche ich vorab mit Storyboard und Animatic durchgeplant habe, um möglichst effektiv zuerst einen Zustand gewisser Überforderung hervorzurufen, um anschließend eine Phase der Entspannung zu kreieren. Für die zweite Hälfte des Filmes war es mein Ziel ein Feuerwerk an Eindrücken zu erstellen, welche die Schönheit unserer Welt zeigen. Diese habe ich gemischt mit Szenen, die für bestimmte Emotionen und Gefühle stehen, welche ich selbst mit diesen assoziiere. Dabei bin ich vom Ablauf etwas freier herangegangen als im ersten Teil und habe spontan darauf reagiert, wie die Szenen ineinander fließen, um möglichst unsichtbare und ästhetische Übergänge zu schaffen. Der Betrachter soll dabei in eine Mischung aus Staunen und Emotionalität versetzt werden. Erst wenn ich selbst im Schaffensprozess von Bild und Ton diesen gewissen Vibe verspüre, obwohl ich das Material schon oft gesehen habe, weiß ich, dass ich mit einem Film auf dem richtigen Weg bin.

Kannst Du mir zum Schluss noch ein bisschen über Dich erzählen. Wirst Du dem VR treu bleiben? Welche zukünftige Projekte stehen an?

Ich bin ein Digital Artist (geb. in Dresden) mit einer Leidenschaft für visuelle Effekte, digitale Umgebungen und Matte Painting. Neben meiner Arbeit als Freelancer im Bereich Film und Werbung, realisiere ich immer wieder persönliche Projekte, welche mit Hilfe von Landschaften und Umgebungen Geschichten erzählen, sowie Emotionen wecken sollen. In diesen Projekten kreiere ich alles vom Konzept bis hin zur Musik und Sound-Design. Dabei habe ich VR als perfektes Medium für mich entdeckt, welches es mir ermöglicht den Zuschauer direkt in meine Kreationen zu transportieren.

Mich reizt auch der Gedanke, dass es immer besser möglich sein wird im wortwörtlichen Sinne Erfahrungen auszutauschen. Also nicht nur durch Erzählung, sondern durch eigenes Erleben und die Involvierung aller Sinne. So ist es mir als Artist möglich mit einem Projekt immer effektiver das sogenannte emotionale Gedächtnis eines Menschen anzusprechen, welches für die Bildung von Erinnerungen und dem Hervorrufen der damit verbundenen Emotionen im Gehirn eine wichtige Rolle spielt.

Außerdem hoffe ich gleichzeitig auch auf weitere Entwicklungen, die es Artists ermöglichen werden deutlich schneller die eigenen Kreationen im VR-Headset, beispielsweise auch direkt im 3D-Programm, beurteilen und bearbeiten zu können, wodurch schnellere Iteration möglich wird. 

Aus diesen Gründen bleibt für mich das Medium VR auf lange Sicht sehr spannend und Ideen für neue Projekte kreisen bereits im Kopf.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Conscious Existence

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