Sieben Fragen an Tom Salt

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Interview: Im Gespräch mit dem Filmemacher Tom Salt, erzählt er uns mehr über seinen Vater, den Maler John Salt, warum er beschlossen hat einen Kurzfilm über ihn zu drehen und wie sein Vater auf das Projekt reagiert hat. Salts Kurzfilm „The Last Painting“ feierte auf dem 62. DOK Leipzig seine Weltpremiere und wurde bei der Siegerehrung lobend erwähnt.

The original english language interview is also available.

Der Film handelt von Deinem Vater, dem Maler John Salt. Wie kam es, dass Du Dich dafür entschieden hast?

Ich habe diesen Film im Rahmen meines MA-Studiums gemacht. Ursprünglich hatte ich ihn vor vielen Jahren geplant, bevor ich mein Studium begann. Damals habe ich ihn als einfache Dokumentation seiner Arbeitsweise geplant. Er war immer sehr geheimnisvoll in seiner Arbeit und so dachte ich, dass es schön wäre, eine Aufzeichnung seiner Arbeitsweise zu haben. Vor dem akademischen Hintergrund meines MA wurde ich ermutigt, ehrgeiziger zu sein und zu versuchen, umfassendere Fragen des Alterns zu erforschen. Dies fiel auch damit zusammen, dass er begann, sich mit seiner Arbeit zu quälen, und es wurde offensichtlich, dass das Alter ihm einige Herausforderungen zu bereiten begann. Wie sich herausstellte, waren die zwei Jahre, die ich ihn gefilmt habe, entscheidend, da meine Eltern die Entscheidung trafen, unser Familienheim zu verlassen, in dem sie über 40 Jahre gelebt hatten. Ich schrieb zwei Treatments für den Film und am Ende wurde der Film eine Mischung aus den beiden. Es erscheint mir jetzt seltsam, dass so viel von dem, was ich in meinen Treatments vorausgesagt habe, am Ende tatsächlich passiert ist.

Wie war es für Deinen Vater, dass Du ihm mit der Kamera beobachtest? Und wie hat ihm der finale Film gefallen?

Mein Vater war immer sehr privat und der letzte Mensch, der vor einer Kamera stehen wollte. Er wusste aber, dass es ein wichtiges Projekt für mich war und deshalb stimmte er zu. Am Anfang war es ziemlich unangenehm und umständlich, die Kamera dabei zu haben, aber nach und nach haben wir uns an die Situation gewöhnt. Irgendwann fing er dann tatsächlich an, es als “unseren Film” zu bezeichnen, und ich glaube, er fing wirklich an, die Zeit, die wir zusammen verbrachten, zu genießen. Am Ende ermutigte uns die Kamera, viele ehrliche und offene Gespräche zu führen. Es war ziemlich befreiend! 

Obwohl ich ihm angeboten habe, den Film zu sehen, hat er sich bisher nicht dazu entschlossen, dies zu tun. Während des gesamten Prozesses scherzte er, dass er die Ergebnisse nicht sehen wollte. Hätten sich die Dinge nicht so sehr verändert, hätte er ihn vielleicht gerne gesehen, aber am Ende ist der Film ein Dokument von so vielem, das er verloren hat. Sein Hund starb gegen Ende der Dreharbeiten und der Umzug in ein kleineres Haus bedeutete, dass sie die schöne ländliche Umgebung verlassen mussten. Außerdem konnte er wegen seiner Schwierigkeiten mit der Arbeit noch kein neues Studio einrichten. Vielleicht wäre es einfach zu schmerzhaft gewesen, darauf zurückzublicken. 

Dir gelingt es, den richtigen Ton zwischen Sachlichkeit und Emotionalität zu treffen. Was war Dir wichtig bei der Umsetzung?

Ich denke, der Film hätte viel emotionaler sein können, wenn ich mich dafür entschieden hätte, ihn so zu machen. Wir hatten einige sehr emotionale Situationen und diese wurden in den frühen Rohschnitten gezeigt. Es wurde mir jedoch klar, dass der Schnitt dieser Sequenzen, so dass sie emotional für ein Publikum funktionierten, auch bedeutete, dass sie sich für mich irgendwie unehrlich anfühlten. Ich stehe meinem Vater so nahe, dass ich, sobald ich versuchte, Dialogsequenzen zu schneiden, seine Authentizität verlor und ihn nicht mehr als meinen Vater erkannte. Außerdem gab es, da ich alleine arbeitete, technische Mängel in vielen der emotionalen Sequenzen, die mich von dem anderen Material abgelenkt haben. Der Film war als Lernprozess gedacht, und im Laufe der zwei Jahre Dreharbeiten wurde ich immer sicherer in meiner Vorgehensweise. Dies führte zu einer objektiveren Behandlung.

Wie oft und lange habt ihr gedreht? Gab es auch Situationen, wo dein Vater nicht einverstanden war?

Wie gesagt, ich habe über zwei Jahre gefilmt. Da ich in Deutschland lebe, musste ich für die Dreharbeiten zurück nach Großbritannien reisen. Ich war wahrscheinlich für insgesamt vier bis fünf Wochen in Großbritannien, normalerweise für Blöcke von zwei bis drei Tagen. Die Entstehung der Bilder dauert sehr lange und ich habe versucht, den Anfang und das Ende einzufangen. Durch die Umwälzungen der Jahre dauerte das Malen noch länger als erwartet. Am Ende habe ich ca. 70 Stunden Material gedreht. Mir wurde auch klar, dass der Verkauf ihres Hauses ein wichtiger Teil des Films werden würde. Mein Vater war immer bereit, mich filmen zu lassen, obwohl er sich, wie ich schon sagte, vor der Kamera nicht sehr wohl fühlte.

Was lag Dir auf visueller Ebene am Herzen?

Ich bin von Beruf Fotograf, deshalb hat es mich schon immer zu Filmen hingezogen, die ganz still in ihrem Ansatz sind. Gideon Koppels Film „Sleep Furiously“ und Raymond Depardons „Modern Life“ waren für mich sehr wichtig. Gideon war auch so freundlich, auf eine E-Mail zu antworten, in der ich ihn um Rat fragte, und er hat mir durchweg Mut gemacht. Als ich anfing, mit meinem Vater zu filmen, glaube ich, dass ich das vergessen habe und eher unkontrolliert mit meinem Stil umgegangen bin. Ich geriet in Panik und vergaß, ein Stativ zu benutzen, und als Folge davon war das Material sehr instabil. Außerdem hatte ich die schreckliche Angewohnheit, die Kamera zu früh auszuschalten und keinen Platz zu lassen. Nach den ersten paar Sitzungen war ich enttäuscht, dass ich nicht mit funktionierendem Material zurückkam, und ich beschloss, immer ein Stativ zu benutzen und bewusster vorzugehen. Ich begann, viel mehr Szenen zu inszenieren. Ich versuchte auch, Bilder zu finden, die mein Thema des Alterns genauer vermitteln. Ich sehe immer noch viele Fehler in der Art und Weise, wie ich diesen Film gedreht habe, aber er geht ein Stück weit zu dem Film, den ich machen wollte. 

Wie bist Du selbst zum Film gekommen – hättest Du Dir auch vorstellen können, in die Fußstapfen Deines Vaters zu treten.

Tom Salt beim 62. DOK Leipzig

Wie ich schon sagte, ich bin Fotograf. Der Film schien eine natürliche Entwicklung zu sein. Einen MA zu machen, war eine großartige Ausrede, um die Feinheiten des Geschichtenerzählens wirklich zu erforschen, und es war eine große Hilfe. Ich kann etwas mit einem Bleistift zeichnen, aber ich bin hoffnungslos beim Malen! Viele meiner fotografischen Einflüsse wie William Eggleston und Stephen Shore machen Arbeiten, die den Szenen nicht unähnlich sind, die mein Vater malt. Ich nehme an, dass ich für diese Szenen schon früh ästhetisch sensibilisiert worden sein muss. 

Welche nachfolgenden Projekte stehen an?

Für dieses Jahr habe ich ein Projekt in Deutschland geplant. Es geht lose um eine Gruppe von Malern bei der Arbeit und die Umwelt um sie herum. Vielleicht kann ich danach etwas ausprobieren, bei dem es nicht um Malerei geht! 

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „The Last Painting


Interview: In conversation with filmmaker Tom Salt he tells us more about his father, the painter John Salt, why he decided to make a short film about him and how his father reacted to the project. Salt’s short film “The Last Painting” celebrated its world premiere at the 62nd DOK Leipzig and was praised at the award ceremony.

The film is about your father, the painter John Salt. What led you to decide on this subject?

I made this film as part of my MA studies. I originally planned it many years ago, before I started my studies.  At that time I planned it has just a simple documentation of the way he works. He was always quite secretive about his work and so I thought that it would be nice to have a record of his working methods. Against the academic background of my MA I was encouraged to be more ambitious and try to explore broader themes about ageing. This also coincided with him beginning to struggle with his work and it becoming obvious that age was beginning to cause him some challenges. As it turned out, the 2 years that I filmed him were pivotal as my parents made the decision to leave our family home where they had lived for over 40 years. I wrote two treatments for the film and in the end the film became an amalgam of the two. It seems strange to me now that so much of what I foreshadowed in my treatments ended up actually happening.

How was it for your father that you observed him with the camera? And how did he like the final film?

My father has always been very private and the last person who would want to be in front of a camera. He knew though that it was an important project for me and that is why he agreed. Initially it was quite uncomfortable and awkward to have the camera there but gradually we became used to the situation. At some point in the process he actually started to refer to it as “our film” and I think he genuinely began to enjoy the time we were spending together. In the end the camera encouraged us to have many honest and open conversations. It was quite liberating! Although I have offered him the chance to watch the film, so far he has chosen not to do so. Throughout the process he joked that he did not want to see the results. Had things not changed so much he may have liked to see it but in the end it is a document of so much that he has lost. His dog died near the end of the filming process and the move to a smaller house meant that they had to leave the beautiful rural landscape. Also, his struggles with work mean he has not yet been able to set up a new studio. Maybe it would be just too painful to look back at this point. 

You manage to strike the right note between objectivity and emotionality. What was important to you in the realisation?

I think the film could have been much more emotional had I chosen to make it that way. We had some very emotional situations and these featured in early rough cuts. However, it became clear to me that editing these sequences so that they worked emotionally for an audience meant that they also felt somehow dishonest to me. I am so close to my father that as soon as I tried to edit dialogue sequences I lost his authenticity and I no longer recognised him as my father. Also, as I worked alone, there were technical flaws in many of the emotional sequences that I felt detracted from the other material. The film was intended as a learning process and over the two years filming I became more confident in the approach I was taking. This led to the more objective treatment.

How often and how long did you film? Were there also situations where your father did not approve of your filming?

As I said, I filmed over about 2 years. As I live in Germany I had to travel back to the UK for filming. I was probably in the UK for a total of 4-5 weeks usually for blocks of 2-3 days. The paintings take a long time and I was trying to capture the beginning and the end. The upheavals of the year meant that the painting took even longer than expected. In the end I shot about 70 hours of material. I also realised that the sale of their house would become an important part of the film. My father was always willing to let me film even though, as I already said he was not very comfortable with being in front of the camera.

What was important to you on a visual level?

I am a photographer by profession so I have always been drawn to films that are quite still in their approach. Gideon Koppel’s film Sleep Furiously and Raymond Depardons Modern Life were really important to me. Gideon was also kind enough to respond to an email looking for advice and he offered encouragement throughout. When I first started filming with my father I think I forgot this and tended to be rather uncontrolled with my style. I would panic and forget to use a tripod and as a result the footage was very unstable. I also had a terrible habit of turning off the camera too soon and not allowing space. After the first few sessions I was disappointed that I was failing to come back with material that worked and I resolved to always use a tripod and to more deliberate in my approach. I started to direct scenes much more. I also tried to be more specific in finding images that conveyed my theme of ageing. I still see many many flaws in the way I shot this film but it does go some way to being the type of film I wanted to make. 

How did you get into film yourself – could you also have imagined following your father into painting?

As I said, I am a photographer. Film seemed like a natural progression. Doing an MA was a great excuse to really explore the intricacies of story telling and has been a great help. I can just about sketch with a pencil but I am hopeless at painting! A lot of my photographic influences such as William Eggleston and Stephen Shore make work that is not dissimilar to the scenes my father paints. I suppose I must have become aesthetically sensitised to these scenes at an early age. 

Do you already have any new projects planned?

I have a project planned for this year set in Germany. It is loosely about a group of painters at work and the environment around them. Maybe after that I can try something that is not about painting! 

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm „The Last Painting

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