Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
Letzte Artikel von Doreen Kaltenecker (Alle anzeigen)
Filmkritik: Der Begriff Heimat ist vielschichtig. In seinem Spielfilm „Mutterland“ (ET: „Motherland“, OT: „Gimtine“, Litauen/Lettland/Deutschland/Griechenland, 2019), gesehen auf dem 29. Filmfestival Cottbus, geht der in den USA geborene Regisseur Tomas Vengris dieser Frage aus der Perspektive eines Jungen nach.
Zusammen mit seiner Mutter Viktorija (Severija Janušauskaitė) kehrt der 12-jährige Kovas (Matas Metlevski) im Jahr 1992, kurz nach der Unabhängigkeit des Landes, nach Litauen zurück. Aufgewachsen in der USA verbindet ihn nichts mit diesem Land, doch der Mutter geht es anders, so dass sie die Chance nutzt nach 20 Jahren zurückzukehren und versucht das Anwesen ihres Vaters in Anspruch zu nehmen.
In seinem Debütfilm nutzt der Regisseur Tomas Vengris (*1984) eigene Erfahrungen, die er als Sohn litauischer Emmigranten gesammelt hat. Das Thema Heimat und was er damit verbindet, steht an erster Stelle. Der Film schafft es wunderbar unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen. Auch wenn der Film nur aus der Perspektive des Jungen erzählt wird, schafft er es auch den Standpunkt der Mutter deutlich zu machen. Diese leidet wie viele Emmigranten an einem Sehnsuchtsgefühl. Die Diskrepanz im Verständnis für seine Mutter und das Ergründen der Hintergründe, trägt viel zur Stimmung des Films bei. Denn gleichzeitig ist er nicht nur eine Geschichte über Heimat, sondern auch über das Erwachsenwerden, erschwerend in einem Land, was einem nicht vertraut vorkommt. Mit viel Souveränität fängt Vengris den Blick des Kindes ein, das selbst seinen Platz finden muss. Gleichzeitig portraitiert der Regisseur auch das Land selbst, das in den 90er Jahren in einer Umbruchphase steckte. So schafft er es wunderbar Coming-of-Age und Landes-Geschichte mit der Frage nach Heimat zu verknüpfen.
Dafür findet Vengris die richtige Bildsprache. Er verwendet vor allem ruhige Filmbilder, in denen Dinge passieren, die nicht immer verständlich sind, da man mit dem außenstehenden Blick des Kindes dabei zuschaut. Nach und nach ergibt sich ein Bild, wie auch für Kovas selbst. Die Farben, das Licht und auch die Locations sind dabei realitätsnah und fangen die Zeit authentisch ein. Hervorragend ist das Spiel der Darsteller. Neben dem jungen Matas Metlevski glänzt Severija Janušauskaitė als Mutter, die man u.a. aus „Babylon Berlin“ (2017) kennt. Sie schafft es mit ihrem Spiel die Gefühle des Zurückkommens und der damit einhergehenden Unsicherheit wunderbar einzufangen. Durch die Figuren Kovas und seiner Mutter werden auch die Veränderungen des Landes deutlich. Die Inszenierung schmiegt sich so insgesamt wunderbar an die Geschichte an.
Fazit: Der in Litauen geborene Filmemacher Tomas Vengris erzählt in seinem Debütfilm „Mutterland“, von einem Jungen, der in ein Land kommt, das nur seiner Mutter vertraut ist. Der Regisseur schafft mit realitätsnahen Bildern und Dialogen so nicht nur eine Rückkehrergeschichte zu erzählen, sondern auch eine Coming-of-Age-Geschichte und die Frage nach dem Begriff der Heimat zu stellen.