„Parasite“ (2019)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der koreanische Regisseur Joon-ho Bong liefert seit Jahren gute Filme ab u.a. „Snowpiercer“ (2013) und „Okja“ (2017). Seinen internationalen Durchbruch feierte er mit dem außergewöhnlichen Monsterhorrorfilm „The Host“ (2006). Jetzt folgt sein neuester Film „Parasite“ (OT: „Gisaengchung“, Südkorea, 2019), eine Mischung aus Horrorfilm und Gesellschaftsdrama. Damit gewann er als erster südkoreanischer Film die ‚Goldene Palme‘ in Cannes und sensationellerweise vier Oscars auf der 92. Oscarverleihung 2020.

Die Familie Kim lebt in ärmlichen Verhältnissen in einer Kellerwohnung. Als sich dem Jungen der Familie, Ki-Woo (Choi Woo-shik), die Möglichkeit bietet, für die wohlhabende Familie Park als Nachhilfelehrer der Tochter Da-hye (Jeong Ji-so) zu arbeiten, nutzt er die Gelegenheit auch den anderen Familienmitgliedern, seinem Vater Ki-taek (Song Kang-ho), seiner Mutter Chung-sook (Jang Hye-jin) und der geschickten Schwester Ki-jung (Park So-dam) einen Job bei Mr. und Mrs. Park (Lee Sun-kyun und Cho Yeo-jeong) zu beschaffen. So infiltrieren sie unbemerkt das Leben der gutsituierten Familie und genießen die Möglichkeiten, die sich ihnen dadurch bieten.

Song Kang-ho

Zusammen mit Han Jin Won schrieb der Regisseur und Autor Bong Joon-ho (*1969) das Drehbuch zu seinem neuesten, mittlerweile siebten Spielfilm. Inzwischen war auch das internationale Publikum auf seinen nächsten Film gespannt, nachdem u.a. „The Host“ seinen Durchbruch feierte. Auch bei „Parasite“ benutzt er das Genre für eine Gesellschaftsparabel und spielt gekonnt mit Elementen aus Thriller, Horror, Drama und Komödie. So wurde er in den deutschen Kinos als Horrorfilm eingestuft. Doch das trifft ebenso wenig zu, wie „The Host“ ein Monsterfilm ist oder „Snowpiercer“ ein Actioner. Joon-ho Bong schafft Filme, die sich außerhalb eines gängigen Spektrums befinden. „Parasite“ weiß diese Stellung auszureizen und erzählt eine Geschichte, die man so nicht vorhersehen kann. Dabei kann man sich guten Humors genauso gewiss sein, wie unerwarteter Wendungen und einer vollendeten Konsequenz. Das sind die Dinge, die man sofort oberflächlich wahrnimmt, doch darunter brodelt noch viel mehr. Hier werden Themen wie Armut, Bildung, Unterschiede zwischen Arm und Reich aufgegriffen. In dieser munter und leichtfüßig erzählten Geschichte, welche durch und durch spannend und unterhaltsam ist, stecken eine Menge Seitenhiebe auf gesellschaftliche Missstände. Bong Joon-ho weiß das meisterlich zu verpacken, sodass es deutlich wird, sich aber wie wunderbares Popcornkino anfühlt. Kein Wunder, dass er für dieses kluge Skript den ersten Oscar von vier erhalten hat.

So ausgefeilt die Geschichte selbst, ist auch die Inszenierung. Ganz exemplarisch wurden zwei Wohnsituationen geschaffen, die das charakterliche der Figuren wunderbar einfangen. Vermutlich hat man noch nie so eine abenteuerliche Kellerwohnung gesehen. Im Gegensatz dazu steht das moderne Haus der Parks. Dieses wird mit der Kamera in vielen Einstellungen genüsslich erforscht und offenbart immer wieder neue Ansichten. Die Kameraarbeit von Hong Kyung-pyo ist großartig und trägt viel zum Tempo und der Spannung des Films bei. Auch in der Kleidung und den Frisuren spiegeln sich die Charaktere wieder. Bong Joon-ho weiß einen ganz eigenen Kosmos zu schaffen, der wie das Haus abgeschottet von der Gesellschaft wirkt. Unterstützt wird er dabei vom grandiosen Spiel aller DarstellerInnen. Bis in die kleinste Nebenrolle ist der Film gut besetzt und alle SchauspielerInnen verweigern platte oder stereotypische Rollenauslegungen – so mannigfaltig die Figur, so präzise das Spiel dahinter. Bong Joon-ho arbeitet hier auch wieder mit einem seiner Lieblingsdarsteller, Kang-ho Song, zusammen, den man u.a. bereits in „Memories of Murder“ (2003) und „The Host“ gesehen hat. Durch und durch sind die Besetzung und die Inszenierung gelungen und ergeben zusammen mit der außergewöhnlichen Geschichte, die sich in kein Genre pressen lässt, einen atemberaubend guten Film, der es mehr als verdient hat, den ersten Oscar für den ‚Besten Film‘ für einen nicht-amerikanischen Film mit nach Hause zunehmen. 

Lee Sun-kyun und Cho Yeo-jeong

Fazit: Der südkoreanische Film „Parasite“ ist spätestens seit der 92. Oscarverleihung in aller Munde, auf der er vier Trophäen gewinnen konnte u.a. die für den ‚Besten Film‘. Diese Ehrung überraschte zwar, ist aber mehr als verdient. Der Film des südkoreanischen Großmeisters Bong Joon-ho basiert auf einem fantastischen Skript voller Überraschungen und großer Finesse, welches er mit Können und einem wunderbaren Cast umgesetzt hat. Dieser Film festigt nun seinen Ruf, den er sich bereits seit Jahren mit großartigen Filmen aufgebaut hat. „Parasite“ wird zu Recht hochgelobt und ist Kino für jedermann – klug und feinsinnig, aber genauso spannend, humorvoll und unterhaltsam.  

Bewertung: 9,5/10

Kinostart: 17.10.2019 / DVD-Start: 27.01.2020

Trailer zum Film „Parasite“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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